Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 134

Es geschieht das erste Mal, seit ich hier im Nationalrat bin, daß ich gegen eine Interessenvertretung, für die ich an und für sich sozusagen ein großes Herz habe und für die mein Herz ganz generell schlägt, auftrete. Aber wenn jemand eine solche Politik macht wie diese siamesischen Zwillinge, nämlich die Lehrergewerkschaft und die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten – und sie ist auch in diesem Boot drinnen –, so bleibt mir nichts anderes übrig. Es zeigt ja auch ihr betroffenes Gesicht heute, wie betroffen sie diese Situation macht. Das glaube ich nämlich wirklich, denn sie sucht nach einem Ausweg. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich glaube es nicht, denn sie verteidigt das System!) Doch was hört sie von ihrem Partner in der großen Koalition? – Ich lade Sie ein, mit uns die großen Aufgaben anzugehen, sagt dieser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen noch etwas: Mir fällt, wenn ich an die letzten vier Jahre zurückdenke, außer dem Hausverstand, den mir die Frau Bundesministerin ja hoffentlich konzedieren wird, eigentlich nichts ein, was sie als wesentlichste bildungspolitische Meldung verkündet hätte. Man brauche Hausverstand, meint die Frau Bundesministerin. Man könnte fast fragen: Wenn man Hausverstand hat, wozu braucht man dann Bildungspolitik, Frau Bundesministerin?!

Wenn wir noch länger eine Bundesministerin haben, die nur an den Hausverstand appelliert (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gesunden Hausverstand!), aber die großen Probleme nicht in Angriff nimmt und das Besoldungsrecht nicht endlich reformiert, damit ein Ausspruch wie "Die spinnen, die Lehrer!" nicht mehr notwendig ist, dann ist nämlich, meine sehr geehrten Damen und Herren und Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratische Partei, irgendwann einmal der Tag gekommen, an dem von der großen Bildungsoffensive der siebziger Jahre, von der ich eine Profiteurin bin, nichts mehr übrig ist. (Beifall bei den Grünen.)

Diesen Tag, Kolleginnen und Kollegen, möchte ich nicht erleben! Das ist meiner Meinung nach wirklich ein zu ernstes Problem. Die Schule – und das ist für mich die zentrale Botschaft! – ist nicht für die Lehrergewerkschaft da, die Schule ist auch nicht für die Lehrer da, die Schule ist einzig und allein für die Schülerinnen und Schüler da, sie ist dazu da, um den Schülern Wissen zu vermitteln, aber nicht im engeren Sinn, sondern vor allem im Sinne der Vermittlung von sozialem Wissen und sozialer Kompetenz, und das muß gewährleistet werden. Aktionen wie jene in den letzten Tagen sind bei der Erfüllung dieser Aufgabe nur hinderlich und nie förderlich. Deshalb handeln Sie, Frau Bundesministerin! Sie haben ja noch mindestens bis zum nächsten Jahr in dieser so großen Koalition Zeit. (Beifall bei den Grünen.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

16.56

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Schaut lieber, wo euer Chef ist! (Abg. Dr. Graf: Er ist die ganze Zeit hier gesessen!) Vielleicht ist er gerade nachschauen gegangen, ob in seiner Wohnung irgendwelche Bettgeher sind! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie deutsch sprechen, damit ich Sie auch verstehe? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich merke, daß die Freiheitlichen sofort bereit sind, über die Wohnung ihres Parteivorsitzenden zu diskutieren oder die Diskussion darüber auch abzuwürgen. (Abg. Dr. Graf: Haben Sie keine Wohnung?) Es geht heute hier wirklich nicht darum. Es ist mir nur aufgefallen, daß er bei den Ausführungen meiner Vorrednerin den Saal verlassen hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht beleidigt sein!)

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Wir sind tatsächlich in tiefer Sorge um die Motivation und das Klima an den Schulen. Es ist sicher ein gemeinsames Anliegen, da zu einer Verbesserung beizutragen. Ich komme viel an Schulen, und ich habe den Eindruck, daß jetzt wirklich mehr als nur eine vorübergehende Verärgerung über eine Maßnahme herrscht. Die Demotivation an den Schulen sitzt recht tief, und damit können wir alle keine Freude haben.

Das ist jetzt keine Kritik am Inhalt der geplanten Maßnahme, aber ich meine, daß in einer solch schwierigen Situation wahrscheinlich den Schulen mit einem Schreiben von Ihnen selber, in welchem Sie den Grund Ihres Vorgehens erklären, mehr geholfen gewesen wäre als mit einem


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