14.08

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Frau Bundesministerin! Ich glaube, die Zukunftskonferenz gibt uns die großartige Möglichkeit, über die wichtigen Fragen in der Europäischen Union und die Weiterent­wicklung intensiv zu diskutieren. Ich finde, die Einbindung sowohl der nationalen Par­lamente, des Europäischen Parlaments als auch der Bürgerinnen und Bürger ist not­wendig, weil klar ist, dass nach der Krise, in der wir uns jetzt längere Zeit befunden haben, ein Neustart schlichtweg notwendig ist. Diese Zukunftskonferenz gibt die Mög­lichkeit, diesen Neustart auch ordentlich hinzubekommen.

Was aber für so einen Neustart innerhalb der Europäischen Union notwendig ist, Frau Bundesministerin, ist aus meiner Sicht schon ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Europäischen Union, und das an 365 Tagen.

Frau Bundesministerin, Sie haben angesprochen, dass das Image der Europäischen Union nirgendwo so schlecht ist wie in Österreich. Das ist erschreckend, da gebe ich Ihnen recht. Man muss sich halt überlegen, wieso das so ist. Das ist das, was Frau Kol­legin Gamon vorhin angesprochen hat: Wenn man immer dann, wenn etwas schiefgeht, die Schuld an Brüssel abschiebt und immer dann, wenn etwas großartig ist, sagt: Na, die in Brüssel haben gar nichts gemacht, sondern wir in Österreich waren das!, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher vielleicht auch nicht so zur Europäischen Union bekennen. Dann ist natürlich die österreichische Bundesregierung mit schuld daran. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt Hunderte Beispiele. Erinnern Sie sich an die Impfstoffbeschaffung: Die Euro­päische Union hat es verbockt; ich, Sebastian Kurz, habe es gelöst!, an die Diskussion über das Schnitzel und die Pommes, die der Bundeskanzler eine Woche vor der letzten Europawahl noch einmal entfacht hat: Die Europäische Union will unser Schnitzel verbieten!, und an die Frage der Verwaltungsausgaben auf europäischer Ebene, bei der es nur darum ging, Brüssel schlechtzumachen.

Ich glaube, die Welt verändert sich, die Europäische Union verändert sich, die geo­politischen Herausforderungen sind ganz, ganz andere, als sie das vor vielen Jahren waren. Wir müssen im Zusammenhang mit der Zukunftskonferenz die Chance nutzen, dass wir uns entsprechend weiterentwickeln. Man muss sich nur vorstellen, wo wir denn hinwollen und welche Rolle wir in der Welt spielen wollen. Denken Sie an die Präsidentschaftsjahre von Donald Trump – die ja noch nicht so lange her sind – und an die Art und Weise, wie da Politik gemacht wurde und wie schwierig es auch für die Europäische Union war, da einen verlässlichen Partner zu haben! Dazu kann es immer wieder kommen. Zum Glück ist jetzt mit Joe Biden ein überzeugter Transatlantiker amerikanischer Präsident, der auch bei dem Treffen schon klar gesagt hat, dass er weiterhin eine Partnerschaft auf Augenhöhe haben will.

Wir müssen aber handlungsfähiger werden, und ein wesentlicher Schritt zur Handlungs­fähigkeit der Europäischen Union ist, dass wir endlich das Einstimmigkeitsprinzip weg­bringen, dass wir das schaffen, insbesondere in so wichtigen Bereichen wie der Außen­politik, um auch klar sagen zu können, wie wir als Europäische Union etwas haben wollen.

Wir brauchen mehr Kooperation in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik; von der Migrationspolitik gar nicht zu reden. Es ist ja absurd, zu glauben, dass wir es schaffen, die Migrationsfragen nationalstaatlich zu lösen. Das haben Sie (in Richtung Bundes­ministerin Edtstadler) auch angesprochen, es ist absolut unmöglich.

Wir müssen auch – und das halte ich auf europäischer Ebene für ganz essenziell – Rahmenbedingungen schaffen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer so wirtschaften können, so arbeiten können, dass wir insgesamt als Europäische Union auch wettbewerbsfähig sind und eben nicht das Problem haben, dass in anderen Ländern ganz anders produziert werden kann und wir, weil wir das nicht schaffen, dementsprechend immer wieder ins Hintertreffen geraten.

Wir müssen die Hochschul- und Forschungsinfrastruktur überarbeiten und eine klare Priorität setzen. Wir brauchen eine ernsthafte Reform des Wettbewerbsrechts – auch das ist eine ganz essenzielle Frage – und, ja, wir müssen natürlich Bürokratie abbauen. Das ist eines der wenigen Dinge, in denen ich mit der ÖVP übereinstimme. Die Frage ist nur, wo. Ein wesentlicher Schritt ist – das haben wir schon längst vorgeschlagen, und es ist auch aus österreichischer Sicht, glaube ich, sehr sinnvoll –, dass wir klar sagen: Es braucht keine so große Europäische Kommission, es braucht nicht für jeden Staat einen einzelnen Kommissar. Man kann jedenfalls die nationalen Quoten entsprechend ab­schaffen.

Wir brauchen bei der EU-Parlamentswahl – davon sind wir auch überzeugt – eine viel größere Identität, sprich transnationale Listen. Kollege Waitz hat vorhin die Direktwahl des Kommissionspräsidenten, der Kommissionspräsidentin angesprochen. Auch das ist jedenfalls etwas Sinnvolles.

Und wir müssen natürlich, wenn es um den Rechtsstaat, um die Rechtsstaatlichkeit geht, viel intensiver daran arbeiten, dass wir die innereuropäischen Verfahren abändern, denn wir können nur dann Rechtsstaatlichkeit und Grund- und Freiheitsrechte irgendwie authentisch in die Welt exportieren, wenn wir das selbst innerhalb von Europa schaffen – auch diejenigen, die das nicht ganz so sehen. An unseren Nachbarn ein paar Hundert Kilometer weiter Richtung Budapest merken wir, wie mit Menschenrechten, mit Grund- und Freiheitsrechten umgegangen wird, die auch mit Füßen getreten werden.

Ich glaube, wenn wir die Zukunft selbst gestalten wollen, dann müssen wir das selbst machen. Wenn wir das nicht tun, dann werden uns andere definieren, und das halte ich für den falschen Weg. (Beifall bei den NEOS.)

14.13

Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Simone Schmiedtbauer ist die nächste Rednerin. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.