10.57
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist schon beachtlich: Unsere Bundesregierung plant für das Jahr 2022 ein Budgetdefizit von 22,5 Milliarden Euro. Das Gesundheitsbudget ist zwar mit über 3 Milliarden Euro groß wie selten zuvor, allerdings schafft es die Bundesregierung erneut nicht, entsprechende Schwerpunkte zu setzen, weder für die Krisenbewältigung noch für die strukturelle Veränderung, die im Gesundheitsbereich so dringend notwendig wäre. Da ähnelt der Gesundheitsbereich dem Pflegebereich, bei dem ein leeres Versprechen dem anderen folgt.
Lassen Sie mich zu den Zahlen im Detail kommen! Die größte Budgetposition im Gesundheitshaushalt ist der Covid-19-Krisenbewältigungsfonds beziehungsweise Mittel daraus. Diese Mittel sinken von knapp 2 Milliarden Euro um ein Drittel auf knapp 1,3 Milliarden Euro; während fast alle Leistungen, die da vorgesehen sind, von Testungen über Schutzausrüstung bis zu Kosten für Epidemieärzte und Ähnliches Pi mal Daumen halbiert werden, gibt es nur eine Position, für die signifikant mehr Geld ausgegeben wird, nämlich über 120 Millionen Euro mehr, und das ist die Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen.
Jetzt kann man zu Impfungen stehen, wie man möchte, wir wissen aber vom Herrn Bundesminister, dass wir aktuell knapp fünf Millionen Impfdosen in Österreich lagernd haben und dass für das nächste Jahr die Verschenkung von Covid-Impfstoffen in der Größenordnung von 100 Millionen Euro geplant ist.
Wie das zusammenpasst, muss mir jemand erklären. Vielleicht liegt es daran, dass diese Impfstoffe nur eine begrenzte Haltbarkeit haben und die Impfstoffe, die wir jetzt lagernd haben, nächstes Jahr gar nicht mehr verwendet werden können. Wir werden das im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage noch herausbekommen.
Grundsätzlich stellt sich mir da aber schon die Frage, warum Österreich auf dem Weltmarkt Impfstoffe aufkauft, die es offensichtlich selber gar nicht benötigt, gleichzeitig aber die internationale Solidarität schädigt, so wie WHO-Chef Tedros gesagt hat: Reiche Industriestaaten mit über 40 Prozent Durchimpfungsraten sollten die Covid-Impfstoffkäufe einstellen, damit auch die armen Länder dieser Welt einmal zu Impfstoffkontingenten kommen. Wir in Österreich machen das anders. Wir kaufen die Impfstoffe teuer auf und verschenken sie hinterher. Ich erkenne die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens leider nicht. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Bezeichnend ist auch, dass im Rahmen der gesamten Ausgaben, die im Covid-19-Krisenbewältigungsfonds vorgesehen sind, kein einziger Euro für eine personelle Aufstockung oder Kapazitätserhöhung in den Krankenanstalten vorgesehen ist. Warum ist das so problematisch? Ein zweiter wesentlicher Budgetposten im Gesundheitsbudget ist die Krankenanstaltenfinanzierung, der Finanzierungsbeitrag an die Länder. Kollege Schallmeiner hat es schon angesprochen: Ja, im Vergleich zum Vorjahr gibt es da eine signifikante Steigerung. Das beruht nämlich darauf, dass dieser Budgetansatz ausschließlich auf den Konjunkturprognosen beruht, weil es da um einen Prozentsatz der Mehrwertsteuereinnahmen geht. Da ist eine Steigerung auf wieder ungefähr 800 Millionen Euro vorgesehen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, trifft aber erstens nur zu, wenn eine entsprechend positive Konjunkturentwicklung im nächsten Jahr tatsächlich stattfindet, was in der Höhe, wie sie die Bundesregierung plant, mehr als fragwürdig ist.
Und zweitens ist das ja nur eine Rückkehr auf das Normalniveau, wie wir es in Vorkrisenzeiten hatten. Die über 300 Millionen Euro, die den Ländern an zweckgebundenen Mitteln aus den letzten beiden Jahren – 2020 und 2021 – fehlen, ersetzt die Bundesregierung noch immer nicht. Deshalb ist in weiterer Folge die Konsequenz, dass wir einen Personalmangel in den Spitälern haben, dass da offensichtlich nicht ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sind, um zusätzliches Personal einzustellen, um Überstunden zu bezahlen, um Menschen dort länger in Beschäftigung zu halten und Reservekapazitäten zu bilden, die wir genau in diesem Moment in den Spitälern brauchen würden.
Ich möchte einen Artikel zitieren, den ich heute gelesen habe. Da wurde eine Krankenschwester, die auf einer Intensivstation arbeitet, zitiert – Sie bringen ja auch immer Beispiele von einzelnen überlasteten Stationen, und ich weiß, dass es die gibt und möchte das auch zitieren. Diese Intensivpflegerin sagt, jeder bei ihr in der Abteilung hat schon weit mehr als 140 Überstunden stehen und sie muss ständig Vertretungen machen und einspringen.
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man den Ländern das Geld nicht gibt, damit sie zusätzliches Personal beschäftigen und Überstunden ausbezahlen können, dann kommt genau so etwas raus. Das ist eine Politik auf dem Rücken der Beschäftigten im Gesundheitswesen und kein proaktives Management. Da wäre es dringend notwendig, dass zusätzliche Mittel gezahlt werden. Das haben wir bereits letztes Jahr im Rahmen der Budgetdebatte gefordert, aber es ist von Ihnen ignoriert worden. Damals ist noch Ihr Amtsvorgänger Anschober dagesessen. Heuer wird es wieder maßlos ignoriert: Es gibt keine zusätzlichen Mittel für die Krankenanstaltenfinanzierung und für das Personal in diesem Bereich.
Das Ganze wird ja noch multipliziert dadurch, dass nicht nur der Krankenanstaltenfinanzierungsbeitrag in den letzten drei Jahren ein Defizit von 300 Millionen Euro aufgewiesen hat, sondern der gesamte Bundesbeitragsanteil für die Länder in den letzten beiden Jahren um 8 Milliarden Euro niedriger war, als das kalkulatorisch notwendig gewesen wäre. Das heißt, die Länder sitzen auf einem Riesendefizit. Der Bund gibt zwar Milliarden für alles Mögliche aus, aber nicht für die Länder und die Krankenanstaltenfinanzierung. Das ist ein Riesenfehler, gerade in einer Situation, wie wir sie jetzt haben.
Auf einen weiteren Punkt möchte ich noch eingehen, das sind die 600 Millionen Euro, die für 2022 budgetiert sind, die Kollege Schallmeiner auch angeführt hat, die ja ein wesentlicher Grund dafür sind, dass das Gesundheitsbudget überhaupt noch auf der Höhe ist, auf der es ist. Diese 600 Millionen Euro stehen dem Gesundheitssystem übrigens in keiner Weise zusätzlich zur Verfügung, sondern sind ein Kostenersatz für Einnahmenausfälle, die über die ökoasoziale Steuerreform erfolgen werden. Das sind für nächstes Jahr 600 Millionen Euro, ab übernächstem Jahr sind es knapp 1,3 Milliarden Euro Einnahmenentfall pro Jahr für die Sozialversicherungen.
Jetzt kann man sagen, ja, gut, es gibt ja die Lohnnebenkostensenkung für geringe Einkommen. Ja, das ist ein durchaus hehres Ziel, aber diese Gelder fehlen den Sozialversicherungen ja mittel- und langfristig, denn eine budgetäre, gesetzliche Bedeckung dieser Abgänge findet nur bis 2025 statt, und wie es danach weitergeht, weiß niemand. Im schlimmsten Fall kommt es dann zu entsprechend starken Leistungseinschränkungen im Bereich der Sozialversicherung. Das kann doch niemand von uns wollen!
Nicht nur in den Spitälern, sondern wie gesagt auch im Sozialversicherungsbereich und niedergelassenen Bereich, der über diese finanziert wird, ergeben sich somit große Defizite; da findet im Rahmen dieses Budgetvorschlags in keiner Weise eine aktive Dotierung statt. Wir sind der Meinung, dass sowohl für den Spitalsbereich als auch für den niedergelassenen Bereich viel mehr getan hätte werden müssen und auch jetzt noch getan werden muss.
Damit auch die Versorgung im niedergelassenen Bereich in Zukunft besser und flächendeckend im Sinne der Qualitätsstrategie für das österreichische Gesundheitswesen funktioniert, bringe ich noch folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend den Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“
*****
Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
11.05
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm, Rosa Ecker, Mag. Gerald Hauser
und weiterer Abgeordneter
betreffend Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum
eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 4) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) (UG 24 Gesundheit) in der 129. Sitzung des Nationalrats am 17. November 2021
Die Gesundheitsversorgung stellt eine der größten gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen dar. Besonders im ländlichen Raum ist in den letzten Jahren die Problematik der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an medizinischer Versorgung und dahingehend eines Fach- und Allgemeinärztemangels stetig gestiegen. Das hat jüngst auch ein Rechnungshofbericht zu Tage gebracht.
Besonders vom Ärztemangel betroffen sind Kassenplanstellen. „Demnach sind mit Stand Ende des zweiten Quartals 2019 österreichweit 59 Kassenplanstellen für Fachärzte sowie 94 Kassenplanstellen im Bereich Allgemeinmedizin unbesetzt. Diese Entwicklung wird sich in der Zukunft weiter intensivieren. Im Besonderen wird davon der ländliche Raum betroffen sein. Dieser Umstand ist einerseits der Altersstruktur von niedergelassenen Ärzten und andererseits den faktischen Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven von angehenden niedergelassenen Ärzten geschuldet.“1
Studien belegen, dass ein Großteil der Studierenden der Humanmedizin in Österreich später nicht als niedergelassener Arzt in der Allgemeinmedizin tätig sein möchte. Gründe dafür sind „ein nicht facharztäquivalentes Gehalt, die zu geringe Zeit für Patienten, zu strenge Vorgaben seitens der Krankenversicherungsträger und die mangelnde Abrechenbarkeit von Leistungen“.1
Das zentrale Planungsinstrument für die integrative Versorgungsplanung auf Bundesebene ist in Österreich der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG). Er ist ebenso Bestandteil der Zielsteuerung-Gesundheit. „Mit dem ÖSG wird sichergestellt, dass Gesundheitsversorgung in Österreich ausgewogen verteilt und gut erreichbar ist und in vergleichbarer Qualität auf hohem Niveau angeboten wird.“2
„Der ÖSG stellt zudem die Grundlage für die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) dar, die vom jeweiligen Land und den zuständigen Sozialversicherungsträgern vereinbart werden und die Versorgung im Detail regeln.“3
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer sind für die Erfüllung des Strukturplans Gesundheit verantwortlich und haben dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen Planstellen so attraktiv wie möglich gestaltet werden, damit diese auch besetzt werden können. Nur so kann eine ausreichende ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt werden. Derzeit kommen GKK und Ärztekammer ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag jedoch nicht nach. Dementsprechend sind von Bundesebene umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich zu besetzen, dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegen zu wirken und eine mögliche medizinische Unterversorgung der Bevölkerung in jedem Fall zu verhindern.
Auch die Anfang September 2021 veröffentlichte Ersuchensprüfung des Rechnungshofes zur ärztlichen Versorgung bestätigt die vorliegenden Mängel: In Österreich sind rund 4,6 Prozent der Planstellen unbesetzt. Die Maßnahmen zu unbesetzten Planstellen sind laut Rechnungshof uneinheitlich. Es werden Stellen zum Teil bewusst nicht besetzt und freigehalten. Es fehlt ein sektorenübergreifendes, bundesweites Monitoring der Öffnungszeiten und das Ziel der Errichtung von 75 Primärversorgungseinheiten bis Ende 2021 wird voraussichtlich nicht erreicht werden. Der Rechnungshof empfiehlt daher eine Strategie zur Besetzung von Planstellen, dazu gezielte Maßnahmen und diese nach regionalen Bedürfnissen anzuwenden.4
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend den Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“
1. Vgl. Bundeswettbewerbsbehörde: Branchenuntersuchung Gesundheit Teil II: Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum (https://www.bwb.gv.at/fileadmin/user_upload/PDFs/bf_Branchenuntersuchung_Gesundheit_DE.pdf)
2. https://goeg.at/OESG
3. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Gesundheitssystem/Gesundheitssystem-und-Qualitaetssicherung/Planung-und-spezielle-Versorgungsbereiche/Der-Österreichische-Strukturplan-Gesundheit-–-ÖSG-2017.html
4. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/Planstellen_unbesetzt.html
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.