14.05

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werter Herr Bundeskanzler! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist eh schon angesprochen worden, an diesem Tag vor genau zwei Jahren kam das Ibizavideo an das Licht der Öffentlichkeit. Was wir dort gesehen haben, was von Heinz-Christian Strache gesagt wurde, beschäftigt uns, wie Sie sehen, bis heute.

„Novomatic zahlt alle“, das war der Satz, der Dreh- und Angelpunkt für wahrscheinlich einen der wichtigsten Untersuchungsausschüsse der Zweiten Republik. Es geht um die „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“. Um das noch einmal zu verdeutlichen, was da untersucht wird: Es geht darum, zu schauen, ob es möglich war, dass man gegen Spenden Gesetze oder andere Begünstigungen, wie etwa Posten, be­kommen konnte. Es ging darum, nachzuschauen, ob es wahr ist, was man in dem Video gesehen hat, in dem Heinz-Christian Strache noch fabuliert hat, wie er das möglicher­weise machen wird, ob das dann in die Tat umgesetzt worden ist.

Ich habe damals gesagt – und ich bekräftige das heute –: Menschen in Österreich müs­sen darauf vertrauen können, dass die Regierenden, die natürlich Macht haben, diese Macht und ihren Einfluss ausschließlich im Interesse der Menschen in Österreich ein­setzen und nicht im Interesse der Familie, der Freunde oder von Spenderinnen und Spendern. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie des Abg. Rainer Wimmer.)

Was als FPÖ- und damals auch Regierungskrise begonnen hat, ist nun eine veritable ÖVP-Krise und wieder einmal eine Regierungskrise. Es sind mittlerweile hochrangige Mitglieder dieser Bundesregierung, nämlich der Finanzminister und der Bundeskanzler, die als Beschuldigte geführt werden. Es ist der Chef der Beteiligungsgesellschaft, der, wenn Sie so wollen, das Volksvermögen der Republik zu verwalten hat, als Beschuldig­ter geführt, und es ist Ihr Kabinettschef, neben weiteren ehemaligen ÖVP-Ministern, als Beschuldigter geführt; also hochrangigste ÖVP-Politiker im Verdacht – wie in Ihrem Fall – der falschen Beweisaussage.

Ich weiß, dass Sie das gerne – ich habe in den letzten Tagen zugehört – relativieren: Das Ganze passiert ja nur, weil die böse, böse Opposition Anzeige erstattet hat. (Zwi­schenruf des Abg. Hörl.) Ich weiß schon, dass es bei Ihnen offensichtlich nicht sehr viel zählt, ein Mindestmaß an juristischem Wissen zu haben, aber es handelt sich bei der falschen Beweisaussage, auf die übrigens drei Jahre Strafhaft steht (Abg. Wöginger: Bis zu!) – ja, bis zu drei Jahren –, immer noch um ein Offizialdelikt. Was heißt das? – Dass von Amtswegen zu ermitteln ist.

Das heißt übrigens auch, Herr Vorsitzender Sobotka, dass Sie, wenn Sie als Vorsitzen­der des Untersuchungsausschusses mitbekommen, dass in einer Respektlosigkeit und im Bruch der Gesetze eine Falschaussage getätigt wird, eigentlich verpflichtet wären, das der Staatsanwaltschaft zu melden (Abg. Deimek: Das kann er nicht!), und die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, das weiterzuführen und zu ermitteln. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Außerdem sind wir schon einen Schritt weiter, es geht ja nicht mehr darum, dass Sie verdächtigt sind, sondern Sie sind beschuldigt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das heißt, dass die Staatsanwaltschaft immerhin so viel Substrat sieht, dass sie diesbezüg­lich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. (Abg. Gabriela Schwarz: Im „Morgenjour­nal“ die Beschuldigung ... kriminell sei ...!)

Klar ist für uns – und ich denke, das wird für Sie auch der Fall sein –: Die rote Linie ist dann überschritten, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, angeklagt sind. Für die Person gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung, aber für das Amt gelten andere Regeln, aus Respekt dem Amt gegenüber. Es geht nämlich um die Handlungsfähigkeit, und es war ein guter und ein wichtiger Konsens in der Zweiten Republik, dass Anklagebank und Regierungsbank nicht zusammenpassen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe das heute auch klar gesagt: Wirklich irritierend habe ich gefunden, dass Sie sogar einen Rücktritt im Fall einer Verurteilung nicht sofort als Selbstverständlichkeit betrachtet haben, das heißt, dass sogar im Raum steht, dass Sie im Falle einer Verur­teilung keinen Grund sehen, aus dem Amt zu weichen. Das ist wirklich hochgradig ir­ritierend, denn wenn man das weiterdenkt und es wirklich zu einer Verurteilung kommt, dann muss man sich die Frage stellen, ob den Menschen in Österreich ein krimineller Bundeskanzler zumutbar ist. Ich denke: Nein! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Das Ganze ist eine schwierige Situation, weil sie so aufgeheizt ist. Da wird sehr viel mit Polarisierung gearbeitet (Ruf bei der ÖVP: Mit Unterstellungen!), man geriert sich als Opfer, macht eine Täter-Opfer-Umkehr. (Abg. Wöginger: Das habt ja ihr angefangen!) Das ist ja geradezu so – wenn von der politischen Kultur gesprochen wird –, wie wenn sich die Brandstifter hinstellen und sagen (Abg. Wöginger: Wer? Wer?): Mah, es ist so arg, es gibt so viele Brände! (Abg. Wöginger: Na ihr zündet ja alles an!) So kommt mir das ein bisschen vor, wenn sich die ÖVP über die politische Kultur beklagt.

Es sind nicht die Mitglieder der Opposition (Nein-Rufe bei der ÖVP – Abg. Melchior: Wer sonst?), die als Beschuldigte geführt werden, sondern es sind Vertreter Ihrer Partei, die von der unabhängigen Justiz als Beschuldigte geführt werden. (Abg. Wöginger: Das sind ja Heilige!) Es sind Sie, die permanent - - (Abg. Hanger: Heute in der Früh war schon wieder eine Entgleisung von Ihnen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da sehen Sie es ja schon wieder: Wer brüllt die ganze Zeit herein? Wo ist die Nervosität? (Abg. Wöginger: Weil du so einen Blödsinn redest! – Abg. Hanger: Wir sind nicht nervös! Die Entgleisung heute in der Früh spricht für sich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wo sind denn die Diffamierungen und Sudeldossiers daheim? – Schauen Sie, meine Damen und Herren, in diesen Sektor der ÖVP: Da sehen Sie nur Aggressivität, Aufgeregtheit und sehr viel Nervosität. Und diese Nervosität kann ich auch verstehen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kann es verstehen, denn das, was jetzt passiert, ist außerhalb dessen, was Ihr Ein­flussbereich ist, Gott sei Dank! Es geht hier nämlich um die unabhängige Justiz, die Sie versucht haben zu diffamieren, schlechtzureden, zu diskreditieren – von roten Netzwer­ken haben Sie gesprochen –, genauso, wie Sie versucht haben, den Untersuchungsaus­schuss und immer wieder das Parlament schlechtzumachen, zu diskreditieren und auch in der Arbeit zu behindern. Jetzt ist die unabhängige Justiz am Zug, und deren Handeln ist nicht kontrollierbar. (Abg. Hanger: Haben Sie mit der Frau Krisper schon einmal ge­sprochen, dass ...?!) Da geht es nicht darum, sozusagen die Deutungshoheit über ein Geschehen zu erringen, sondern darum, dass jetzt eine unabhängige Ermittlung bei einem unabhängigen Gericht stattfindet. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Herr Hanger, lassen Sie mich bitte einmal ausreden! Sie sind so respektlos dem Parla­ment gegenüber, so respektlos dem Untersuchungsausschuss gegenüber! Es ist wirk­lich, wirklich bemerkenswert! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Diese Krise, dieses Chaos, diese Situation, in die Sie uns, die ÖVP, gebracht haben, das ist eine Dramatik, weil es vieles anderes zu tun gäbe. (Abg. Melchior: Ihr seid Erfül­lungsgehilfen vom Kickl!) Die Gesundheitskrise ist noch nicht vorbei, die Wirtschaftskrise ist massiv – und nein, Österreich ist nicht besser als andere Länder durch die Krise ge­kommen! (Abg. Hanger: Sind Sie noch eine wirtschaftsliberale Partei? Nein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) In der Frage des wirtschaftlichen Aufschwungs liegen genau nur drei Länder hinter uns! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Danke viel­mals, Herr Präsident! – Alle anderen Länder sind vor uns, was den wirtschaftlichen Auf­schwung angeht. Wir stehen schlecht da (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!), und wir bräuchten alles andere als solche Diskussionen am heutigen Tag, um wirklich gut aus der Krise rauszukommen.

Ich würde mich freuen, Herr Hanger, wenn Sie mit so einer Leidenschaft, mit so einer wirklichen Verve auch in sachpolitische Diskussionen einsteigen würden, wenn Sie auf unsere Vorschläge zur Joboffensive replizieren würden, wenn Sie darauf reagieren wür­den, wenn wir Vorschläge machen, wie wir die Eigenkapitalbasis von Unternehmen stär­ken können, wenn Sie Bezug darauf nehmen würden, wie dringend notwendig es ist, das Insolvenzrecht zu reformieren. – Das alles tun Sie aber nicht. Wir begeben uns per­manent auf die Ebene dieser Art von Debatte, weil wir es müssen, weil die ÖVP uns in diese Krise, in diese Unordnung gebracht hat. (Abg. Steinacker: Das stimmt ja nicht!)

Eines sage ich Ihnen: Immer mehr Menschen erkennen dieses Spielchen, das Sie spie­len: auf der einen Seite zu sagen, wir patzen niemanden an, und gleichzeitig die ärgsten Schmuddeldossiers im Parlamentsklub anzulegen und einzelne Abgeordnete gezielt zu diskreditieren. Immer mehr Menschen merken, dass es eine Showpolitik ist, die Sie be­treiben, und eigentlich nichts von wirklich substanziellem Krisenmanagement zu erken­nen ist, wo man die Ärmel hochkrempelt und wirklich für Österreich arbeitet. (Abg. Han­ger: Die Frau Krisper hat offensichtlich die Unwahrheit gesagt!)

Immer mehr Menschen wünschen sich, dass endlich wieder Ruhe, Ordnung, Sicherheit und vor allem auch Anstand in die Politik einkehren, und die Menschen haben das ver­dient. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Matznet­ter. – Bitte.