Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 195

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sich in den Gesetzen auskennt. Ich habe leise Zweifel daran, daß das bei Ihnen auch immer der Fall ist. Sie kritisieren die Gesetze hauptsächlich und haben wenig Interesse daran, der Bevölkerung unsere Gesetze entsprechend näherzubringen.

Diese Berufsreifeprüfung ist ein ganz wichtiges Instrument, denn es wird damit erstmals gezeigt, daß die duale Ausbildung der Facharbeiter, nämlich der praktische Teil einerseits und der Teil in der Berufsschule andererseits, einen echten Wert bekommt. Wer diese Ausbildung absolviert und noch ein paar zusätzliche, nicht leichte Prüfungen ablegt, hat den vollen Zugang zum Studium, dieselben Berechtigungen wie ein Maturant. Diese Aufwertung der Lehre, der Facharbeit haben sich die Menschen verdient, und ich bin sicher, daß das Interesse an dieser neuen Einrichtung sehr groß sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

20.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Für den Zwischenruf und die Bezeichnung "schäbiger Denunziant" um 20.52 Uhr erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé einen Ordnungsruf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.00

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich darf wieder zur Novelle zum Berufsausbildungsgesetzes zurückkehren. Ich habe Herrn Kollegen Peter sehr aufmerksam zugehört und kann mich mit sehr vielen Dingen, die er gesagt hat, identifizieren.

Ich stimme mit Ihnen überein, daß noch sehr vieles getan werden muß. Aber man muß, wie ich meine, an diesem Rednerpult fairerweise auch betonen, daß sich in den letzten Wochen auch einiges getan hat. Es sind wesentliche Maßnahmen in Richtung einer Erleichterung, Entbürokratisierung, aber auch Liberalisierung erfolgt, und es wurde in den letzten Tagen eine ganze Palette von Gesetzen beschlossen: die Gewerbeordnung, das Anlagenrecht, im Sozialversicherungsbereich, das Jugendbeschäftigungsgesetz et cetera.

Es gab auch in den Bundesländern Gipfelgespräche über Lehrlings- und Jugendbeschäftigung, und auf Bundesebene wurden Lehrlingspakete geschnürt. Zuletzt haben sich die Regierung und die Sozialpartner im Burgenland, in Rust, über ein Lehrlingsbeschäftigungspaket geeinigt. – Ich kann das von dieser Stelle aus nur begrüßen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Was ist der Grund für diese Maßnahmen? – Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben deren Notwendigkeit bereits eindeutig begründet: Es gibt in der Statistik einen Rückgang der Lehrlingszahlen, immer weniger Betriebe sind derzeit bereit, Lehrlinge auszubilden.

Ich möchte noch ein zweites Argument einbringen, das heute noch nicht diskutiert wurde, nämlich die Konzentration der Lehrberufe auf wenige Sparten. 40 Prozent der Lehrlinge konzentrieren sich auf nur vier Berufe: KFZ-Mechaniker, Einzelhandelskaufmann, Tischler und so weiter. Es wäre unsere Aufgabe, auch für eine breitere Streuung der Lehrberufe zu werben.

Es gibt Untersuchungen, wonach zwei Drittel der Unternehmer, die die Ausbildung von Lehrlingen eingestellt haben, angeben, daß die Regelungen im Arbeits- und Jugendbeschäftigungsrecht praxisfern sind. Im Burgenland gab es eine Umfrage – die Rücklaufquote betrug 25 Prozent –, im Rahmen derer 93 Prozent der befragten Unternehmer angegeben haben, daß die Ausbildungskosten ganz einfach zu hoch sind. Die Lohnnebenkosten betragen laut Angaben des Statistischen Zentralamtes bei Lehrlingen 153 Prozent. Rechnet man die Gemeinkosten dazu, kommt man auf einen Wert von zirka 300 S pro Stunde.

Meiner Ansicht nach ist neben diesen Untersuchungen und Statistiken vor allem – und das wird von uns Politikern auch gefordert – auch eine entsprechende Bewußtseinsbildung wichtig. Seien wir doch ganz ehrlich, wenn wir hier über Lehrlinge reden: Heißt es nicht sehr oft: Mein Kind soll es einmal besser haben und in eine höhere Schule gehen!? – Wir nivellieren damit aber auch unsere Bildungspolitik ein bißchen nach unten. Gerade wir als Meinungsbildner müssen noch sehr viel dazu beitragen, das Ansehen des Lehrlings wieder zu heben.


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