der Union“ bindet, sondern auch die Mitgliedstaaten „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“ die GRC zu beachten haben. Aus der ständigen EuGH-Rechtsprechung ergibt sich eine Bindung der Mitgliedstaaten an die in der GRC garantierten Rechte, sofern „eine nationale Rechtsvorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt“. Es sind daher „keine Fallgestaltungen denkbar, die vom Unionsrecht erfasst würden, ohne dass diese Grundrechte anwendbar wären“. Entsprechend ergibt sich, dass „die Anwendbarkeit des Unionsrechts“ stets auch „die Anwendbarkeit der durch die Charta garantierten Grundrechte [umfasst]“ (EuGH 26.02.2013, Rs. C-617/10, Åkerberg Fransson, Rn. 21). Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) wird im Bereich von Asylverfahren jedenfalls in „Durchführung des Unionsrechts“ gehandelt. Asylverfahren fallen daher in den Anwendungsbereich der GRC.
Nach der in Art. 52 Abs. 3 GRC enthaltenen Schutzniveausicherungsklausel sind die in der GRC verankerten Rechte und Freiheiten derart auszulegen wie die identen in der EMRK garantierten Rechte in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (z.B. EuGH 16.7.2015, Rs C-237/15 PPU, Lanigan, Rn. 56).
Maßnahmen im Bereich des Asylrechts müssen zudem gemäß Art. 18 GRC und Art. 78 AEUV im Einklang mit der GFK und dem Protokoll von 1967 gesetzt werden. Art. 18 GRC gewährleistet das „Recht auf Asyl“ nach Maßgabe der GFK und des Protokolls von 1967 sowie nach Maßgabe der Verträge (EUV und AEUV) und ist somit lediglich als Verweisnorm ausgestaltet. Ein primärrechtlich garantiertes Recht auf Asylgewährung ist aus Art. 18 GRC hingegen nicht abzuleiten. Art. 33 GFK untersagt die Rückführung von Fremden in (Dritt-)Staaten, in denen ihnen Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht. Im Umkehrschluss ergibt sich jedoch daraus, dass die Aus- oder Zurückweisung eines Drittstaatsangehörigen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, zulässig ist, sofern keine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots vorliegt.
Aus innerstaatlicher Sicht bilden sowohl die einschlägigen Vorschriften des österreichischen Verfassungsrechts, zu dem auch die EMRK sowie die meisten ihrer Zusatzprotokolle zählen, als auch jene auf den Asylbereich anwendbaren Verbürgungen der GRC, aus denen subjektive Rechte ableitbar sind, die Maßstäbe bei der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der in Umsetzung der auf Art. 72 AEUV basierenden Maßnahmen.
Dem VfGH zufolge sichert die GRC „für den Bereich der Anwendung europäischen Rechts Rechte, wie sie die österreichische Verfassungsordnung in gleicher Weise als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte garantiert“ (VfGH 14.03.2012, U 466/11 u.a.). Die in der GRC statuierten Gewährleistungen sind den Grundrechten des österreichischen Bundesverfassungsrechts demnach grundsätzlich gleichgestellt. Sie können vor dem VfGH als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geltend gemacht werden und bilden in nationalen Verfahren der Normenkontrolle einen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, vorausgesetzt, dass die betreffende Garantie der GRC in ihrer Formulierung und Bestimmtheit den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleicht.
Durch die Rechtsprechung des VfGH werden die vergleichbaren Garantien der GRC und der EMRK als Quellen grundrechtlicher Gewährleistungen einander gleichgestellt. Sie bilden mit der dazu entwickelten Rechtsprechung des EuGH, des EGMR und des VfGH Maßstäbe für die Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragen. Auf das Verhältnis der maßgebenden Rechtsquellen finden Regeln, die auf kumulativer Geltung und dem Günstigkeitsprinzip beruhen, Anwendung (etwa Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, [20125], § 4 Rn. 7-13; Grabenwarter, Verfassungsrecht, Völkerrecht und Unionsrecht als Grundrechtsquellen, Rn. 35). Der individuelle Rechts-
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