Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll44. Sitzung / Seite 17

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12.01.21

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Herr Wissenschaftsminister! Frau Bildungsministerin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Drei Wochen ist es nun her, dass die Studierenden zu Protestmaßnahmen gegriffen haben und Hörsäle besetzt haben. Der Anlass dazu war offensichtlich nicht etwas Konkretes, nämlich zum Beispiel das Streichen einer Sozialeistung, die sie betrifft, sondern Grund dafür war das Erreichen einer Schmerz­grenze im gesamten Bildungssystem, vor allem an den Universitäten. Stichworte: Raumnot, Sanierungsbedarf, Chaos, Frustration über prekäre Arbeitsverhältnisse, Burn-out, hohe Drop-out-Raten, Als-ob-Betreuung, stundenlanges Warten vor den Hörsälen, Proteste auf allen Ebenen, sei es nun im Audi Max oder draußen, Proteste im Mittelbau und auch harsche Kritik vonseiten der Rektoren.

Insgesamt ist das, glaube ich, eine sehr besorgniserregende Situation – auch für das politische System –, und es wäre falsch, das nicht ernst zu nehmen, und deswegen haben wir diese heutige Sondersitzung beantragt. Diese Probleme dürfen nicht länger unter den Teppich gekehrt werden, da bedarf es einer raschen Lösung. Wir wollen aber keine Symptombekämpfung, sondern wir wollen, dass es tatsächlich eine echte Diskussion, einen ernsten Dialog mit all diesen Menschen im Bildungssystem gibt, dass es nicht weniger Studierende gibt und mehr Barrieren, sondern umgekehrt: mehr Menschen, die Zugang zur Bildung haben, und den Abbau von Barrieren. Das ist unser Ziel auch heute! (Beifall bei den Grünen.)

Die Proteste haben etwas sehr Bemerkenswertes ausgelöst – und das ist, glaube ich, ganz wichtig –: Es geht da nicht nur um die Unis, sondern es geht da um eine breite Diskussion um das ganze Bildungssystem: Wem sollen die Universitäten dienen? Was ist der Sinn und Zweck eines Studiums? Wer soll Zugang zur Bildung erhalten? Wo sind tatsächlich die echten Barrieren im Bildungssystem?

Das ist eine Diskussion, vor der sich die politisch Verantwortlichen viele, viele Jahre gedrückt haben. Es ist bezeichnend, dass die Studentinnen und Studenten den Schulterschluss mit Schülerinnen und Schülern gesucht haben, mit vielen Menschen, die im Bildungssystem arbeiten, zum Beispiel mit den Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen, und dass sie das Bild gewählt haben, dass die Uni „brennt“.

Meiner Meinung nach „brennt“ das ganze Bildungssystem in Österreich, und wir sind heute aufgerufen, Lösungen und Antworten zu geben. (Beifall bei den Grünen.)

Den Studierenden gebühren großer Respekt und Hochachtung dafür, dass sie diese Diskussion so breit angelegt haben. Sie kämpfen nicht um Einzelanliegen, sondern um ein neues Bildungssystem und um neue Universitäten. Das verdient aus meiner Sicht Hochachtung.

Weniger Hochachtung verdient aus meiner Sicht, aus unserer Sicht im Moment die Reaktion der offiziellen Politik und der Verantwortlichen. Die Reaktion Ihres Wissen­schaftsministers, Herr Bundeskanzler, war zu Beginn extrem zynisch. Es ist extrem zynisch, zu sagen, es gehöre halt zu einem Studentenleben dazu, dass man einmal protestiert.

Ich bin nicht der Meinung, dass es zum Leben eines Studenten/einer Studentin dazu­gehört, protestieren zu müssen, um überhaupt studieren zu können, um barrierefrei studieren zu können. Im Gegenteil: Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein! Man sollte in Österreich von einem Grundrecht auf Bildung ausgehen können. (Beifall bei den Grünen.)

 


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