Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 130

Herr Bundeskanzler! Ich gestehe Ihnen zu, daß jeder Politiker seinen eigenen Stil hat, daß er auch seine Stärken und Schwächen hat. Ich gestehe Ihnen auch zu, daß jeder seine Politik nach bestimmten persönlichen Prägungen, nach seiner Ideologie ausgestaltet. Aber für die Außenpolitik muß wohl eines für alle gelten, und das ist, daß das Interesse Österreichs im Mittelpunkt steht. Und das, meine Damen und Herren, erwarten wir von einem Bundeskanzler: daß nur das Interesse Österreichs im Mittelpunkt steht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Und das tut er auch!)

Zum zweiten möchte ich noch einmal festhalten, Herr Kollege Schieder: Ein Bundeskanzler muß im Inland und im Ausland das gleiche sagen. Er darf nicht einmal so und einmal so reden. Das erwarten wir von einem Bundeskanzler. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Schmidt.)

Zum dritten sehen wir ja, in welche Richtung die Entwicklung läuft. Sie läuft in Richtung eines europäischen Sicherheitsverbundes, in dem jeder einen Teil der Solidarität tragen muß. Darum erwarte ich auch von einem Bundeskanzler, daß er uns in die Integration führt und nicht in die Isolation, so wie das heute schon der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler selbst hat heute kritische Worte in die Richtung gefunden, daß wir vielleicht nicht den richtigen Zeitpunkt wählen, wenn wir vor einer Wahl, sowohl was die Europawahl letzte Woche als auch die Nationalratswahl am 3. Oktober betrifft, also im Wahlkampf, über Sicherheitspolitik reden.

Ich muß aber schon festhalten: Das, was in Österreich heute unter dem Begriff "Sicherheitslüge" als Diskussion läuft, hat vieles in sich, was gerade von Ihnen, Herr Bundeskanzler, und von den Sozialdemokraten verursacht wurde. Ich darf Ihnen zum Abschluß aus meiner Sicht nur etwas sagen, was sich auch am Sonntag bestätigt hat: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wer dreimal lügt, den wählt man nicht! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Die Abgeordneten Schieder und Dr. Stippel: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Heindl: Das ist das Mieseste vom Miesen! Ein mieser Nebbochant!)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir sehen heute hier, wie "einig" und "geschlossen" die österreichische Bundesregierung bei dieser wichtigen Frage der Weiterentwicklung der österreichischen und der europäischen Sicherheitspolitik agiert. Das läßt ja einiges "hoffen" für die nächsten zwei Jahre, wenn es darum gehen wird, die österreichischen Positionen gerade bei diesem Entwicklungsprozeß, der mit Köln in Gang gesetzt wurde, einzubringen.

Herr Bundeskanzler! Ich frage mich heute schon: In welcher Funktion sitzen Sie heute auf der Regierungsbank? Sitzen Sie hier als Bundeskanzler der Republik Österreich, der als Kanzler, als Vertreter der gesamten Bundesregierung, auf eine Dringliche Anfrage hin die Position der Bundesregierung hier klarlegen sollte? Oder haben Sie heute die Antworten als Parteichef der Sozialdemokraten gegeben?

Denn als Bundeskanzler hätten Sie hier nicht unverhohlene Drohungen aussprechen dürfen, sinngemäß etwa in der Art: Entweder ihr redet jetzt fünf Jahre lang nicht über die Neutralität, entweder ihr sagt hier, wir werden die Verfassung nicht ändern in den nächsten fünf Jahren, oder ich sage euch, das wird Wahlkampfthema werden, und dann wird der Wähler entscheiden, wohin es geht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das hat er nicht gesagt! Das war doch keine Drohung, das stimmt doch nicht!) – Selbstverständlich hat er das gesagt, da haben Sie halt nicht zugehört.

Herr Bundeskanzler! Die Verfassung braucht man ja gar nicht zu ändern. Sie haben sie schon geändert! Sie haben mit dem Artikel 23f schon all das ermöglicht, was jetzt in Köln möglicherweise oder ziemlich sicher auf uns zukommt.


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