Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 100

(Abg. Smolle: Herr Kollege! Sind Sie nicht tschechenfreundlich?) Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Abgeordneter Dr. Felix Ermacora ganz anders gesprochen hat, und zwar in jeder Hinsicht, als Sie das heute getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube sagen zu können, daß sich Felix Ermacora bei dieser heutigen Außenpolitik Österreichs im Grabe umdrehen würde, könnte er hören, wie Österreich in dieser Frage agiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist kein Zufall, daß Österreichs laue Haltung in dieser Frage letztendlich zu einem Erfolg im Sinne der Tschechen führen wird. Sie thematisieren ja diese Frage nicht einmal mehr in Ihren Außenpolitischen Berichten. Dort findet man seit dem Jahre 1994, seit dem Abgang von Bundesminister Dr. Mock aus diesem Amt, nichts mehr über die Frage der Sudetendeutschen, nichts mehr über die der Vertriebenen. Da wird vielleicht noch da oder dort etwas über Kulturabkommen berichtet (Abg. Mag. Stadler: Ein "denationalisierter" Bericht ist das!), aber über diese Frage, über die Sie ja angeblich bilaterale Verhandlungen führen, steht nichts mehr in den Außenpolitischen Berichten. Das haben wir Ihnen nicht nur einmal, sondern bereits mehrmals vorgehalten.

Sie haben es auch bis heute nicht geschafft, diese ethnische "Säuberung" zu einem Thema des UNHCR zu machen. (Abg. Haigermoser: Das wird den Milošević freuen!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Das ist schade, denn dieses Thema gehört im UNHCR endlich einmal behandelt. Wer dieses Thema, diese "Denationalisierung", wie Sie sagen, beziehungsweise ethnische "Säuberung" an den Sudetendeutschen und an deutschsprachigen Slowenen nicht überall und immer und in schärfster Form anprangert, leistet letztendlich auch einen Beitrag zum Vorschub weiterer ethnischer "Säuberungen" in unserer heutigen Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.51

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Acht Bemerkungen zu dieser Anfrage – sofern die Zeit reicht.

Erstens: Das Jahr 1945 kann sicherlich nicht losgelöst von den furchtbaren Jahren davor, losgelöst von den Verbrechen des Nationalsozialismus gesehen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Aber nicht losgelöst von den Verbrechen! – Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie eine Aufrechnung machen?)

Zweitens: Die Vertreibung aller Personen im Jahre 1945 aus der Tschechoslowakei, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannt haben, stellt ein großes Unrecht dar. Es hat viele Todesopfer gegeben (Abg. Dr. Ofner: Peter, sag das Wort "Verbrechen"! Nimm das doch in den Mund!), und das soll nicht vergessen werden. Es ist wichtig, diese Frage zu behandeln.

Die Tschechische und auch die Slowakische Republik sind stark genug und in ihrer Demokratie genügend gefestigt, daß sie in der Frage der Beneš-Dekrete offiziell klare Worte finden können. Ansätze dazu gab es von Präsidenten Havel, Verständnis für die österreichische Haltung von Ministerpräsidenten Zeman. Den wirklichen Schritt zur Infragestellung dieser Gesetze wagt man jedoch leider nicht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann muß man sie zwingen!) Das ist bedauerlich für die Betroffenen, das ist aber auch bedauerlich für jene, die eben nicht den Mut dazu haben, einzubekennen, was in der eigenen Vergangenheit falsch war. (Abg. Mag. Stadler: Bei der Haltung des österreichischen Außenministers ist das kein Wunder!)

Drittens, meine Damen und Herren: Ich stimme mit Ihnen völlig überein, daß dies nicht bloß eine bilaterale Frage, sondern natürlich ein europäisches Problem ist. Ich bin aber auch nicht dafür,


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