Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll123. Sitzung / Seite 174

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Das Recht, mittels Verordnung überhaupt Gesetze außer Kraft zu setzen, nennt man Notverordnungsrecht. Gerade die Sozialdemokraten sollten wissen, wann das letzte Mal so in Österreich regiert wurde, es war nämlich zwischen 1932 und 1934, und was danach auf uns zugekommen ist, sollte Ihnen eigentlich noch in entsprechender Erinnerung sein. Das heißt, es sollte Ihnen klar sein, dass es nie sinnvoll ist, mittels Notverordnungen zu regieren und dass es auch in dem Zusammenhang nicht sinnvoll ist, Gesetze auszuhebeln. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Das Notverordnungsrecht steht ja prinzipiell in Österreich nur dem Bundespräsidenten zu, nämlich im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss auf Vorschlag der Bundes­regierung. Wenn man sich genauer anschaut, welche Verordnungen der Bundesprä­sident erlassen und welche Gesetze er aushebeln kann, dann sieht man auch, dass er Verfassungsrecht nicht aushebeln kann. Was Sie hier machen wollen, ist aber genau das. Das Recht, einen Asylantrag zu stellen, ist in Österreich verfassungsgesetzlich gewährleistet. Dieses Recht dürfte nicht einmal der Bundespräsident in einer Verord­nung aushebeln.

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist aufgrund der Tatsache, dass sie in der Grund­rechtecharta der Europäischen Union verankert ist, eben österreichisches Verfas­sungs­recht, das hat der Verfassungsgerichtshof auch entsprechend festgestellt. Genau dieses Grundrecht, eben einen Asylantrag zu stellen, regelt die Grundrechtecharta mit der Genfer Flüchtlingskonvention.

Dementsprechend ist, weil es die Grundrechtecharta auch klar regelt, Ihr Vorschlag klar europarechtswidrig. Wir werden dementsprechend auch eine Beschwerde bei der Kommission einbringen, denn der Artikel 72 AEUV, den Sie in Ihrer Begründung mitliefern, sieht nur vor, dass man vom europäischen Sekundärrecht abweichen kann. Sie wollen aber von der Grundrechtecharta, die europäisches Primärrecht ist, ab­weichen und den Menschen die Möglichkeit nehmen, einen Asylantrag zu stellen.

Sie wollen jetzt mit diesen letzten Änderungen ein wenig den Schein wahren und davon ablenken, dass es massiv bedenklich ist, was Sie hier machen. Sie wollen kleine Änderungen – die Notstandsverordnungen sollen jetzt zeitlich befristet sein, es kommt das Kindeswohl hinein, es soll schnellere Verfahren für besonders schutzwürdige Personen geben – und täuschen darüber hinweg, dass Sie in Wirklichkeit einen mas­siven Anschlag auf den Rechtsstaat vorhaben.

Sie wollen zu guter Letzt – das ist jetzt mit dem Entschließungsantrag gekommen – eine entsprechende Begutachtung, falls dann eine Notverordnung kommen soll. Wir werden dem zustimmen, da es sinnvoll ist, eine Begutachtung zu haben. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Aber das ist aus zwei Gründen besonders pikant: Erstens wollten Sie diese Änderung mit einem Abänderungsantrag über die Hintertüre in dieses Parlament bringen. Der Abänderungsantrag ist angeblich von zwei Abgeordneten geschrieben worden. Ich bezweifle das stark, ich bin mir sicher, dass er aus einem Ministerium kommt. Sie wollten gar keine Begutachtung dazu machen und ein grundlegendes Recht einfach mit einem Abänderungsantrag über die Hintertür in dieses Parlament bringen, und es auch beschließen.

Das Zweite, wieso das so pikant ist: Sie haben zahlreiche Begutachtungen zu diesem umfassenden Abänderungsantrag bekommen, nämlich knapp 50, und Sie haben offensichtlich keine ernst genommen. Es gab zwei entsprechende Stellungnahmen, die positiv waren, überraschenderweise vom ÖGB und von der Arbeiterkammer, was mich doch sehr verwundert. Nichtsdestotrotz haben Sie fast alles, was in diesen Stellung­nahmen geäußert wurde, einfach ignoriert.

Das wundert mich aus mehrerlei Gründen nicht: Erstens, weil es de facto unmöglich war, aus dieser Husch-Pfusch-Aktion, die Sie da geliefert haben, noch irgendetwas


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite