17.04

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Wertes Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Wenn wir vom chaotischen Pandemiemanagement reden, dann möchte ich sehr wohl noch einmal auf die Schulen eingehen, denn der Schulbeginn war ja keine Über­raschung. Es ist immer der erste Montag im September für den Osten, und im Westen ist es eine Woche später. Ich bin umso betroffener, da alles, wovor ich seit dem Frühjahr in Gesprächen, in Anträgen, in Reden gewarnt habe, wirklich eingetroffen ist – und es war noch viel schlimmer. Es wurden Tests nicht abgeholt, es war nicht voretikettiert, es kamen zu wenige oder gar keine Rückmeldungen, oder es gab überhaupt zu wenige Tests.

Es wurde mit der Gesundheit aller gespielt, und das obliegt sehr wohl der Verantwortung des Gesundheitsministers, der sich nun leider verabschieden musste. Der zweite Som­mer in Folge wurde verschlafen und die Verantwortung den Kindern und Jugendlichen und den Schulen gegenüber wurde wieder nicht ernst genommen. Es wäre Zeit genug gewesen, für 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler etwas vorzubereiten, das mit dem ersten Schultag funktioniert. Zwei Tage vor Schulbeginn wurden nämlich erst die Bundesländer, die Gemeinden und die Schulleiterinnen und Schulleiter darüber infor­miert, wie der erste Schultag zu sein hatte, und dann musste man einmal alles auf die Beine stellen. – Es hat dank der hoch engagierten Pädagoginnen und Pädagogen funk­tioniert, aber nicht dank des Bundesministers. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese kurze Informationszeit ist auch eine Minderwertschätzung all jener, die sich wirk­lich darum bemühen, dass Schule funktioniert, und die die Vorgaben umsetzen müssen, die weisungsgebunden sind. Noch dazu stehen sie ohne Unterstützungspersonal da, sie machen das zusätzlich zu ihren Aufgaben, und das fehlt natürlich bei der Unterrichtszeit.

Die Sicherheitsphase endet mit übermorgen, und es stellt sich die Frage, ob die kritische Phase jetzt tatsächlich vorbei ist oder ob nun die Unsicherheitsphase für die nächsten Wochen und Monate folgt, so wie es voriges Jahr war, sodass wir nach acht Wochen wieder ins Distancelearning rutschen. Das ist jetzt die Frage. Im Moment haben wir die Situation, dass bereits 10 000 Kinder in Quarantäne sind, und das hätte vermutlich ver­hindert werden können, wenn mein Vorschlag, dass die Kinder bereits vor dem Schul­beginn mit einer negativen PCR-Testung in die Schule kommen, angenommen worden wäre. Vieles wäre dann schon zu vermeiden gewesen, aber unsere Vorschläge werden niemals angenommen.

Kollegin Hamann, noch zu Ihrer Anmerkung über die Wiener Quarantäneschulen, also zu den Klassen, die in Quarantäne sind: Man muss schon sagen, dass Herr Bundes­minister Mückstein die Vorgaben betreffend die behördliche Vorgangsweise erst mit 15.9. ausgegeben hat (Abg. Leichtfried: Da schau her!) und die Schulen in Wien sich an die Vorgaben, die davor gegolten haben, gehalten haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Regierung hat es nicht geschafft, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen – das wäre die Aufgabe einer Regierung in einer solchen Zeit. Aufgrund des letzten Schuljahres und der fehlenden Sicherheit für den Herbst haben die Eltern das Vertrauen verloren. Das zeigen auch die Schulabmeldungen.

Fakt ist, die Kinder dürfen nicht für die Erwachsenen büßen. Im OECD-Vergleich haben wir wirklich viel zu viel Zeit in Distancelearning verbracht. Das darf sich nicht wieder­holen! Sie haben auf ganzer Linie versagt. Die Schadensbegrenzung hat nun zu erfolgen. Wir brauchen eine Sicherheitsphase, die länger als drei Wochen dauert. Wir brauchen Präsenzunterricht, und wir wissen nicht, wie sich dieses Virus verändert, des­wegen brauchen wir eine längere Sicherheitsphase.

Darum bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schul­chaos beenden und endlich für sichere Schulen sorgen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert alle nötigen Schritte zu setzen um das entstandene Schul­chaos zu beenden, für Planbarkeit zu sorgen sowie das Vertrauen in das Schulsystem wiederherzustellen. Die Sicherheit der SchülerInnen hat im Vordergrund zu stehen. Hierfür ist daher umgehend die COVID-19-Schulverordnung 2021/22 zu ändern und die derzeit noch laufende 3-wöchige Sicherheitsphase an den Schulen bis zumindest Ende des Wintersemesters zu verlängern, um das Infektionsgeschehen weiterhin im Blick zu behalten. Um Lehrer*innen von dem durch die notwendigen Corona-Maßnahmen entstandenen organisatorischen Mehraufwand zu entlasten, soll mehr administratives Unterstützungspersonal vom Bund finanziert und an allen Schulen bereitgestellt wer­den.“

*****

Dieser Antrag, der die Sicherheitsphase betrifft, betrifft die Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder. Mein Appell an Sie ist: Nehmen Sie diesen Antrag an und stimmen Sie zu! Mein Appell an die Regierung, an den Minister ist: Nehmen Sie die Bedürfnisse der Schulen und der Kinder und Jugendlichen ernst! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringliche Anfrage der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen, an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Schlechte Datenbasis, chaotisches Pande­miemanagement, niedrige Impfquote. Was noch, Herr Minister?

betreffend Schulchaos beenden und endlich für sichere Schulen sorgen

Die Schulen sind noch nicht einmal drei Wochen offen, doch alles was bisher an den Schulen zu beobachten ist, ist Chaos, Verwirrung, Frust. Die Bundesregierung hat zwar immer versprochen, dass Schulen offenbleiben müssen, doch bereits jetzt zeigt sich: der chaotische Schulstart des letzten Herbstes wiederholt sich, da die Regierung wieder den Sommer völlig verschlafen hat. Dabei ist der Schulstart keineswegs ein überraschendes Ereignis, auch, dass die Infektionszahlen im Sommer bzw. bis spätestens Herbst steigen werden und die Pandemie im Herbst sicher nicht vorbei sein wird, sollte niemanden überraschen. Außerdem war immer klar, dass rund die Hälfte der SchülerInnen unter 12 Jahren ist, und damit im Herbst noch nicht geimpft sein werden, weil es für sie noch garkeinen zugelassenen Impfstoff gibt.

Bei Kindern gilt das Motto „Hauptsache, es kostet nichts“, statt „koste es, was es wolle“

Umso überraschender ist es daher, dass die Bundesregierung sehenden Auges dieses Chaos verursacht hat. Der Plan für die Schulen wurde erst Anfang August präsentiert und musste bereits mehrmals geändert werden. Die angekündigten Luftfilteranalagen wurden immer noch nicht an alle Schulen ausgeliefert, für mehr als 55.000 Klassen wurden lediglich 4.000 Geräte bestellt, wohlgemerkt erfolgte die Bestellung erst im August (!), obwohl Expert*innen seit Ausbruch der Pandemie zu solchen Geräten im Klassenzimmer raten. Erst zwei Wochen nach Schulstart präsentierte der Gesundheits­minister Empfehlungen für den Vollzug der Quarantäneregeln durch die Gesundheits­behörden. Bis dahin wurden aber bereits mehr als 10.000 Kinder in Quarantäne ge­schickt. Die neue Regelung, dass nur noch Sitznachbarn in Quarantäne müssen, sehen viele Expert*innen skeptisch. Davon auszugehen, dass Kinder im Schulalltag lediglich Kontakt zum Sitznachbarn oder zur Sitznachbarin haben, ist genauso realitätsfremd wie die Annahme, dass sich für die Eltern auf Grund des vorgelegten Sicherheitskonzeptes die Betreuungsfrage für Kinder in Quarantäne gar nicht erst stellen wird. Die Sonder­betreuungszeit ließ der Arbeitsminister mit Ende Juli noch auslaufen und noch kurz vor Schulbeginn behauptete er, dass Eltern keinen Bedarf an so einer Maßnahme hätten. Zum Schulstart musste er auf SPÖ-Druck nun doch einlenken. Die Sonderbetreuung kommt auf unser Drängen zumindest rückwirkend mit Anfang September, was nach Wochen der Unsicherheit, gelinde gesagt, das Mindeste ist. Insgesamt wirkt der Plan halbherzig und unambitioniert. Es gäbe mittlerweile so viele Möglichkeiten für Corona-sicherere Schulen zu sorgen – Umstellung auf zumindest zweimal wöchentliche PCR-Testungen wie dies etwa bereits in Wien der Fall ist, oder der flächendeckende Einsatz von Luftfilteranlagen in jedem Klassenzimmer. Es ist nicht verständlich, wieso die Bun­desregierung hier an Stelle der besten, auf die billigsten Lösungen setzt. Bei der Wirt­schaft gilt ‚koste es, was es wolle‘. Bei unseren Kindern heißt es scheinbar ‚Hauptsache, es kostet nichts‘.

Von Sicherheits- in die Unsicherheitsphase

Halbherzig ist auch die ursprünglich für zwei Wochen angekündigte und mittlerweile auf drei Wochen ausgedehnte Sicherheitsphase, in der alle Schüler*innen ungeachtet ihres Impfstatut drei Mal wöchentlich getestet werden. Diese läuft in Wien, Niederösterreich und Burgenland mit nächster Woche aus. Abhängig von der 7-Tage-Inzidenz wird entweder freiwillig getestet (bei einem Wert von unter 100) oder nur noch die unge­impften Kinder getestet. Dabei sollten der Schutz und die Sicherheit aller Schüler*innen (vor allem natürlich jener Kinder, die unter 12 Jahren sind und sich noch nicht impfen lassen können) im Vordergrund stehen. Das Risiko geimpfter Kinder sich mit dem Coronavirus zu infizieren und andere Kinder anzustecken ist zwar geringer als bei ungeimpften Kindern, es ist aber klug auch hier auf Nummer sicher zu gehen und die Sicherheitsphase bis zumindest zum Ende des Wintersemesters, wenn nötig bis zum Ende des nächsten Schuljahres, zu verlängern und alle Kinder unabhängig vom Impf­status regelmäßig zu testen um flächendeckend einen guten Überblick über das Infek­tionsgeschehen zu behalten. Dies ist insbesondere auch im Hinblick auf möglicherweise neu auftretende Mutationen von besonderer Bedeutung. Noch dazu ist auf Grund der aktuellen Infektionszahlen keinesfalls davon auszugehen, dass die Schulen von alleine und ohne weiteren Maßnahmen plötzlich zu einem corona-sichereren Ort für Kinder werden würden.

Wir dürfen neben der Corona-Krise die Bildungskrise nicht vergessen

Außerdem dürfen wir nicht so tun, als hätte es Corona an den Schulen nie gegeben: viele Kinder haben mit Lernrückständen zu kämpfen, die psychische Belastung durch man­gelnde soziale Kontakte, die Überforderung der Eltern und die Bildungsschere sind enorm. Die Lehrerinnen und Lehrer haben daher alle Hände damit zu tun, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Derzeit sind sie aber auf Grund des Testchaos und anderer Corona-Maßnahmen zeitlich mehr mit administrativen Tätigkeiten be­schäftigt, als mit dem Unterrichten. Dafür sind Lehrerinnen und Lehrer aber eigentlich nicht da. Diese müssen daher dringend durch mehr Unterstützungspersonal von diesen Aufgaben entlastet werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert alle nötigen Schritte zu setzen um das entstandene Schul­chaos zu beenden, für Planbarkeit zu sorgen sowie das Vertrauen in das Schulsystem wiederherzustellen. Die Sicherheit der SchülerInnen hat im Vordergrund zu stehen. Hierfür ist daher umgehend die COVID-19-Schulverordnung 2021/22 zu ändern und die derzeit noch laufende 3-wöchige Sicherheitsphase an den Schulen bis zumindest Ende des Wintersemesters zu verlängern, um das Infektionsgeschehen weiterhin im Blick zu behalten. Um Lehrer*innen von dem durch die notwendigen Corona-Maßnahmen ent­standenen organisatorischen Mehraufwand zu entlasten, soll mehr administratives Un­terstützungspersonal vom Bund finanziert und an allen Schulen bereitgestellt werden.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.