12.00

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Nach diesen Redebeiträgen, die doch irgendwie sehr eigenartig und ziemlich irrational waren, versuche ich, bei dem Volksbegehren, das jetzt zur Sprache kommt, wieder in die rationale Phase zurückzukehren. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Anliegen des Volksbegehrens Ethik für alle sind auf den ersten Blick eigentlich sehr gut nachvollziehbar und klingen vernünftig, aber wenn man es genauer betrachtet, ergeben sich doch Gedanken, die zur Skepsis Anlass geben. Ich möchte Ihnen zwei dieser Gedanken nahebringen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Der erste Gedanke, der Skepsis nahelegt, betrifft die Erfahrung, die man damit hat, wenn man den Religionsunterricht aus der Schule zu verdrängen versucht oder ihn dort überhaupt nicht zulässt, wie es zum Beispiel im laizistischen Frankreich der Fall ist. Im laizistischen Frankreich wird in etwa das durchgeführt, was das Volksbegehren inten­diert. Es zeigt sich, dass die Erfahrungen, die man daraus gewonnen hat, nicht gut sind, denn was sich ergibt, ist, dass trotzdem – aber dann nicht in der Schule, sondern in Hinterhöfen – Religion unterrichtet wird, zum Teil auch eine Religion, die völlig missio­narisch abseits der Ideale der Aufklärung indoktriniert. Das ist etwas, das wir nicht haben wollen, das soll in Österreich nicht der Fall sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der andere Gedanke ist mehr prinzipieller Natur. Diejenigen, die dieses Volksbegehren eingebracht haben, sind einem Verein nahe, der formuliert: „Religion ist Privatsache“. – Das klingt interessant, ist aber vielleicht ein Missverständnis. Religion ist nicht Privat­sache, sondern der Glaube; dieser ist sicher Privatsache. Was jemand glaubt – egal ob er an die Natur glaubt, wie es ein paar grün motivierte Menschen sicherlich tun, ob er an die Geschichte glaubt, wie es Georges Danton getan hat, der ja davon gesprochen hat, er werde „im Pantheon der Geschichte“ verewigt, oder ob er an den Weingott Bacchus glaubt, wie es einst ein Wiener Bürgermeister getan hat –, all das, woran man glaubt, geht niemanden etwas an.

Es gibt aber Glaubensweisen, bei denen sich Menschen zusammenfinden, die sozu­sa­gen denselben Glauben haben. Die bilden dann eine Religionsgemeinschaft, und eine Religionsgemeinschaft ist politischer Natur. Sie kann gar nicht unpolitisch sein, sie ist ja in der Öffentlichkeit. So tut der Staat gut daran, zu entscheiden, dass gewisse Religions­gemeinschaften anerkannte Religionsgemeinschaften sind. Warum anerkannt? – Weil sie erstens mit den Idealen der Aufklärung kompatibel sind, jedenfalls so, wie sie sich jetzt darstellen, und weil sie zweitens auch mit der Verfassung des Staates kompatibel sind, der ja völlig unabhängig vom Glauben des Einzelnen ist, der ja ganz privat ist.

Es ist daher im Interesse des Staates, nicht nur solche Religionsgemeinschaften anzuer­kennen, sondern auch zuzulassen, ja sogar zu fördern, dass diese Religionen in den Schulen unterrichtet werden, weil dann nämlich die Möglichkeit besteht, dass man das kontrolliert. Diese Kontrolle ist entscheidend dafür, zu sehen, ob dieser Unterricht nicht missionarisch erfolgt, sondern wirklich, wie ich schon sagte, „kompatibel mit den Idealen der Aufklärung“ ist.

Dieser Gedanke ist für mich sehr wesentlich, wenn man die Anliegen des Volksbe­gehrens betrachtet. Wir werden dann in der Diskussion, die im Ausschuss erfolgen wird, sehen, wie diese, meine Gedanken mit den Vorstellungen, die die Befürworter des Volks­begehrens haben, zusammenpassen werden. Ich bin sehr gespannt auf diese Diskussion. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

12.04

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler. – Bitte.