Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 79

einer der Totengräber der freien Berufe generell – das möchte ich hier einmal dezidiert festhalten –, und zwar in vielen Bereichen. Wir haben heute, morgen und in naher Zukunft viele Gesetzesänderungsinitiativen seitens der Regierung hier zu behandeln. Es werden im strafrechtlichen Bereich Konfliktlösungszentren geschaffen, wo in Zukunft Psychologen strafrechtliche oder rechtsfreundliche Vertretungen machen können.

Sie sind nicht in der Lage, ein Berufsbild für Mediatoren beizubringen oder dem Hohen Haus vorzulegen. Sie schaffen aber den Beruf der Mediatoren und damit auch die rechtsfreundliche Vertretung unter Ausschluß der Anwälte in der österreichischen Rechtsordnung. Damit geht es Schritt für Schritt wirklich an die Substanz eines ganzen Berufsstandes.

Aber es wundert mich nicht, daß hier im Hohen Haus kein Aufschrei erfolgt. Denn unter einer Justizausschußvorsitzenden Fekter, die in Wirklichkeit gar nichts mit der Sache zu tun haben will, kann eigentlich nichts weitergehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) In Wirklichkeit weinen wir – auch wir Freiheitlichen – dem ehemaligen Justizausschußobmann Graff in dieser Angelegenheit nach. Er hätte so etwas nie zugelassen! Man kann nicht versuchen, einen freien Beruf abzuändern, zu liberalisieren, wenn das schlußendlich auf Kosten eines anderen freien Berufes geht. Da muß man gemeinsam vorgehen. Da muß man ein System finden, das einer echten Liberalisierung entspricht.

Wirtschaftstreuhänder unterliegen nicht dem Werbeverbot der Rechtsanwälte und können ganz anders und massiv in der Öffentlichkeit auftreten. Es ist eine Wettbewerbsverzerrung, wenn man nicht gleichzeitig auch den Anwälten die gleichen Möglichkeiten in die Hand gibt. Auf der anderen Seite ist es tabu, darüber zu sprechen, daß man bei den Notaren, wo es wirklich notwendig ist, Liberalisierungen herbeiführt, zum Beispiel bei der Unterschriftsbeglaubigung, die überhaupt keine Möglichkeit darstellt, irgendeinem Berufsstand im Wege zu stehen. Ja, Sie sind immer bei uns, aber Sie wollen es nicht für die gesamten freien Berufe regeln.

Die Lösung heißt interdisziplinäre Gesellschaften! Dann gäbe es dieses Problem nicht mehr. Das findet man aber nicht, ich sehe das nirgends. Wo ist denn eine Regierungsvorlage in diesem Bereich? Es gibt sogar eine EU-Richtlinie, nach der wir das umsetzen müßten. Das Berufsrechtsänderungsgesetz der Rechtsanwälte sieht das aber nicht vor. Dort versucht man abzumauern.

In Wirklichkeit knabbert man massiv an der Substanz eines freien Berufes. Wir Freiheitlichen werden daran nicht mitwirken, das können wir Ihnen schon heute und hier sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Peter! Ich bin sehr, sehr gespannt darauf, wie Sie zu diesem Problem stehen. Heute bringt Kollegin Tichy-Schreder einen Abänderungsantrag ein, der sogar das, was nach den Beratungen im Ausschuß nicht zugelassen gewesen wäre, nämlich Wiederaufnahmeverfahren oder Wiedereinsetzungsverfahren, bei denen noch die Vorbehaltlichkeit der Rechtsanwälte geregelt war, jetzt plötzlich auch den Wirtschaftstreuhändern zukommen lassen will.

Das ist nämlich der faule Kompromiß, den Sie eingehen: Sie nehmen auf der einen Seite den Wirtschaftstreuhändern etwas weg zu Lasten eines anderen Berufsstandes, anstatt daß Sie die freien Berufe generell liberalisieren und eine moderne europäische Lösung in Form von interdisziplinären Gesellschaften herbeiführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. – Bitte.

14.10

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Da ich als "Totengräber der freien Berufe" bezeichnet wurde, muß ich sagen: Ich bin als Totengräber der landwirtschaftlichen Marktordnungen, als Totengräber der Kartellandschaft Österreichs, als Totengräber der "heiligen" Energieordnung, als Totengräber der Telekomordnung und als Totengräber der alten Wirtschaftstreuhänderordnung bekannt. (Abg.


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