15.51
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler, ich möchte nicht zu hart mit Ihnen sein – wenn Sie vielleicht kurz das Handy weglegen würden; das ist auch eine Parallele zu Ihrem Vorgänger –, ich möchte nicht zu hart mit Ihnen sein, weil Sie das anscheinend in der Regierung auch nie anders gelernt haben, aber in einer Rede 15-mal das Wort „gemeinsam“ zu verwenden und intern die Hackelschmeißerei in der Bundesregierung zu leben, das passt irgendwie nicht zusammen; auch wenn man Sie gestern im Fernsehen erlebt hat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)
Da kann man auch 100 000-mal Plattitüden à la „gemeinsam“ vorbeten, aber was in den letzten Tagen in der Bundesregierung mitten in dieser Krise passiert ist, ist unwürdig und beschämend. Sie können auch 100-mal in einer Rede irgendetwas von faktenbasiert daherreden: Wenn dann die eigenen Beraterstäbe der Bundesregierung verunglimpft werden, wenn es Leute wie Herrn Landeshauptmann Haslauer gibt, der sich in einer unanständigen Art und Weise gegenüber der Wissenschaft geäußert hat, während Sie von faktenbasiert reden und Ihre eigenen Beraterstäbe völlig anderer Meinung sind, dann passt das, Herr Bundeskanzler, hinten und vorne nicht zusammen. Da können Sie 100-mal von faktenbasiert sprechen. Vielleicht wäre es Ihnen auch gut angestanden, ein bisschen mehr auf die Wissenschaft zu hören und ein bisschen weniger auf Frau Köstinger – dann wären wir alle miteinander nicht in diesem Schlamassel. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)
Die nächste Kollegin, von der ich sagen muss: Irgendetwas passt hier in diesem Hohen Haus anscheinend in der Krise nicht mehr!, ist Frau Kollegin Belakowitsch. Ich wünsche Herbert Kickl persönlich alles Gute und gute Besserung, aber in einer Rede irgendwelche komischen Vergleiche zu bringen, dass Herbert Kickl eigentlich so etwas wie Ignaz Semmelweis oder ein Albert Einstein des 21. Jahrhunderts sei? – Nein, das ist er ganz, ganz sicher nicht! Er weiß ja selbst, dass er einen Topfen daherredet. Er weiß es ja selbst. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Ihr habt Panik vor irgendwelchen Impfgegnern von der MFG, deswegen erzählt ihr Geschichten, die hinten und vorne nicht stimmen: von Wurmmitteln für Pferde oder für Kühe, was wir heute alles gehört haben, und von irgendwelchen Bitterstoffen. Ihr wisst ja selbst, dass das ein Topfen ist. Alle miteinander wisst ihr es. (Abg. Hauser: Du redest so einen Blödsinn ...! – Ruf bei der FPÖ: Jetzt hast du so gut angefangen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Das ist leider das Unanständige in der Krise: Herbert Kickl auf der einen Seite, der genau weiß, dass es in Österreich ein desaströses Krisenmanagement gibt, und Sebastian Kurz auf der anderen Seite, der uns erzählt hat, er sei so etwas wie der Messias, der sich im Sommer hat plakatieren lassen – er hat gesagt, er hat die Pandemie gemeistert – und der uns erzählt hat, es komme eine coole Zeit auf uns zu. Ich sage offen, das ist beides gleich schäbig für ehemals staatstragende Parteien – egal ob ÖVP oder FPÖ. Das ist kein Weg aus der Krise. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)
Ihr spielt für ein paar Tausend Wählerstimmen mit Menschenleben. Das wisst ihr alle miteinander ganz genau. Kurz und Kickl, diese Politik bringt uns alle miteinander nicht weiter. Da könnt ihr 100 000-mal einen Dringlichen Antrag einbringen, das ist einfach nur unanständig. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Nur ein Punkt – weil das heute auch vom Bundeskanzler gekommen ist und Sebastian Kurz uns ja die Geschichte erzählt hat: Wir sind so super aus dieser Krise gekommen! – Das zweite Mal hintereinander – das zweite Mal hintereinander! – liegt Österreich weltweit an der Spitze in Bezug auf die Zahl der Neuinfektionen. Das muss man in einem starken Land wie Österreich mit so tollen Menschen einmal zusammenbringen, das Gesundheitssystem so herunterzufahren. Wir sind ja nicht Dschibuti, wir sind Österreich, und wir hätten es schaffen können, deutlich besser aus der Krise hervorzukommen, das wäre möglich gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)
Es war aber Sebastian Kurz den ganzen Sommer über wichtiger, dass die Plakatständer aufgestellt worden sind, von denen er heruntergelacht hat. Ein paar Monate vorher ist er in Vorarlberg spazieren gegangen und hat sich bewerben lassen, und in diesem Sommer hat er Plakate aufgestellt. Wichtiger als gutes Krisenmanagement war ihm, dass er von den Plakaten heruntergrinst. Und dann stellen sich Leute wie Herr Stelzer hin und sagen, sie seien völlig überrascht, sie hätten nicht gewusst, was da auf sie zukommt!
Vor Wochen haben die Expertinnen und Experten bereits gewarnt, und die ÖVP hat nichts getan. Die ÖVP, die ach so staatstragende Partei, hat nichts getan. – Ihr alle habt geschwiegen, weil euch die Landtagswahl in Oberösterreich wichtiger war. Ihr alle habt geschwiegen, als die Wissenschaft beleidigt worden ist. Das ist die neue Volkspartei: Hände falten, Goschen halten! Das habt ihr euch bewahrt. (Beifall bei der SPÖ.) Anstatt dass ihr die Krise meistert, macht ihr Marketing-Blabla und vergesst, dass es da wirklich um Menschenleben geht, dass es um Existenzen geht, dass es um die Wirtschaft geht und dass es um Österreich geht.
Es kann nicht sein, dass das Krisenmanagement in Österreich immer im Desaster endet. Viele, viele andere Staaten zeigen uns vor, dass es deutlich, deutlich besser möglich ist, aber das ist Krisenmanagement der Marke ÖVP. Deswegen: Reißt euch zusammen! Serviert Kurz ab, wenn er im Hintergrund noch intrigiert, haut auf den Tisch und schaut, dass ihr in der Bundesregierung weniger streitet und endlich das Krisenmanagement in den Vordergrund stellt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Baumgartner: Jetzt schrei net so!)
15.56
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.