22.45

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, falls noch jemand via Livestream mit da­bei ist! Wir haben einen sehr hitzigen, langen und aufreibenden Sitzungstag hinter uns. Aufreibend war es eigentlich schon in der Früh und am Vormittag. Es war in den De­batten und vor allem durch die Zwischenrufe sehr, sehr laut und zum Teil sehr, sehr aggressiv. Ich glaube, wir sollten uns per se einmal Gedanken darüber machen, was für ein Bild wir nach außen vermitteln. Sie haben zu Recht, Herr Präsident, zum damaligen Zeitpunkt, am Vormittag, schon die Würde des Hauses eingemahnt. Sie haben das wirk­lich völlig zu Recht getan, und ich würde gerne betreffend die Würde des Hauses nun auch in Summe an uns alle appellieren.

Sie wissen, ein Untersuchungsausschuss ist das stärkste Kontrollinstrument eines Par­laments. Er ist ein ganz wichtiger Bestandteil einer Demokratie, ein Baustein einer De­mokratie.

Ich glaube, sehr stolz waren viele von uns, als die Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses vor einigen Jahren zum Minderheitsrecht wurde. Viele der heute anwesen­den Kollegen und Kolleginnen waren auch tonangebend, als das passiert ist. Offen ge­sprochen: Umso dramatischer ist es, dass dieser Stolz und dieser Ton in den letzten eineinhalb Jahren, verstärkt in den letzten Monaten, völlig über Bord geworfen und ver­gessen wurden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Vor eineinhalb Jahren, im Dezember 2019, wurde von uns, der Sozialdemokratie, und von den NEOS ein Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur mut­maßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung, kurz gefasst des Ibiza-Unter­suchungsausschusses, eingebracht. Von Beginn an, geschätzte Kollegen und Kollegin­nen, war dieser Untersuchungsausschuss unfassbaren Angriffen ausgesetzt und mit An­griffen konfrontiert, die mir und Abgeordnetenkollegen und -kolleginnen, die schon ande­re Untersuchungsausschüsse erlebt haben, völlig neu waren.

Erinnern wir uns an den Start, nämlich an das versuchte Zusammenkürzen unseres Ver­langens vonseiten der Regierungsfraktionen, weil vielleicht der Text nicht ganz gepasst hat, die Inhalte sozusagen nicht hätten untersucht werden sollen! Es half aber alles nichts. Der Untersuchungsausschuss konnte starten.

Was hat uns aber dann erwartet? – Verzögerungen, Verzögerungen, Verzögerungen, klares Zeitschinden vonseiten der ÖVP, des ÖVP-Bundeskanzlers und des ÖVP-Minis­ters Blümel. Wie, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ist das mit der Würde des Hauses vereinbar? – Gar nicht, einfach gar nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der NEOS.)

Apropos Zeitschinden der ÖVP: Ich möchte aus den letzten eineinhalb Jahren zwei Bei­spiele herausgreifen, die ganz, ganz bestimmend waren.

Erstens: Aktenlieferungen. Wir haben von Beginn an dafür gekämpft, Akten zu bekom­men – Stichworte: Chats, Kontakte, Mails, Termine und vieles mehr –, die dem Aus­schuss ganz einfach zustehen würden. Wir haben nämlich um Akten des Bundeskanz­lers gekämpft, wir haben um Akten des Finanzministers Blümel gekämpft.

Über ein Jahr haben wir dann de facto über den Verfassungsgerichtshof mit Bundes­kanzler Kurz und Bundesminister Blümel gestritten, damit wir überhaupt irgendwelche Akten und Unterlagen aus dem Ministerium bekommen. Da ist behauptet worden, es gebe einfach keine. Selbst als der Verfassungsgerichtshof Finanzminister Blümel ver­pflichtet hat, zu liefern, hat er sich noch immer geweigert. Der Verfassungsgerichtshof musste da übrigens sechs Mal aktiv werden.

Es ging dann so weit, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, dass sich Bundespräsident Van der Bellen im Sinne der Demokratie und im Sinne des Parlaments starkgemacht hat und dann wirklich als Exekutor vor der Tür des Finanzministers gestanden ist. Dann hat Blümel schön langsam begonnen, Akten zu liefern, die er zum Drüberstreuen noch als geheim eingestuft hat, was absolut unrichtig, falsch war.

Bundeskanzler Kurz, mit Verlaub, ist auch nicht viel besser. Er hat nämlich am Anfang auch behauptet, es gebe nichts, es gebe keine Akten und Unterlagen. Dann hat er be­gonnen, weil er sich wahrscheinlich die Exekution ersparen wollte, doch ein paar Unterla­gen herauszurücken.

Wo bleibt da der Respekt vor dem Parlament, vor dem Untersuchungsausschuss, vor den Bürgerinnen und Bürgern? – Wir sehen ihn nicht. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Herr Präsident, ich darf mich nun auch an Sie wenden. Bei allem Respekt, Herr Präsi­dent, Sie sind Ausschussvorsitzender! Sie müssten alles dafür tun, um diese Verzöge­rungen zu unterbinden. Sie hätten bereits alles dafür tun müssen, um diese Verzögerun­gen zu unterbinden. Sie als Ausschussvorsitzender und als Nationalratspräsident müss­ten eigentlich seit eineinhalb Jahren mit aller Vehemenz die Lieferungen einfordern. Wir hörten und hören nur leider nichts von Ihnen, Herr Präsident Sobotka! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Wir appellieren erneut an Sie, Ihre Rolle umfassend wahrzunehmen, nämlich dem Unter­suchungsausschuss den Rücken zu stärken! Das ist Ihre Aufgabe als Nationalratsprä­sident und als Ausschussvorsitzender.

Zurück zu den Akten: Seit eineinhalb Jahren wird wie gesagt Zeit geschunden. Im März 2020 hätte der Bundeskanzler liefern müssen. Seit Ende Juni 2021 – wir haben heute den 7. Juli – haben wir nun ein paar Akten von Kurz. Geschätzte Kollegen und Kol­leginnen, wie soll die Durchsicht bis nächste Woche, bis zum 15. Juli, möglich sein? (Hei­terkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wie soll eine Befragung dazu möglich sein? Bis heute, werte Kollegen und Kolleginnen, gibt es keine vollständigen Akten von Blümel, bis heute nicht. Es ist heute in Aussicht gestellt worden (Abg. Melchior: Stimmt ja gar nicht! Das stimmt ja gar nicht!), dass nächste Woche schön langsam wieder Akten eintrudeln sol­len – nächste Woche! Ihr Plan, werte ÖVP und werte Grüne, ist aber, diesen Ausschuss abzu­drehen und damit Aufklärung abzudrehen. – Das ist unerhört! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Ein zweites Beispiel bezüglich Zeit schinden betrifft die Befragungen der ÖVP: Herr Kollege Hanger, vor einigen Monaten hat die ÖVP anscheinend Geschäftsordnungsmel­dungen im umfassendsten Sinn entdeckt, Geschäftsordnungsmeldungen im Rahmen der Befragungen von Auskunftspersonen. (Ruf bei der ÖVP: Das macht aber der Krai­ner ...!) Immer und immer wieder gab es die Situation im Ausschuss, dass ein ÖVP-Kollege nach dem anderen – es waren vorwiegend Männer – eine Geschäftsordnungs­debatte nach der anderen begonnen hat. (Abg. Zarits: Kollegen Krainer meinen Sie!)

Das Ziel war eindeutig und klar: Befragerinnen und Befrager sowie (Zwischenrufe bei der ÖVP) Auskunftspersonen aus dem Konzept zu bringen, Zeit zu schinden und einfach auf Zeit zu spielen und zu verzögern. Werte Kollegen und Kolleginnen, auch das ist ein neuer Stil in der politischen Kultur, den wir so bisher nicht kannten und nun durch Sie, geschätzte Kollegen und Kolleginnen der ÖVP, erfahren haben. (Abg. Hanger: ... der Herr Krainer heute da ist!)

Herr Kollege Hanger, die Krönung war dann ganz klar vergangene Woche. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es gab eine weitere Ladung des Bundeskanzlers Sebastian Kurz. (Hei­terkeit des Abg. Hanger. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Loacker.) Aufgrund der Befragung der ÖVP beziehungsweise vor allem aufgrund der sage und schreibe 21 Geschäftsordnungsmeldungen der ÖVP, während Kollege Krainer befragt hat, hatten die Kolleginnen Krisper und Tomaselli – und damit die NEOS und die Grü­nen – keine Fragezeit mehr. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Keine einzige Frage konnte dem Bundeskanzler vergangene Woche von ihnen gestellt werden! (Abg. Michael Ham­mer: Schlecht eingeteilt!)  Auch da, Herr Präsident, hätten Sie einschreiten müssen. Ich frage Sie wieder, werte Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP: Wie ist dieses Ver­halten mit der Würde des Hauses, mit Respekt vor Kolleginnen und Kollegen sowie vor der Demokratie vereinbar? – Gar nicht! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Geschätzte Damen und Herren, die Aufklärungsarbeit ist noch nicht zu Ende, Aktenlie­ferungen sind ausständig, Befragungen von Auskunftspersonen sind offen, Befragungen konnten bisweilen nicht stattfinden (Abg. Michael Hammer: Das Aufklären ... gewählt worden!), Befragungen wurden durch Geschäftsordnungsdebatten verzögert und ge­stört. Der Verfassungsgerichtshof wurde nicht ernst genommen, der Bundespräsident musste als Exekutor auftreten. – All das ist in den letzten Monaten passiert.

Lassen Sie das stärkste Kontrollinstrument des Parlaments deshalb weiterarbeiten! Las­sen Sie den Ibiza-Ausschuss am Leben! Gehen Sie nicht leichtfertig mit dem Kontrollins­trument der Demokratie um, drehen Sie es nicht ab (Abg. Eßl: ... Parlament!) – und nehmen Sie vor allem die 44 491 Personen ernst, die die Petition zur Verlängerung un­terzeichnet haben, stoßen Sie diese nicht vor den Kopf! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Stoßen Sie Demokratie und Aufklärung nicht weiter vor den Kopf! Wir geben Ihnen heute, werte Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP und von den Grünen, eine weitere Chance, Ihren Respekt dem Haus gegenüber zu zeigen. Stimmen Sie der Verlängerung zu! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Eßl. – Abg. Mi­chael Hammer: ... die Verlängerung!)

22.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Fürlinger. – Bitte.