Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 176

Wenn etwa § 36 des Entschädigungsgesetzes der ehemaligen Tschechoslowakei festlegt, daß Ansprüche auf Entschädigung überhaupt nur bis zum 31. Dezember 1980 angemeldet werden können, dann darf man sich nicht wundern, daß statt der über 90 000 erwarteten tatsächlich nur 47 000 Anträge gestellt wurden. Denn im Jahre 1980 hat es eben noch den sogenannten Ostblock und auch noch einen funktionierenden Warschauer Pakt gegeben, und da haben viele Betroffenen keine realistische Möglichkeit gesehen, eine realistische Entschädigung zu erhalten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, daß die Entschädigung für viele verfolgte Altösterreicher auch mit anderen Beitrittswerbern der EU-Osterweiterung nicht oder nur sehr schleppend funktioniert. Ich nenne als Beispiel unseren südlichen Nachbarn Slowenien: Der 1991 frei und unabhängig gewordene Staat Slowenien will sich, wie wir wissen, von den berüchtigten Avnoj-Gesetzen ebenfalls nicht trennen. Dabei verhält man sich ähnlich wie in Tschechien mit den Beneš-Dekreten. Die sogenannten Avnoj-Gesetze waren die Partisanenbeschlüsse von Jajce, die später für ganz Jugoslawien Gesetzeskraft erlangt haben. Sie waren die Grundlage für die Ermordung, Vertreibung und Verfolgung etwa der Untersteirer, der Gottscheer oder auch der Donauschwaben.

Diese Avnoj-Gesetze sind, anders als die berüchtigten Beneš-Dekrete in Tschechien, zwar nicht Teil der slowenischen Verfassung, das sogenannte Denationalisierungsgesetz, das am 20. November 1991 in Slowenien in Kraft getreten ist, baut aber direkt auf den Avnoj-Gesetzen auf und bewirkt, daß die Entrechtung der Altösterreicher fortgesetzt wird. Der Stichtag für die Rückgabe des beschlagnahmten Vermögens ist nämlich der 28. August 1945. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch die Angehörigen der deutschen Minderheit, nämlich ungefähr 540 000 Menschen, entweder in kommunistischen Konzentrationslagern wie Sterntal oder Tüchern oder auf der Flucht. – Es ist meiner Ansicht nach purer Zynismus, daß ein demokratischer Staat wie Slowenien zufällig Überlebenden – ohnedies zögernd und widerstrebend – Wiedergutmachung leisten will, sich aber sonst um seine historische Verantwortung drückt!

Meine Damen und Herren! Die öffentliche Meinung kippt auch in diesem Punkt. Es war lange Zeit nicht opportun, über diese Dinge überhaupt noch zu reden. Zu diesem Thema habe ich einen sehr interessanten Artikel in einer der Freiheitlichen Partei durchaus nicht nahestehenden Zeitung gefunden, nämlich in der Ausgabe der "Kronen Zeitung" vom 9. Oktober 1998. – Unter der Überschrift "Keinen Persilschein für Beneš" ist zu lesen:

"Tschechien und Slowenien wollen in die EU. Grundlage für Beitrittsverhandlungen sind lediglich die Vertragswerke innerhalb der EU. Dazu zählt nicht die Vertreibung der Volksdeutschen. Diesen formellen Standpunkt bekundet unentwegt die österreichische Bundesregierung – weil die Forderung nach Einbeziehung der tschechischen Beneš-Dekrete und slowenischen AVNOJ-Beschlüsse erstens vom bösen Haider kommt, zweitens ,Gutmenschen’ in Paris und London ein derartiges Ansinnen als ,unanständig’ bewerten könnten und drittens Bonn ebenfalls verzichtet, um nicht in ein schiefes Licht zu geraten. Merkt die österreichische Bundesregierung nicht, wie sie das Rechtsgefühl der Menschen verletzt?"

Weiter heißt es hier: "Seit den neuen Entschädigungsansprüchen von Nazi-Opfern hat sich bei uns eine breite Sensibilität in den Fragen von ,aus der Vergangenheit herrührendem’ Recht und Unrecht entwickelt. Und noch wichtiger: Die EU ist mehr als nur ein Handelsverein. Sie ist – das betont die Bundesregierung auf Schritt und Tritt – eine Wertegemeinschaft. In einer solchen Wertegemeinschaft darf es für Beneš-Dekrete und AVNOJ-Beschlüsse keinen Platz geben!"

Dafür darf es in einer zivilisierten mitteleuropäischen Gesellschaft wirklich keinen Platz mehr geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.55

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Dr. Kurzmann! Ich halte es für opportun, darüber zu reden: Wer Wind sät, wird Sturm


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