Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 16

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Frau Abgeordneter Lichtenberger das Wort. – Bitte.

12.25

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Überraschung wurde zur Kenntnis genommen, dass nach dieser Regierungsbildung auch ein Austausch des Dritten Präsidenten des Nationalrates stattfinden wird und offensichtlich auch stattfinden muss. Ich möchte jetzt nicht in den Verdacht geraten, einen Khol-Fanklub gründen zu wollen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens hat er nicht nur den Vorsitz geführt, sondern auch gesagt, die Vorsitzführung werde sich ändern, weil sich die Mehrheitsverhältnisse geändert haben, und das auch dokumentiert, aber ich meine, dass es schon ein interessantes Signal ist, wenn Herr Kollege Khol nicht mehr im Präsidium ist. Wahrscheinlich hat er jetzt auch große Aufgaben im Klub. Er muss Abweichler disziplinieren, er muss die Debatten über die christlichen Grundwerte im ÖVP-Klub unter Kontrolle halten, damit sie nicht gegen das, was diese Koalition für die Zukunft plant, unter Umständen von einigen Abgeordneten in ihrem Abstimmungsverhältnis dokumentiert werden können. Er wird die Knute schwingen müssen, dafür wird er sehr, sehr viel Kraft und Energie brauchen. Deswegen muss man ihn offensichtlich aus der Position abziehen, in der er bis jetzt war.

Jetzt komme ich zum Kandidaten, den die ÖVP aufgestellt hat. Es gibt einige wesentliche Gründe, warum man gerade auf Herrn Fasslabend verfallen ist. Einer dürfte sicher sein, dass er in den letzten Monaten als Rechtsverbinder herrliche Dienste geleistet hat. Die ganze Zeit, während man offiziell noch Koalition mit den Sozialdemokraten gespielt hat, hat er immer ganz klar deklariert, wohin sich sein Herz schon längst gewendet hatte. Das war sicher ein Motiv, das zu seinem Vorschlag geführt hat.

Der zweite Punkt ist – und das ist jener, der mir besondere Sorgen macht –, dass wir hier einen Kandidaten für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten haben, der in ganz anderen Zusammenhängen bekannt geworden ist als als guter Parlamentarier, denn als überzeugter Parlamentarier, denn als jemand, der das Parlament ernst nimmt und schätzt. Er ist hingegen bekannt geworden als jemand, dessen Waffen des Bundesheeres in jedem Krisengebiet auf der Welt in der letzten Zeit aufgetaucht sind, ein Waffenverscherbler für das Bundesheer ersten Ausmaßes. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist ja unglaublich, Herr Präsident!)

Er ist weiters bekannt geworden dafür, dass er ununterbrochen, und zwar konsequent, seit er Verteidigungsminister war, gegen die österreichische Neutralität gearbeitet hat. Er hat ununterbrochen alles versucht, um sich der NATO anzubiedern. Es gibt herrliche Fotodokumente über diese Anbiederung, es gibt Belege dafür, dass sein erstes Ziel war, Österreich in die NATO zu führen, auch wenn eine breite Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ganz anderer Ansicht ist und eine aktive Neutralitätspolitik einfordert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Was macht der Joschka Fischer?)

Fasslabend fühlt sich weder unserer Verfassung noch der österreichischen Neutralität, noch der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung verpflichtet. Das weckt in mir die Sorge, dass er sich den Spielregeln des Parlaments genauso wenig verpflichtet fühlen wird und dass der Parlamentarismus, dessen Wert in den nächsten Jahren mehr als steigen müsste, unter so einer Vorsitzführung nichts Gutes zu erwarten hat.

Dieser Minister hat auch zum Beispiel anlässlich der Katastrophe von Galtür massiv seine Inkompetenz zur Schau gestellt, indem er gesagt hat: Wir brauchen Hubschrauber, aber weil Galtür passiert ist, brauchen wir auch Abfangjäger. – Das waren Ihre Worte. (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) Wie hätten wir denn die Katastrophe von Galtür mit Abfangjägern in den Griff bekommen sollen?

Wenn seine Vorsitzführung in diesem Hause von einem ähnlichen Geist geprägt sein wird, wie es in seinen öffentlichen Äußerungen zum Verkauf von Waffen, zu internationalen Krisen, zur NATO und gegen den Grundkonsens bezüglich der österreichischen Neutralität zum Ausdruck gekommen ist, dann, muss ich sagen, haben wir in diesem Haus keinen guten Präsidenten zu


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