Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 38

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

11.01

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Langsam kenne ich mich aus. Was wird passieren? Das Manna wird vom Himmel stürzen, nicht über die Insel der Seligen, sondern ab sofort zielgenau und sozial treffsicher. Wer’s glaubt, wird selig. Wer an eine konservative Familienpolitik glaubt, kann zukünftig vielleicht noch in einer Hinsicht modern werden, indem diese Familienpolitik vielleicht noch zur Abschaffung des Zölibats führen wird, weil es sozialpolitisch unrentabel wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen aber, die Gesundheitspolitik der Bundesregierung erinnert mich an ein Horr orskop – und damit Sie das auch verstehen: "Horrorskop" mit zwei "r". Warum? Weil sich Banalitäten und Grausamkeiten abwechseln. Die Banalitäten zuerst: Seit langem geltende Gesetze, zum Beispiel jene der Qualitätssicherung, werden plötzlich als neue Erfindung verkauft, und No-na-net-Erkenntnisse der Umgewichtung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung werden plötzlich auch zum großen Programm erhoben, was aber jeder, der sich damit beschäftigt, letztlich seit Jahrzehnten weiß. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Warum ist nie etwas geschehen?)

Erklärungen und Widerrufe wechseln sich ab und werden irgendwie zu einem Sirup vermischt, der, wenn man ihn einnimmt, gesundheitspolitisch gesehen nichts anderes bewirkt, als dass sich das dumpfe Gefühl in der Magengrube gleich zur Kolik steigert. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin der Ansicht – und dazu stehe ich –, dass einem der Herr Staatssekretär sogar langsam Leid tun sollte, denn jedes Mal dann, wenn er der Versuchung des eigenständigen und kompetenten Denkens erliegt, bekommt er via Presse von Blau-Schwarz links und rechts Rüffel, die sich gewaschen haben. Das muss weh ... (Abg. Dr. Rasinger: Von mir hat er nie einen gekriegt!) Na ja, von Ihnen nicht – Sie sind aber auch nicht die ÖVP! (Beifall bei den Grünen.)

Das muss so wehtun und zu so einem starken Verbrauch von Schmerzmitteln führen, dass die Arzneimittelkosten bei dieser Politik wahrscheinlich gleich noch einmal explodieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine auch, dass der Slalomkurs, der in der Gesundheitspolitik derzeit gefahren wird, bei hochsommerlichen Temperaturen auf Rasen nichts bewirken wird, zumindest keinen Sieg. Ich denke auch, dass man bei Gesundheitskonferenzen und Krisengipfeln eher geneigt ist, geladene Experten zu Mittätern oder Mithandlern zu machen oder sie als Kronzeugen dafür zu missbrauchen, dass das ganze System in einem riesigen Wong-Pong, einem Riesencrash zu Grunde gehen werde. Daran glaube ich nicht. Und ich werde Ihnen auch erklären, warum.

Was mich aber tatsächlich irritiert, ist das wirklich vorhandene Chaos in dieser Politik, die mangelnde soziale Gesinnung und Empathie, die dahinter verborgen ist, die jedoch nicht unbedingt von den tragenden, verantwortlichen Personen ausgehen muss – da möchte ich fair bleiben –, sondern von Gesinnung und Haltung jener Parteien herrührt, die eben in Zahlen und in Bilanzen von Lohn- und anderen Buchhaltern eher zuhause sind als im Mitgefühl mit den Patientinnen und Patienten.

Ich meine, dass der Systemcrash, der immer wieder angedroht wird, die ständigen Bemerkungen, dass unser Gesundheitssystem und die Leistungen der modernen Medizin in Zukunft nicht mehr finanziert werden könnten, eigentlich nichts anderes sind als die relativ unverhohlene Drohung und Nötigung von Patientinnen und Patienten, einem gesamtösterreichischen Sparverein beizutreten, der sehr ungleich gewichtet ist zwischen jenen, die bedürftig sind, und jenen, die sich Medizin in Zukunft vielleicht allein noch leisten werden können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist für mich im höchsten Maße irritierend, um keinen stärkeren Ausdruck zu verwenden, wenn Frau Bundesminister Sickl – und ich zitiere im Folgenden – auf eine Frage im Budgetausschuss schriftlich antwortet: Eine genauere Untersuchung der steuernden Wirkung einzelner Selbstbehalte liegt nicht vor. – Zitatende.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite