Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 31. Sitzung / Seite 15

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Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde. Das Thema lautet:

"Das aktuelle Schulreformpaket"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster hat sich Herr Abgeordneter Dr. Brader gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. Redezeit: zehn Minuten. – Bitte.

10.04

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren! In wenigen Tagen geht wieder ein Schuljahr zu Ende. Für die Kinder beginnen die Ferien, für die Lehrkräfte die Zeit der Regeneration und Weiterbildung. Allein in Niederösterreich nehmen von den 11 000 Pflichtschullehrern über 7 000 an den Fortbildungsseminaren des Pädagogischen Instituts im Sommer teil.

Viele dieser Seminare haben den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern zum Gegenstand, und genau diesen Bereich möchte ich in dieser Aktuellen Stunde ansprechen, weil ein umfangreiches Reformpaket auf uns zukommt.

Dieses Paket an Reformen betrifft auch die Fortsetzung des integrativen Unterrichtes in der Sekundarstufe. Die Fortführung dieses in der Grundschule begonnenen Weges ist ein richtiger, ein guter Schritt. Er bedeutet, daß die Erfahrungen und die Erkenntnisse aus dem Volksschulbereich nun auch im Bereich der Hauptschule und der AHS-Unterstufe umgesetzt werden können. (Laute Gespräche in den Bankreihen.)

Wie sehen diese Erfahrungen aus? – Vorweg kann man sagen, daß alle ernsthaften wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt haben, daß vom gemeinsamen Unterricht alle Kinder profitieren. Allerdings ist der Erfolg ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Aufgrund der Wiedersehensfreude am Beginn einer Sitzung hat es der erste Redner immer besonders schwer – egal, von welcher Fraktion er ist. Ich bitte Sie, da ein bißchen sorgsamer zu sein. – Bitte fahren Sie fort.

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (fortsetzend): Alle Kinder profitieren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zum Beispiel eine Klassenschülerzahl von nicht über 20, nicht mehr als vier behinderte Kinder in einer Klasse, gut ausgebildete Lehrer, eine gute Kooperation zwischen Regelschule und sonderpädagogischen Zentren, ausreichende materielle Ressourcen und – last but not least – das Wichtigste: ein hohes Engagement aller Beteiligten. (Beifall bei der ÖVP.) Letzteres läßt sich nicht verordnen, sondern muß sozusagen a priori schon vorhanden sein. Das heißt auch, daß am Prinzip der Freiwilligkeit nicht gerüttelt werden soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich aber auch gezeigt, daß es viele Kinder gibt, die nicht in integrativen Modellen betreut werden können, für die diese Form nicht die richtige Betreuung ist. Gerade deshalb muß die freie Wahlmöglichkeit der Eltern gewahrt bleiben. Es ist meines Erachtens ein unverantwortlicher Nonsens, wenn von so manchen sogenannten Experten die Abschaffung aller heilpädagogischen Betreuungseinrichtungen gefordert wird! (Beifall bei der ÖVP.) Wer glaubt, daß ein bloß räumliches Beisammensein schon Integration bedeutet, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er die behinderten Kinder für andere politische Ziele instrumentalisiert.

Wer glaubt, daß behinderte Kinder ohne sonderpädagogische Unterstützung nur am Vorbild der nichtbehinderten Kinder lernen, der irrt. Der Mensch – und das ist, glaube ich, Allgemeingut – entwickelt sich nicht bloß im Soge von anderen. Er erwirbt seine Bildung an den eigenen, ihn betreffenden Fragen und Problemen. Die Frage als Schnittpunkt zwischen Wissen und Nichtwissen ist der Ausgangspunkt des Bildungsprozesses. Dieser Schnittpunkt liegt aber bei jedem Menschen woanders, und so kann es in Wahrheit keinen Bildungsprozeß geben, der für alle gleich ist.


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