Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 79. Sitzung / Seite 53

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. Seine Redezeit beträgt ebenfalls 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


11.56

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe noch einen Satz meines Vorredners im Ohr und versuche, ihn möglichst korrekt zu zitieren: Manchmal muss man vom Weg abgehen, um nicht auf der Strecke zu blei­ben! – Das ist ein wichtiges Eingeständnis, das uns eint: Die Regierung ist vom Weg abgegangen! Ob sie dadurch nicht auf der Strecke bleibt, wird erst bei den nächsten Nationalratswahlen beantwortet werden. Es spricht vieles dafür, dass das Ergebnis, nämlich auf der Strecke zu bleiben, auf dem Weg zu bleiben oder vom Weg abzu­gehen, dasselbe sein wird. Aber das ist nicht Gegenstand der Budgetdebatte, sondern interessanter ist: Warum sind Sie vom Weg abgegangen? Und zahlt es sich überhaupt aus?

Ihr Argument, das Sie hier mit Taferln verstärken wollten, war doch: Das ist der Königs­weg, um die Konjunktur in Österreich wieder in Schwung zu bringen und damit Be­schäftigung zu schaffen. (Abg. Mag. Molterer: Genau!) Aber jetzt hat Ihnen Alexander Van der Bellen vorgerechnet – niemand von Ihnen konnte dem widersprechen, und der Finanzminister und sein Staatssekretär sind ja seit diesem Debattenbeitrag schon heftig am Nachschauen und Nachrechnen –, dass im besten Fall laut Wifo-Prognose ein Zehntel des zu erhoffenden Konjunkturaufschwungs Steuersenkungen zu verdan­ken sein wird. (Abg. Dr. Mitterlehner: Er hat gesagt: 20 ...!)

Für dieses Zehntel, für diese 0,2 Prozent, gehen Sie vom geraden Weg ab? Und eines der wichtigsten Versprechen Ihrer Bundesregierung: eiserne Budgetdisziplin, Nulldefi­zit, nie wieder verschulden, die Kinder und die Enkelkinder vor der Schuldenmacherei schützen – das alles wird aufgegeben? (Abg. Mag. Molterer: Wenn Peter Pilz in der Ökonomie ist, wird es gefährlich!) Für 0,2 Prozent des BIP, und nicht einmal die sind sicher? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Schuster, bleib bei deinen Leisten!)

Jetzt sitzt hinter mir – laut Selbstdarstellung – ein erfolgreicher, ehrlicher und beschei­dener Finanzminister (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ), der sein erfolgreiches, bescheidenes und ehrliches Zahlenwerk präsentiert. Ich könnte Ihnen jetzt vorlesen – aber das erspare ich uns und Ihnen –, was unter dem Namen „Karl-Heinz Grasser“ über das Nulldefizit im Jahre 2001 verkündet wurde. Man wird vielleicht später einmal sagen, das war nicht Karl-Heinz Grasser, sondern hinter seinem Rücken ist ein Verein zur Förderung der Null-Economy gegründet worden, die haben sein Foto und so weiter – aber lassen wir das. Das Entscheidende ist: Jahr für Jahr – und das ist der große Gegensatz zu Rudolf Edlinger, dessen Budgetpolitik wir in der Vergangen­heit in vielen Punkten kritisiert haben – wird die Meinung, die Haltung, die grundsätz­liche Position geändert, als gäbe es kein Gedächtnis, als gäbe es keine Grundsätze, als gäbe es keine politische Haltung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das muss doch einen Grund haben, wenn man in der Lage ist, fast wöchentlich Mei­nung, Haltung und, in etwas größeren Abständen, Parteien wie Hemden zu wechseln! Meine Befürchtung ist, dass es sich hier um einen sehr, sehr großen Hemdenvorrat handelt. Ich glaube trotzdem, dass der Schein trügt und dass der Finanzminister keinen Standpunkt hat, weil man nur Gruppe für Gruppe der Betroffenen durchgehen muss, um sehen zu können, für wen er letzten Endes nie da ist und für wen er letzten Endes sehr verlässlich da ist.

 


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