Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll44. Sitzung / Seite 72

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lich das Übel, die gehören eigentlich weg! Wenn sie nicht wären, ginge alles viel leich­ter!“ – Das ist doch offensichtlich Ihre Ansicht, Herr Minister, und das ist offensichtlich auch die Ansicht der ÖVP.

Stellen wir uns das Ganze auf dem primären Bildungssektor vor! Stellen wir uns vor, bei den Volksschulen wäre es so, dass zu wenig Raumangebot, zu wenige Lehrende, zu wenige Materialien vorhanden wären! Wer würde dann von Selektion sprechen? Wer würde Aufnahmetests verlangen? Wer würde womöglich noch Gebühren verlan­gen und davon sprechen, dass nur wenige in die Volksschule gehen sollten? – Nie­mand.

Man hat also offensichtlich aufseiten der ÖVP, aber auch der SPÖ noch nicht ganz erkannt, wie wichtig auch der tertiäre Sektor ist, denn sonst würde das nicht immer wieder zur Diskussion stehen.

Wer argumentiert, der Staat solle über Aufnahmetests nur regeln, also mehr oder weniger bestimmen, was studiert werden darf, der hat auch nichts verstanden, jeden­falls nichts verstanden von Selbstbestimmung der Individuen und auch nichts von einer Motivation, die beim Lernen ganz wichtig ist. Wenn etwas selbst gewählt wird, dann lässt es sich ganz anders studieren, lässt es sich ganz anders lernen. Das ist, glaube ich, etwas, was gerade von der ÖVP dringend eingefordert werden müsste.

Sehen Sie, das ist ja nicht das Schlimme an den Zugangsbeschränkungen, aber vergleichen wir das Ganze jetzt tatsächlich mit dem Numerus clausus in Deutschland, denn dort haben wir eine Art von Selektion, an der man sehr schön erkennen kann, wie sinnlos das Ganze ist.

Die deutsche Regulierung sagt in vielen Fällen zu den Bewerberinnen und Bewerbern: „Liebe Frau, Sie haben leider beim Abitur nur eine Zwei aus Chemie; Sie sind daher nicht geeignet, Ärztin zu sein, und dürfen das nicht studieren.“ – Wenn diese Stu­dierende dann nach Österreich kommt und sagt: „Ich möchte doch Ärztin werden, ich muss sozusagen die letzte Gelegenheit am Schopf packen!“, und hier ausgebildet wird, dann ist sie am Schluss Ärztin und geht zurück nach Deutschland und praktiziert dort. Und das ist jetzt auf einmal erlaubt! Jetzt darf sie plötzlich in Deutschland als eine ausgebildete Ärztin praktizieren – vorher hat es doch eigentlich geheißen, sie wäre nicht geeignet gewesen!

Meine Damen und Herren, darüber muss europaweit gesprochen werden. Darüber muss die Bundesregierung, der Finanzminister, der Wissenschaftsminister, mit den Deutschen sprechen, und ich bringe deshalb folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehest möglich mit der Bundesrepublik Deutschland bilaterale Gespräche über Ausgleichszahlungen zu beginnen, um die durch den Zuzug deutscher Studierenden entstehenden Mehrkosten Österreichs zu reduzieren.“

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Diese Widersprüche bei allen Aufnahmeverfahren lassen junge, mündige Menschen nicht entscheiden, was aus ihnen werden soll. Und das, meine Damen und Herren, ist nicht notwendig. Studieren heißt schließlich nicht Auswendiglernen, heißt nicht, Vorgekautes unreflektiert zu übernehmen, heißt nicht, Scheine zu machen und am Schluss den Titel zu haben, sondern Studieren heißt, etwas untersuchen zu wollen, etwas analysieren, vergleichen zu wollen, etwas universal – im Wort „Universität“ steckt ja das Wort „universal“ drinnen – zu betrachten. Und daher glaube ich, dass es


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