Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 178

Wir haben immer noch nicht den Mut gehabt, die Frage des Schicksals der Menschen, die als Zwangsarbeiter in Österreich gelebt haben, wirklich aufzuarbeiten. Wir haben das nach dem Krieg verdrängt. Wir haben nicht wirklich über die Rückstellung der geraubten Kunstgüter diskutiert. Sie haben alle, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, das Buch der Familie Thorsch bekommen, die aus diesem Lande schließlich "ausradiert" wurde. Dieses Land hat nie darauf reagiert.

Solange wir das nicht getan haben, meine ich, sollten wir nicht den Finger anderen gegenüber erheben. Ich lehne daher die Anträge der Freiheitlichen ab. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf gemeldet. Bitte Tatsachen berichtigen und keine Gefühle und Motive darstellen!

21.00

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Peter hat hier gesagt, daß die Freiheitlichen immer wieder zwischen solchen und solchen Opfern unterscheiden. – Das ist unrichtig! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Eben nicht! Das macht nämlich ihr!)

Ganz genau das Gegenteil ist der Fall! Wir unterscheiden zwischen Opfern überhaupt nicht! (Zwischenrufe beim Liberalen Forum, bei den Freiheitlichen sowie bei der SPÖ.) Kleinkinder, Alte, Greise, vornehmlich Frauen, aber auch Männer sind, wenn sie zu Tode kommen, gequält werden, geschunden werden und Opfer sind, für uns ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Graf, bitte die Tatsache berichtigen – und keine weiteren Ausführungen.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Ich habe die Tatsache berichtigt: Wir unterscheiden eben nicht zwischen solchen und solchen Opfern. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Herr Kollege Peter hier gesagt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Schluß! Aus!)

21.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.01

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine Damen und Herren! Ich war nicht auf der Rednerliste. Ich habe nicht die Absicht gehabt, das Wort zu ergreifen. Aber wenn ein Abgeordneter dieses Hauses so wie Abgeordneter Jung nach einer auch mich sehr bewegenden Schilderung beziehungsweise Vorlesung von Geschehnissen – oder von etwas, was Menschen, die ganz einfach nur einer bestimmten Nationalität angehört haben, passiert ist – hier sagt, selbst von Auschwitz gäbe es keine so schrecklichen Schilderungen, dann muß ich mich zu Wort melden.

Meine Damen und Herren! Menschenrechte sind unteilbar. Ich kann keine besseren Worte auf das finden, was Herr Brigadier Jung gesagt hat, als die Worte von Hermann Langbein, einem inzwischen verstorbenen Widerstandskämpfer, der einmal, in einem seiner letzten Interviews, auf die Bemerkung eines Journalisten, daß Auschwitz die Hölle gewesen sei (Zwischenruf des Abg. Jung), gesagt hat – ich versuche hier, ihn zu zitieren –: Auschwitz war die Hölle? – Nein! Hölle ist etwas außerhalb der Welt. Auschwitz war die Welt. Ein ganzer Staatsapparat hat mitgewirkt. Zu diesem Staat gehörte auch Österreich.

Menschenrechte sind unteilbar! Das Leid der Ermordeten ist nicht aufrechenbar. Industrielle Massenvernichtung ist bisher ein singuläres Ereignis in der Geschichte geblieben, und es soll so bleiben. Die Monstrosität eines Verbrechens wie das der Nazis ist mit nichts zu vergleichen. Darum gibt es keine Gleichsetzung. Darum gibt es nur das Bewahren, darum gibt es nur die


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