Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 287

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Schatz. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.32.46

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Auch beim Mitarbeitervorsorgegesetz möchte ich das Positive voran­stellen. Auch wir begrüßen, dass die freien DienstnehmerInnen und die Selbständigen in das Mitarbeitervorsorgegesetz miteinbezogen werden. Es ist wichtig, dass in Über­gangsphasen – im eigentlichen Sinn der Abfertigung – eine ausreichende Brückenfi­nanzierung besteht – auch für freie Dienstnehmer und Selbständige. – So weit, so – noch – gut.

Erst vor wenigen Tagen präsentierte uns das Wifo eine neue Studie mit dem Titel „Langfristige Tendenzen der Einkommensverteilung in Österreich“. Ich zitiere nur weni­ge Sätze, um Ihnen in etwa einen Eindruck aus dieser Studie zu vermitteln. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was hat das jetzt mit dem ersten Thema zu tun? Abg. Öllinger: Aufpassen, Kollege Mitterlehner! Studie!)

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Schere zwischen niedrigen und hohen Einkommen groß ist und sich in den letzten Jahren weiter geöffnet hat. „In den letzten Jahrzehnten erhöhte sich nicht nur die Ungleichheit der Verteilung der Einkommen in­nerhalb der unselbständig Beschäftigten, sondern auch zwischen den Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit und jenen aus Besitz und Unternehmung.“ Zuneh­mend wird die Verteilung von der hohen Konzentration der Vermögen bestimmt. – Zi­tatende.

Jeder von Ihnen hier im Saal weiß das, das ist nichts Neues: Arme werden ärmer, der Mittelstand wird ärmer, die Reichen werden reicher. – Und wie kann man jetzt mit die­ser Entwicklung umgehen? (Abg. Dr. Mitterlehner: Was hat das mit der Vorsorge zu tun?) – Warten Sie nur.

Möglichkeit eins: Sie akzeptieren das als kalkulierte Begleiterscheinung des neolibera­len Umbaus. Herr Abgeordneter Mitterlehner! Industriellenvereinigung, Bartenstein, Mitterlehner – erste Gruppe.

Möglichkeit zwei: Sie kritisieren und machen trotzdem zum Preis einer Regierungsbe­teiligung nichts oder jedenfalls zu wenig dagegen. – Und ich schaue ganz bewusst auf die linke Seite.

Aber dann gibt es auch noch Möglichkeit drei, und das ist das, meine Damen und Her­ren von SPÖ und ÖVP, was Sie hier in dieser großen Koalition tun: Man kann auch materielle Ungleichheit und ungerechte Verteilung in unserer Gesellschaft konsequent fördern und vorantreiben. Das ist das, was Sie mit der optionalen Einbeziehung der freien Berufe in dieses System tun. (Beifall bei den Grünen. Abg. Dr. Mitterlehner: Wieso?)

Ich möchte Ihnen auch noch näher erläutern, warum: Sie ermöglichen es Apothekern und Apothekerinnen, Notaren, Rechtsanwälten, Ziviltechnikern – all das sind ja Berufs­gruppen, deren Mitglieder nicht von einer extrem unstetigen Erwerbsbiografie gekenn­zeichnet sind, sondern die eine durchaus privilegierte, teilweise sogar geschützte Posi­tion auf dem Arbeitsmarkt beziehungsweise auf dem Markt haben –, Sie ermöglichen diesen Menschen mit konstant hohem Einkommen, ihr Vermögen steuerbefreit zu ver­größern, und das über ein System, das dazu gedacht ist, weniger privilegierte Men­schen abzusichern!

Es tut mir leid, ich verstehe das nicht. Ich verstehe nicht, warum Sie auf Steuern ver­zichten – für das Bildungssystem, das Gesundheitssystem, den öffentlichen Verkehr. Sie wissen das alles. Sie verzichten auf Steuereinnahmen, um wohlhabenden Notaren


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