Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 115

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung gelangt nunmehr der Herr Bundeskanzler zu Wort. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.27

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin nur nicht sicher, ob ich angesichts der Zahl der Fragen – es sind immerhin 24 Fragen und dazu die Begründungsrede des Oppositionsführers Professor Van der Bellen zu beantworten – mit 20 Minuten auskomme. Ich nehme mir daher das Recht auf eine ausführliche Beantwortung heraus, und ich bin sicher, dass Sie das verstehen, denn Sie haben mir ja an sich fast schon ironischerweise vorgehalten, ich schweige, was eigentlich selbstverständlich ist, wenn Sie Ihre Begründungsrede halten. Ich werde Ihnen jetzt umso ausführlicher und, wie ich hoffe, auch zufrieden stellend Antwort geben. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Ja, ich stehe dazu, ich bin verantwortlich für diese Bundesregierung, ich bin verantwortlich für eine Fülle von Reformen. Ich stehe dazu, und ich begründe es hier auch gerne. Wir haben jetzt in einem Jahr drei Budgets gemacht, wir sind in diesem Jahr mit Siebenmeilenschritten in Richtung Nulldefizit unterwegs, wir haben soeben das Kindergeld beschlossen und die ÖIAG entpolitisiert. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Nabelschnur zur Politik ist, wie Sie selbst korrekt berichtet haben, völlig durchtrennt. Weder der Finanzminister noch ich oder sonst jemand kann aktienrechtlich und nach den Bestimmungen des Gesetzes etwas anderes tun als bestenfalls seine persönliche Meinung sagen. Ein größeres Kompliment als mit dieser Bemerkung konnten Sie uns gar nicht machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich stehe dazu, dass wir in mühsamen Verhandlungen einen Finanzausgleich für vier Jahre mit Bund, Ländern und Gemeinden parteienübergreifend verhandelt haben, dass wir die Spitalsfinanzierung mit allen Ländern und Gebietskörperschaften, auch mit den Privatkrankenanstaltenbetreibern, außer Streit gestellt haben, für manche private Betreiber übrigens besser als in früheren Jahren – auch das sei hier fairnesshalber festgestellt.

Ich stehe nicht an, allen dafür zu danken, die jetzt an der zügig vorangetriebenen Staatsreform mitarbeiten. Aber ich sage auch dazu, es kann die Reformen nicht nur im Bereich des Staates und der Politik geben, das muss auch andere Themenbereiche betreffen. Sie haben genau die drei wunden Punkte erwähnt, wo wir am Anfang sehr große Schwierigkeiten gehabt haben:

Das ist der ORF, weil es keine ausreichende Medienvielfalt, kein Privatfernsehen, keine Stiftungskonstruktion, die den Zugriff von Medien-Tycoons auf den ORF beschränkt haben, zu wenig Abgrenzungen über journalistische Freiheit und Unabhängigkeit, aber auch die Verpflichtung zu derselben gegeben hat.

Es hat zu wenig Reformwillen in den Sozialversicherungsanstalten gegeben, und ich stehe dazu, dass ich "Kopfjagd" so verstehe, dass wir auf die Jagd nach den besten Köpfen gehen müssen, um dieses Land zu verändern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Gegen die besten Köpfe machen Sie Jagd! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich weise, Herr Abgeordneter Van der Bellen, mit Entschiedenheit jene Unterstellungen zurück, die sonst eigentlich gar nicht Ihrem persönlichen Stil entsprechen. Wenn Sie von autoritären Politikern sprechen, wenn Sie von der Unterminierung oder Untergrabung freier und unabhängiger Journalisten sprechen, dann müssen Sie von einem anderen Land reden, Herr Abgeordneter. Österreich ist das nicht, was Sie hier beschrieben haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Dann reden Sie einmal mit den Journalisten! Reden Sie doch einmal mit den Journalisten!)

Ich würde Ihnen auch sehr empfehlen, mit Vorwürfen wie "schwerwiegende Verfassungsbrüche" eine Spur vorsichtiger umzugehen, Sie sind sonst sehr schnell das Image eines ausgewogen formulierenden und sehr balancierten Oppositionspolitikers los. Mir persönlich würde das Leid


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