Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 252

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22.16.3147. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 644/A der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), und Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des National­rates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (688 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zum 47. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser ist der Erste, der zu Wort kommt. – Bitte.

 


22.17.09

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Fehlen der Abwahlmöglichkeit eines Nationalratspräsidenten ist eine politische Lü­cke, die lange unentdeckt geblieben ist, bis sie der Dritte Nationalratspräsident Graf in der für ihn eigenen Art schonungslos aufgezeigt hat.

Wir haben hier schon öfter und lange diskutiert, und alle Argumente, die gegen diesen Antrag vorgebracht worden sind, waren schnell widerlegt.

Das erste Argument war: Das ist ja ein Minderheitenrecht, das mit einem Abwahlantrag unterlaufen werden könnte. – Das ist natürlich falsch. (Abg. Kopf: Das hat eure Partei­chefin gesagt!) Es gibt kein Minderheitenrecht, einen Nationalratspräsidenten zu stel­len. Es gibt maximal die Usance, dass eine Partei einen Vorschlag machen darf, und dieser Vorschlag wird einer Mehrheitswahl unterzogen. Insofern ist die Möglichkeit eines Abwahlantrags auch nicht die Einschränkung eines Minderheitenrechts, sondern die logische Konsequenz daraus, dass, wenn die Mehrheit jemanden wählt, sie unter bestimmten Umständen diese Person von ihrer Funktion auch wieder abberufen kann.

Als das geklärt war, hat man den Ausflug in die Geschichte versucht und auf das Jahr 1933 verwiesen. – Dieser Vergleich ist noch schlechter als das erste Argument. Richtig ist, dass im Jahr 1933 drei Nationalratspräsidenten zurückgetreten sind, aber nicht abgewählt wurden. Und der entscheidende Punkt, der hier erwähnt sein muss, damit man der Geschichte sozusagen auch zur Wahrheit verhilft: Es war nicht das Zu­rücktreten der Nationalratspräsidenten, was dem Parlamentarismus großen Schaden zugefügt hat, sondern es waren die Polizisten des Bundeskanzlers Dollfuß, die die Ab­geordneten daran gehindert haben, das Parlament zu betreten, denn die Sozialdemo­kraten und die Großdeutschen haben ja versucht, das Parlament wieder zu aktivieren. Insofern ist der Vergleich mit 1933 überhaupt nicht tauglich.

Letztes Argument, das immer wieder gekommen ist: Man soll den Nationalratspräsi­denten nicht tagespolitischen Zwängen aussetzen, indem man eine Abwahlmöglichkeit schafft. Ich sehe den Zweiten Nationalratspräsidenten Neugebauer. Tagespolitisch – ich denke an die Schulpolitik – haben Grüne und ÖVP nicht viel gemeinsam. (Abg. Neugebauer: Es ist wichtig, die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen!) Rücktrittsforde­rungen an Nationalratspräsident Neugebauer hat es trotzdem noch nicht gegeben. Wa­rum? – Weil er als Präsident seine Aufgabe tadellos erledigt (demonstrativer Beifall bei der ÖVP) und weil gerade nicht tagespolitische Positionierungen des Kollegen Neuge­bauer entscheidend dafür sein sollen, ob er weiter Nationalratspräsident ist oder nicht.

Aber noch zynischer ist dieses Argument, wenn man sich anschaut, dass das Kontroll­organ Rechnungshofpräsident mit einfacher Mehrheit hier vom Parlament abgewählt werden kann. Das heißt, die Regierungsmehrheit, die Parteien jener Minister, die er kontrolliert, könnten diesen Rechnungshofpräsidenten mit einfacher Mehrheit abwäh-


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