Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll193. Sitzung / Seite 137

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15.12.31

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Willkommen, Frau Bundes­ministerin für Finanzen! Ich beginne meine Rede mit einem Zitat von Jean-Claude Juncker, der im Zuge einer Euro-Krisensitzung im Jahr 2011 gemeint hat: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Frau Bundesministerin, ich denke, Sie haben ein sehr gutes Verhältnis zum Herrn Juncker – zumindest ist das über die Medien dann und wann einmal so transportiert worden –, nicht nur was Vermutungen von Krankheiten betrifft, sondern, so nehme ich an, auch was die Lösungskompetenz oder Lösungsansätze betreffend die Euro-Krise betrifft.

Eines ist auf alle Fälle zu klären, Frau Bundesministerin, nämlich die Frage: Wie ernst ist es tatsächlich mit der Zypern-Krise? Das ist die Frage, die wir heute aufwerfen wollen. Wenn Juncker gemeint hat: „Wenn es ernst wird, muss man lügen“, und der Ernst in Zypern sich jetzt sozusagen am Höhepunkt befindet, dann frage ich Sie: Wie richtig und wahr sind dann die Aussagen der verantwortlichen Politiker auf euro­päischer Ebene? Gemessen an den Lügen und an den Fehleinschätzungen muss die Lage derzeit wohl äußerst ernst sein in Zypern, und auch im Euro-Land sozusagen.

Klar ist: Fünf Jahre nach Ausbruch der Banken- und Finanzmarktkrise gibt es nach wie vor kein Konzept. Es gibt nach wie vor völlige Planlosigkeit. Es gibt nach wie vor ein ständiges Hineinschießen von Steuergeldern und ein Hinauströsten und Hinauszögern, was die Stabilitätsentwicklung betrifft. Und es gibt – und das ist als alarmierend festzuhalten – einen Tabubruch nach dem anderen.

Begonnen hat alles, um es in Erinnerung zu rücken, mit den Maastricht-Kriterien, die gebrochen worden sind. Dann erinnern wir uns an die sogenannte No-Bailout-Klausel, nämlich an die Haftungsübernahmen, die verboten waren und dann plötzlich nicht mehr das große Problem waren und somit eingesetzt worden sind.

Dann kam der Sündenfall, dass die Mittel für einen Rettungsschirm, ESM, nicht an die Länder ausbezahlt worden sind, sondern direkt an die Banken. Man hat sich diesen Umweg sozusagen gar nicht mehr angetan, die Steuermittel zuerst den Ländern zu geben und das Geld dann an die Banken weiterzuleiten, sondern hat direkt den Ban­ken das Geld gegeben.

Spanien hat 55 Milliarden € an Steuermitteln erhalten. Als Gegenleistung haben die spanischen Banken an die 300 000 Mieterinnen und Mieter auf die Straße gesetzt. Das ist die Solidarität der Banker, wie wir sie in letzter Zeit erlebt haben.

Die letzte große Sünde, der letzte Tabubruch war die Abgabe der Budgethoheit der einzelnen Euro-Länder an Brüssel. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nur noch überboten und übertrumpft worden vom jetzt, in den letzten Tagen vollzo­genen Tabubruch, dass man nämlich die Sparerinnen und Sparer in der Eurozone teilweise enteignet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn mir jemand gesagt hätte, dass das im Euroland möglich ist, hätte ich als Skeptiker das in Abrede gestellt und gesagt, dass es diese Unverfrorenheit und Kaltschnäuzigkeit auf europäischer Ebene nicht geben wird, dass man in die Einlagen der Sparerinnen und Sparer eingreift! Das hätte ich mir niemals gedacht! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Das haben wir schon !) Aber das ist seit einigen Tagen Realität und angedacht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Euroland greift man auf die Sparguthaben der Bürgerinnen und Bürger zu.

Das ist etwas, was die Menschen natürlich verunsichert; denn viele Österreicherinnen und Österreicher machen in Zypern Urlaub, viele Betriebe, die bei uns ansässig sind, haben ihre Geschäftsstellen in Zypern. Ich kenne auch einige, die in Zypern eigentlich


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