Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 171. Sitzung / 172

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Satz der Dichterin Gertrude Stein schließen, der auch als Leitlinie der Kunstpolitik gelten kann. Sie sagt – ich zitiere –: Eine andere Vision als die, die die ganze Welt hat, ist selten. Die Dinge auf eine neue Weise zu sehen, ist wirklich schwierig, alles hält einen davon ab. Gewohnheiten, Bildung, der Alltag, Überlegungen, Anforderungen des Alltags, Dummheit, alles hält einen davon ab. – Zitatende.

Kunstpolitik muß Räume und Situationen ermöglichen und fördern, in denen diese "anderen", neuen Visionen entwickelt werden können, die für eine lebendige Gesellschaft lebenswichtig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

19.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Preisinger. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.38

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte aus dem Bericht einen Teilbereich herausnehmen, und zwar den Besucher-Auslastungsgrad in den Bundestheatern, vor allem im Burgtheater, dessen Auslastungsgrad seit einigen Jahren schon absolut rückläufig ist, so auch die Spielzeit 1997/98 im Vergleich zu 1996/97. Man darf aber nicht vergessen, daß er schon ab der Saison 1991/92 bis zum Jahre 1997, also wirklich seit Jahren, sukzessive geringer geworden ist. Allein im Jahre 1991 gab es noch 282 000 Besucher, im Spieljahr 1997/98 jedoch nur noch 253 000 Besucher!

Auffallend geringe Sitzplatzauslastungen gab es am Burgtheater bei folgenden Aufführungen – ich greife einige Beispiele heraus –: "Das Mädchen aus der Feenwelt", "Der Bauer als Millionär" von Raimund, bei der es letztlich überhaupt nur mehr eine Sitzplatzauslastung von 58,68 Prozent gegeben hat, oder, als ein weiteres Beispiel für eine Sitzplatzauslastung von nur wenig über der Hälfte, "Die Schlacht um Wien" von Turrini, welche ebenfalls nur zu 59,10 Prozent ausgelastet war.

Während also der Auslastungsgrad etwa beim Akademietheater relativ hoch ist – und dagegen ist an sich nichts zu sagen –, sind die Besucherzahlen des Burgtheaters seit Jahren gesunken. Als diese Problematik in der letzten Sitzung des Kulturausschusses angesprochen wurde, meinte der Herr Staatssekretär in etwa, "daß" – ich zitiere – "auch Wien sich vom internationalen Trend, der in Richtung weniger Theaterbesuch gehe, nicht abkoppeln könne" – das ist allerdings die Frage –, und er sagte weiters, "daß das vorrangige Ziel der Bundesregierung nicht die wirtschaftlich geführten Bundestheater sind". – Das ist letztlich alles, was darüber gesagt wurde. Ansonsten wissen wir nicht, was tatsächlich diesbezüglich getan wird.

Die Lösungsvorschläge, die der Herr Staatssekretär noch dazu gemacht hat, sind vielleicht auch ganz interessant, nämlich daß die Theater aggressive Werbung betreiben sollen. Es ist die Frage, wie aggressiv die Sache sein sollte, denn ich glaube zwar, daß Dynamik sehr belebend für das Theater ist, aber wenn den Theaterbesuchern die Aggression zuviel wird, so werden wir mit der Zeit immer weniger von ihnen haben, sie werden, was wir ohnehin jetzt schon annehmen, abwandern.

Man sollte noch dazusagen, daß der Besucherschwund eigentlich enorm ist. Trotzdem wird dieser Bereich jährlich mit 600 Millionen Schilling subventioniert, und lediglich 80 Millionen Schilling werden eingenommen. Daher wären eine höhere Qualität der Theaterstücke, eine höhere Qualität der Aufführungen und mehr Orientierung am Theaterpublikum notwendig. Statt dessen wird die Abgabe günstiger Karten für billigere Produktionen geplant, was absolut zuwenig ist.

Derzeit stimmt also die Qualität nicht mehr, wie sich durch den Rückgang der Besucherzahlen zeigt. Dies trifft vor allem auf das Burgtheater zu. Es stellt sich somit zum Abschluß die Frage: Wer wird in Zukunft noch für Staatsbühnen zahlen, wenn anzunehmen ist, daß die Besucher scharenweise ausbleiben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.42


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