Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 23

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Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Herr Abgeordneter, Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

9.08

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beginnen diese Nationalratssitzung mit einer Aktuellen Stunde – und nichts ist natürlich aktueller als die Regierungskrise, die seit einigen Wochen andauert, der schließliche Zusammenbruch dieser Bundesregierung aus FPÖ und ÖVP und die Neuwahlen, die voraussichtlich mit einem Vier-Parteien-Beschluss morgen herbeigeführt werden.

Warum Neuwahlen? – Niemand anderer als Kollege Westenthaler von der FPÖ hat das klar auf den Punkt gebracht: Diese Bundesregierung hat keine sichere Mehrheit mehr im Parlament. Kollege Westenthaler ist zurückgetreten, weil er die Mehrheit in der FPÖ nicht mehr garantieren konnte.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in Österreich nach 1945 schon eine derartige Regierungskrise gegeben hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Kurzzeitig!) Auch ÖVP und SPÖ haben sich massive Redeschlachten, Zwistigkeiten, Streitigkeiten geliefert (Abg. Dr. Martin Graf: Weil er so jung im Parlament ist!), aber dass eine Regierungspartei wie die FPÖ derart implodiert, das hat es noch nicht gegeben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir werden in diesen beiden Tagen ausführlich Gelegenheit haben, Bilanz zu ziehen, das Gute und das Schlechte der letzten zweieinhalb Jahre zu diskutieren. Ich möchte vorweg sagen, dass ich nicht die Absicht habe, diese Bundesregierung sozusagen zum Hort des Bösen hochzustilisieren. Nein! Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren eine Menge von Gesetzen einstimmig beschlossen – es müssen Dutzende gewesen sein –, und nicht jedes dieser Gesetze wird wohl Unfug gewesen sein. Nein, darunter sind einige, deren Beschlussfassung höchst an der Zeit war und zu denen alle vier Parteien dieses Hohen Hauses, wie ich glaube, stehen, wie zum Beispiel die längst fällige Zwangsarbeiterentschädigung, die Restitutionsmaßnahmen, die schon vor Jahrzehnten hätten beschlossen werden sollen. Es ist, denke ich, das Verdienst dieses Hohen Hauses, diese Gesetze zumindest jetzt einstimmig beschlossen zu haben.

Ich möchte also fair sein: Es gibt auch Positives. Es gibt aber ebenfalls sehr viel, das in diesen zweieinhalb Jahren liegen gelassen wurde, bezüglich dessen wir in diesen zweieinhalb Jahren von Blau-Schwarz Zeit, zu viel Zeit, verloren haben – zum Beispiel in der Bildungs- und in der Forschungspolitik. Ich kann mich gut daran erinnern, dass es hier im Hohen Hause einstimmige Meinung war, dass die F & E-Quote, die Ausgaben für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen, auf internationalen Standard, zumindest auf OECD-Durchschnitt angehoben werden muss.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, das ist nicht geschehen. Österreich ist nicht gerade der Träger der roten Laterne, aber es ist nach wie vor weit rückständig im Bereich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Das Gleiche gilt auch für die Bildung – vom Kindergarten bis zur Universität, insbesondere auch im großen Bereich der Erwachsenenbildung, des so genannten lebenslangen Lernens. Auf diesem Gebiet haben Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, Zeit verschlafen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Maier. )

Auch in anderen wichtigen Punkten, zum Beispiel im Bereich der Energiepolitik, ist so gut wie nichts weitergegangen. Innerhalb des gleichen Zeitraumes hat es seinerzeit zum Beispiel Japan geschafft, internationaler Marktführer im Bereich der Luftreinhaltetechnik zu werden. Dänemark hat es geschafft, internationaler Marktführer im Bereich der Windkraft zu werden. Österreich hätte die Chance gehabt – es hat sie vielleicht immer noch –, internationaler Marktführer im Bereich der Biomasse und anderer erneuerbarer Energieträger zu werden, aber ÖVP und FPÖ haben das verschlafen.

Ich möchte das nicht der Reihe nach durchgehen, es ist ärgerlich genug, dass zwei Jahre nach dem "Weisen-Bericht", in dem Justizminister Böhmdorfer auf das Heftigste kritisiert worden ist,


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