12.51

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren zu Hause! Ich möchte mich auch einmal bei den Herren Verfahrensrichtern, dem Herrn Verfahrensanwalt, der Verfahrens­anwältin, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments – auch in der Regis­tratur – und auch bei allen Kolleginnen und Kollegen, die sich kollegial verhalten – das sind sehr viele –, bedanken.

Der Ibiza-Untersuchungsausschuss: Wir haben gewusst, egal, welchen Titel wir als SPÖ und NEOS wählen, er wird Ibiza-Untersuchungsausschuss heißen. Wir erinnern uns aber heute daran, dass unser Titel eigentlich „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ war. Wichtig war uns eben, folgender Frage nachzugehen: Gab es in dieser Phase, unter der Regierung Kurz I, ein politisches System für Korruption? Gab es Machtmissbrauch? Wir erachteten es nämlich als unsere politische Verantwortung, dieser Frage nachzugehen, aber aufgrund unserer Erfahrungen mit dem System Pilnacek auch der Frage, ob in politisch brisanten Strafverfahren, in denen die ÖVP insbesondere in den Fokus gerät, auch wirklich unabhängig und effizient ermittelt werden kann. Diesen Fragen wollten wir nachgehen. Die ÖVP wollte das irgendwie nicht so, und ihre Taktik war demnach: verhindern, verzögern, verschleppen und eigentlich auch verwirren, was sie aufgrund der mangelnden Öffentlichkeit des Untersuchungsausschusses, die wir weiterhin fordern, kann. Das muss geändert werden.

Sichtbar für alle waren in den Fernsehbeiträgen die Bilder von den Akten, die uns irgendwann, nachdem leider der Verfassungsgerichtshof und der Bundespräsident hatten tätig werden müssen, Finanzminister Blümel in Kisten geliefert hat – das heißt, bis zum Ende rechtswidrig zu hoch klassifiziert in einer Form, mit der wir nicht arbeiten können.

Nicht so sichtbar – leider noch immer – waren die Behinderungen, die wir im U-Aus­schuss erlebt haben, insbesondere meistens vonseiten der ÖVP in Form von Auskunftsper­so­nen. Wir erinnern uns als schlimmstes Beispiel zum Schluss an die zweite Befragung von Kanzler Kurz, der so ausschweifend antworten durfte, dass weder die Fraktion des eige­nen Koalitionspartners, die Grünen, noch wir eine einzige Frage an den Kanzler stellen durften. Ich erinnere auch an Wolfgang Sobotka als Vorsitzenden. Dabei ist die Frage offen, wie wir das im nächsten U-Ausschuss handhaben.

Trotz der Störungen können wir mit Fug und Recht sagen, dass das einer der erfolg­reichsten U-Ausschüsse der letzten Jahrzehnte war. Nicht nur die Erkenntnisse waren enorm, sondern auch die direkten Konsequenzen während des U-Ausschusses. Eine Erkenntnis war ganz klar: dass es in der Regierung Kurz I zwar immer das Propagieren des neuen Stils und des Anstandes gab, aber sehr wohl ein Geben und Nehmen bei Gesetzgebung und Postenvergaben gegeben war, zum Beispiel bei Gesetzesänderun­gen. Da ist klar: Es wurden Gesetzesänderungen ganz im Interesse der Novomatic angedacht, und andererseits gab es Geldflüsse vonseiten der Novomatic in das Umfeld der großen Parteien, insbesondere der ÖVP, und da zum Beispiel an das Alois-Mock-Institut. Auch der Verfahrensrichter hat in seinem Bericht klar ausgesprochen, dass er das als Maßnahme der Novomatic sieht, um in dieser Situation günstig zu stimmen, für den Fall, dass man bei zukünftigen Maßnahmen im Glücksspielbereich Interesse hat.

Dann kamen im U-Ausschuss noch persönliche Verflechtungen zwischen Novomatic-Vertretern und der ÖVP bis hin zum Vorsitzenden Sobotka heraus, der ja ganz klar meinte, es ist nun einmal so, dass das Land Niederösterreich die Novomatic darin berät, wo sie jeweils ihr Geld loswerden kann.

Manifestiert hat sich Gesetzeskauf aber auch beim Prikraf. Da gibt es schon einen Schuldspruch – noch nicht rechtskräftig – gegen H.-C. Strache. Offen ist aber, wie es mit der ÖVP und mit Ex-Finanzminister Löger steht.

Postenschacher war der zweite Punkt, der uns beschäftigt hat. Da kam es statt zu neuen, guten Verhältnissen mit neuem Stil wirklich zu ganz neuen, schlechten, türkisen. Bei der Postenbesetzung mit Thomas Schmid war nämlich der Kanzler persönlich in den Pro­zess involviert, durch den Schmid letztendlich erfolgreich als Alleinvorstand der Öbag installiert wurde. Das war wohl positiv für Thomas Schmid, aber sehr, sehr negativ für den Wirtschaftsstandort Österreich, und es war eine direkte Konsequenz des Untersuchungsausschusses, dass er letztendlich doch gehen musste. Es hat sehr, sehr viel Drucks aus dem Ausschuss bedurft.

Wir erfuhren aber auch sonstige Fälle von Postenschacher, und wir erfuhren auch, was das Wort Familie unter Türkis bedeutet. Wir erfuhren auch – jetzt Stichwort Justiz –, was die Familie zu tun bereit ist, um sich zu schützen. Wie sehr sie sich vor parlamentarischer Kontrolle schützen will, habe ich schon ausgeführt – sie versuchte zu verhindern –, aber sie versucht auch, Einfluss auf Ermittlungen, die sie in den Fokus geraten lassen könnten, zu nehmen. Deswegen gingen wir der Frage nach, ob es Zweiklassen­ermittlun­gen gibt, denn dass es die nicht gibt, macht ja eigentlich den Unterschied zwischen Demokratie und Rechtsstaat und einem autokratischen System aus, gerade wenn es gegen die Mächtigen geht.

Was mussten wir dann aber lesen? – Wer vorbereitet Gernot auf die Vernehmung?, schrieb Christian Pilnacek, und gemeint hat er Gernot Blümel. – Das ist nur ein Beispiel. Insgesamt hat sich durch die Akten, die wir im U-Ausschuss hatten, der Eindruck erhärtet, dass es ganz klar ist, dass eine Partei, nämlich die ÖVP, alles daran setzt und auch setzen kann, Ermittlungen gegen sich und die Ihren zu torpedieren und jene gegen Personen, die ihnen gefährlich werden könnten oder politisch nicht opportun sind, zu beschleunigen. Wir konnten auch als direkte Konsequenz des Ausschusses durch das Aufbrechen und Hinterfragen des Systems Pilnacek und dadurch, dass die Dreitages­berichtspflicht der WKStA an die Oberstaatsanwaltschaft abgeschafft wurde, diesen Ein­fluss reduzieren.

Wie soll das jetzt weitergehen? Ich finde es schon spannend, dass so wenige Kolle­ginnen und Kollegen vor mir konkrete Reformen, die sich nicht erst aufgrund dieser Ergebnisse ganz klar herausarbeiten ließen, angesprochen haben. Wir wussten doch schon vor Ibiza, aber auch seit dem Video und insbesondere jetzt nach dem U-Aus­schuss, dass es ganz klarer Reformen bedarf, damit mehr saubere Politik in diesem Land möglich wird.

Ich rede vom Unterbinden von intransparenten Geldflüssen an Parteien, von Maß­nah­men gegen Postenschacher und für eine starke Korruptionsbekämpfung in diesem Land, gerade wenn die Mächtigen im Fokus sind. Seit bald zwei Jahren haben wir eine neue Bundesregierung, die zwar versprochen hat, das System von Korruption, Posten­schacher und Intransparenz zu unterbinden, aber es ist nichts passiert. (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Letztendlich ist vor Kurzem auch Rechnungshofpräsidentin Kraker der Geduldsfaden gerissen, und sie hat einen sehr ungewöhnlichen Schritt angekündigt, nämlich einen eigenen Gesetzesvorschlag ins Parlament zu tragen. Diesen Vorstoß unterstützen wir natürlich und wollen auch da beschleunigend endlich etwas tun. Deshalb haben wir heute zwei Fristsetzungsanträge eingebracht: einen, damit der Rechnungshof endlich echte Prüfrechte bekommt, denn wenn er das, was politische Parteien ihm vorlegen, nur prüfen kann, ohne tiefer ins Detail gehen zu können, dann ist das ein Feigenblatt, und von Kontrolle ist keine Rede. Das muss geändert werden. Der andere wichtige Punkt ist für uns – wir erinnern uns an Ibiza –, dass parteinahe Vereine in Rechenschaftsberichten genannt werden müssen. – Das ist uns dringlich, das werden wir zur Abstimmung bringen.

Das Thema Postenschacher ist weiterhin offen. Da hat der Herr Bundeskanzler im Un­tersuchungsausschuss gemeint: Na ja, man kennt kein anderes System, deshalb behal­ten wir das, das wir haben.

Und man hat auch wahrlich nichts dazugelernt, nicht einmal in der Causa Thomas Schmid: Wie hat die Nachfolgerbestellung stattgefunden? – Hinter geschlossenen Türen im geheimen Kämmerlein, völlig intransparent und nicht nachvollziehbar.

Bezüglich anderer Posten in diesem Land: Was lernen denn die jungen Menschen, die sich jetzt trotz Corona bemühen, in der Schule Meter zu machen, in ihrer Ausbildung weiterzukommen, die sich für zukünftige Berufe qualifizieren wollen? – Die lernen weiterhin, wenn sie die Zeitung lesen, aus dem U-Ausschuss berichtet wird, dass nicht wichtig ist, was man kann, sondern wichtig ist, wen man kennt, und dass es wohl am besten ist, man tritt gleich der JVP bei oder erkundigt sich, wer Familie ist. – Das kann es ja nicht sein! Das würde Ihnen vielleicht gefallen, Herr Hanger, Sie lächeln ganz vergnügt, aber das ist nicht das, was wir als Fairness in diesem Land verstehen und für die nächste Generation wollen. (Beifall bei den NEOS.)

Die Kompetentesten müssten da überall zum Zug kommen, und deswegen fordern wir weiterhin die Einführung von öffentlichen Hearings, Ausschreibungsprozesse nach inter­nationalen Standards, was bedeutet, dass auch internationale Beratungsunternehmen involviert sind.

Jetzt komme ich zur Zukunft. Der Ausschuss hat klar gezeigt, dass man über politische Einflussnahme die Justiz in ihrer unabhängigen, effizienten Ermittlung aushungern oder unter Druck setzen kann. Ermittlungen können kleingehalten oder massiv beschleunigt werden, je nachdem, ob es gegen die Familie geht oder gegen nicht opportune andere Personen. Das darf es in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht geben. Es darf keine Zweiklassenermittlungen geben, wo es sich manche richten können. So würde ja der Rechtsstaat unterminiert werden und damit das Vertrauen der Menschen in unsere De­mokratie.

Ein System, das sich auf der einen Seite Posten und Macht zuschiebt und, wenn es brenzlig wird, Einfluss auf Ermittlungen nehmen kann, muss weiterhin in einem U-Ausschuss beleuchtet und aufgebrochen werden. Es braucht in den Ermittlungen, ge­rade gegen die Mächtigen, Unabhängigkeit und keine Politisierung der Exekutive, die der Justiz ja zuarbeitet. Wo es das gibt, gehört das beendet.

Sehr wichtig ist uns daher, hier für eine starke Korruptionsbekämpfung und gegen eine Zweiklassenermittlungsgesellschaft in diesem Land zu arbeiten, um in Zukunft Korrup­tion zu verhindern und den Rechtsstaat zu stärken. Das wird unser Fokus hier im Parla­ment sein, und alle draußen sind angehalten und eingeladen, das Antikorruptions­volksbegehren zu unterschreiben, das schon viel Widerhall gefunden hat, weil viele Menschen in diesem Land zu Recht die Sorge um unseren Rechtsstaat teilen. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

13.02

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Ernst Gödl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.