Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 101

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Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer zur Begründung der Dringlichen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Herr Bundeskanzler, Sie sind mit einem Kassasturz angetreten, um Klarheit über die Budgetvoraussetzungen und die Budgetzahlen zu schaffen, und zwar ganz nach dem Motto: Ich habe davor nie etwas davon gehört! Sie tun so, als ob Sie nie bei den diesbezüglichen Verhandlungen gewesen wären, nie etwas von den Budgetzahlen gesehen hätten. Es haben hingegen Ihr Landeshauptmann Sausgruber und der von Ihnen benannte Budgetexperte Professor Lehner gesagt, dass immer alle Verhältnisse klar auf dem Tisch gelegen sind.

Herr Bundeskanzler! Sie haben diesen Kassasturz inszeniert, "um für die Zukunft letztendliche Klarheit zu schaffen", wie Sie gesagt haben. Und die Konsequenz, die Sie angekündigt haben, war Sparen. Vor diesem Hintergrund ist das Budget zu beleuchten, das nun beschlossen werden soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich dieses Budget ansieht, dann wird man feststellen, dass darin nichts vom Sparen enthalten ist, sondern dass es darin ausschließlich um das Abkassieren geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Budget zeichnet sich durch 14 Milliarden Schilling an zusätzlichen Einnahmen aus Steuern und Gebühren aus, die die Österreicherinnen und Österreicher belasten werden. Dieses Budget zeichnet sich durch Einmaleffekte aus Fondsüberschüssen und anderen Dingen aus, aber es ist darin nichts enthalten, aus dem man rückschließen könnte, wo gespart wird, wo es Strukturreformen gibt. Daher sind diese 14 Milliarden Schilling, die die Österreicherinnen und Österreicher zu zahlen haben werden, die ersten "Wende-Kosten" dieser Regierung. Während am 3. Oktober 1999 der Wahltag war, dann ist der 1. Juni 2000 offensichtlich der Zahltag – aber nur der erste Zahltag – für die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Die von dieser Regierung beschlossenen Belastungsmaßnahmen haben eine klare Verteilungswirkung: Sie belasten das untere Einkommensdrittel doppelt so stark wie das obere Einkommensdrittel. Das ist nicht nur die Meinung jener Experten des Wifo, die eine Studie darüber gemacht haben, sondern auch des Experten, der von der ÖVP im Budgethearing bestellt wurde, nämlich des Herrn Professor Lehner, der im Budgethearing ausdrücklich gesagt hat (Abg. Ing. Westenthaler: Warum sagt dann Kramer etwas anderes?), dass die Erhöhung indirekter Steuern, wie der Tabakabgabe, der Elektrizitätsabgabe, der motorbezogenen Versicherungssteuer, der Umsatzsteuer und sonstiger Gebühren, die Bezieher niedriger Einkommen wesentlich stärker treffen wird als die Bezieher höherer Einkommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Kramer sagt das Gegenteil!) Es geht Ihnen nicht um das Sparen, sondern es geht Ihnen um das Umverteilen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Budget hat auch keinerlei ökologisch sinnvolle Komponente, weil es zum sparsamen Umgang mit Energie und Ressourcen nicht motiviert. Es haben alle Budgetexperten darauf hingewiesen, dass durch die sachlich unbegründeten Kompetenzverschiebungen zwischen den Ministerien auch die Transparenz dieses Budgets außerordentlich kritisch betrachtet werden muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch dieses Budget wurden in vielen Bereichen die selbst gestellten Zielsetzungen nicht erfüllt. Nur ein Ziel hat man dadurch erreicht: die Ärmeren in diesem Land ärmer zu machen, und die Reicheren reicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Das eigentlich Schlimme ist aber erst in der Zwischenzeit aufgetaucht: Sie haben eine Revision des Stabilitätsprogrammes durchgeführt und das Ergebnis dann der Europäischen Kommission geschickt. Die Europäische Kommission hat dazu klar Stellung bezogen, und nun liegt ihr Urteil als Dokument vor. Und was ist das Ergebnis dieser Prüfung? – Das Budgetprogramm der österreichischen Bundesregierung, nämlich der blau-schwarzen, wird als weniger ambitioniert erachtet als das Stabilitätsprogramm, das seinerzeit noch Finanzminister


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