Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 377

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dest in einem Punkt, der hier in der Debatte bis jetzt noch überhaupt nicht angespro­chen wurde, völlig ins Leere: Die von Ihnen angestrebte Abschaffung der Möglichkeit einer vereinfachten Vertragsänderung bezieht sich nämlich – und bitte lesen Sie das im Artikel 50 nach – nur auf die Staatsverträge und ausdrücklich nicht auf die EU-Ver­träge. Dieser Antrag ist also eigentlich juristisch nicht klar!

Ich kann nur hoffen, dass das, was Frau Abgeordnete Lapp heute Vormittag kluger­weise gesagt hat, prinzipiell gilt, dass nämlich auch dann, wenn ein Antrag inhaltlich durchaus Billigung findet, diesem Antrag trotzdem nicht zugestimmt werden soll, wenn er handwerklich nicht in Ordnung ist. Und jetzt ganz abgesehen von der Frage: Volks­abstimmung ja oder nein? – Sie kennen dazu auch meine Meinung: Meine Meinung ist, dass es nicht sinnvoll ist, nationale Abstimmungen zu machen, weil das keine Lösun­gen bringt, weil noch in keinem bisherigen Fall einer Volksabstimmung etwas gebracht hat –, aber dieser Antrag ist auch handwerklich nicht in Ordnung. Ich hoffe daher, dass er deshalb nicht angenommen werden wird.

Was jetzt diesen Entschließungsantrag angeht, dessen Inhalt wir soeben vernommen haben, nämlich betreffend einen Widerruf des Ratifikationsverfahrens, was den Vertrag von Lissabon anlangt: Herr Klubobmann Schüssel hat bereits die verfassungsrecht­liche Seite angesprochen – es ist nicht möglich! Es ist auch völkerrechtlich nicht mög­lich. (Abg. Strache: Aber wenn der Vertrag obsolet ist, wird das damit bestätigt!) – Das völkerrechtliche Vertragsrecht sieht einen derartigen Widerruf einfach nicht vor!

Ich darf auch daran erinnern: Durch eine negative Volksabstimmung ist ein Vertrag kei­neswegs gestorben! Ich erinnere daran – und das ist eine Entscheidung des irischen Volkes gewesen –, dass das irische Volk schon einmal einen Vertrag abgelehnt und sehr wohl ein zweites Mal darüber abgestimmt hat. Diese Abstimmung ist positiv aus­gegangen und der Vertrag ist in Kraft getreten.

Ich sehe also überhaupt nicht ein – falls das irische Volk das möchte und noch einmal abstimmen will und diese Abstimmung positiv ausgeht –, warum der Vertrag von Lissa­bon, der viel Positives bringt, der uns weiterbringen würde, der die Europäische Union auch den Menschen näher bringen würde, nicht in Kraft treten soll. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

1.48


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Cap. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


1.48.22

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Der Herr Staatssekretär kann vielleicht gleich auf die Fragen antworten, die Sie angesprochen haben. Es ist ja kein Zufall, dass es die Diskussion gibt über die Fragen: Wie kann man die Zustimmung zur Europäischen Uni­on verbessern, verbreitern?, aber auch: Wie kann man Einfluss auf die Politik der Euro­päischen Union in ein einem effizienteren, nachhaltigeren Ausmaß nehmen? – Und da­hinter steckt die Diskussion, nicht nur in Österreich, betreffend der plebiszitären Legiti­mation, und dabei wird eben, wie auch bei uns, das Instrumentarium der Volksabstim­mung, das im Zentrum dieser Debatte steht, immer wieder erwähnt.

Ich glaube, es ist eine Illusion, wenn man sich heute herstellt und sagt, man geht den gleichen Weg wie bisher, indem sagt, man muss den Menschen Europa einfach immer nur besser erklären und mehr Prospekte verteilen und im Übrigen alles möglichst lieb interpretieren, was dort eben die Kommission oder die Räte jeweils beschließen. – Die Europäische Union ist zwar die Summe der Beschlüsse der Regierungen, aber na­türlich gibt es auch eine Kommission, ein Europaparlament, und im Endeffekt scheint es zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem, was die Europäische Union be-


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