Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 142

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16.00

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungsparteien bringen einen Entschließungsantrag ein, in dem im Wesentlichen steht: Liebe Bundesregierung! Sehr verehrter Herr Innenminister! Bitte schön, tun Sie etwas!

Ich stelle Ihnen erstens eine kleine Gegenfrage: Warum ist diese Aufforderung nötig? Warum müssen Sie nach den Anschlägen in Madrid und nach allem, was passiert ist, einen einerseits derartig nichts sagenden, andererseits aber auch viel sagenden Ent­schließungsantrag hier einbringen? (Abg. Miedl: Weil es im Parlament einen Peter Pilz gibt!)

Zweitens: Warum stellen Sie zehn dringliche Fragen an den Innenminister, deren Ant­worten Sie seit Tagen detailliert in jeder einzelnen Tageszeitung lesen können? Warum halten Sie mit derartigen Nona-Fragen den Innenminister einen ganzen Nachmittag von seiner Arbeit ab? (Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) Warum ermöglichen Sie ihm und seinen Beamten nicht, zu arbeiten, anstatt Nona-Fragen, die bereits in allen Zeitungen beantwortet sind, hier noch einmal zu beantworten, nur weil Sie nicht in der Lage sind, die Tageszeitungen zu lesen? (Abg. Mag. Molterer: Ist das Ihr Verständnis von Parlamentarismus? Herr Pilz, ich bitte Sie!) Warum wird er einen ganzen Nach­mittag von der Koordinierung zur Bekämpfung des Terrorismus abgehalten? (Abg. Mag. Molterer: Weil das Parlament mit ihm diskutieren möchte!) Warum schaffen Sie Unsicherheit, indem Sie den Innenminister an seiner Arbeit hindern? (Abg. Mag. Molte­rer: Das ist aber ein seltsames Verständnis von Parlamentarismus!) Warum pflanzen Sie den Nationalrat mit einer vollkommen sinnlosen Dringlichen Anfrage, und warum machen Sie sich selbst damit lächerlich? – Das ist in diesem Zusammenhang meine letzte Frage. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf dem Ernstniveau treffen Sie sich mit dem Innenminister: Der Innenminister hat neulich erklärt – und es war schwierig zu erklären –, warum wir im Kampf gegen den Terrorismus jetzt Videoüberwachungen vom Grazer Hauptplatz bis zum Calafattiplatz im Prater brauchen. Warum brauchen wir das? – Er hat es erklärt: Weil es das glorreiche Beispiel Island gibt. (Abg. Pack: Haben Sie Angst?) In Island werde die terrorismusgefährdete Bevölkerung von 400 Video­kameras überwacht. In Island stehen 400 Videokameras Tag und Nacht gegen den Terrorismus im Einsatz, und Herr Innenminister Strasser hat vollkommen Recht: Island und Österreich sind derzeit in etwa demselben Maße vom internationalen Terrorismus gefährdet. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Seien wir froh, dass es noch so ist!

Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass das keine Dokumentation auf ARTE war, son­dern ein satirischer Film, in dem isländische Schauspieler einen überwachungswütigen Polizeipräsidenten dargestellt haben! Eine Nachfrage des „Standard“ hat ergeben, dass Island etwa zwölf bis 15 Videokameras besitzt. – Ich frage Sie, Herr Innen­minister: Ist eine Karikatur mit isländischen Schauspielern, die in ARTE ausgestrahlt wird, wirklich Ihr Vorbild zur Bekämpfung des Terrorismus in Österreich durch Über­wachungsmaßnahmen? (Abg. Mag. Molterer: Das ist Pilz!)

Orientieren Sie sich an einer Witzfigur im isländischen Fernsehen? Oder sind Sie nicht bereit, endlich uns und der österreichischen Bevölkerung zu erklären, warum man lückenlos vom Naschmarkt bis zum Platz vor dem Goldenen Dachl alles mit Videos überwachen muss, um dann auf den Filmen nur feststellen zu können, dass man die Leute, die man darauf sieht, nicht kennt?! Das ist nämlich alles! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wollen Sie wirklich Fingerabdrücke von österreichischen PensionistInnen und österrei­chischen Schülern sammeln, wenn Sie niemandem hier erklären können, welche El-


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