11.20

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! ÖVP-Regierungsmitglieder behaupten seit dem Sommer 2020, vor allem in den Frühjahrs- und Sommermonaten, die Coronapandemie sei schon vorbei. Offensichtlich verschließt die Bundesregierung die Augen vor den Tat­sachen und Fakten und handelt – wie wir leider Gottes heute wieder sehen, 14 000 Neu­infektionen wurden gemeldet – einfach zu spät. Wir schlittern von einer Infektionswelle in die nächste und man hat so das Gefühl, die Bundesregierung arbeitet immer von ei­nem Moment auf den anderen und denkt dabei gar nicht an die Zukunft.

Ungefähr so kommt uns auch das Gesundheitsbudget vor. Wir wissen jetzt, dass in den nächsten zehn Jahren aufgrund von Pensionierungen dringend neue Ärztinnen und Ärz­te gebraucht werden, um unser Gesundheitssystem, das wir bisher kennen, so gut auf­rechterhalten zu können. Die Bevölkerung hat ein hohes Vertrauen in unser Gesund­heitssystem und vor allem auch in die Sozialversicherung, denn das Sachleistungsprin­zip, dass ich zum Arzt gehe und die Leistungen bekomme, ist ein zentrales Thema in Österreich bei der Gesundheitsversorgung.

Jetzt ist es natürlich schon interessant, dass sich die ÖVP bezüglich Leistungsharmo­nisierungen da rausmanövrieren will, dass sie sagt: Nein, nein, die Zweiklassenmedizin wollten wir eh nicht abschaffen, die wollen wir jetzt noch einzementieren!, so wie Abge­ordnete Schwarz, die gemeint hat, nur die ÖGK-Versicherten sollen eine einheitliche Leistung kriegen, aber die Beamten und die Selbstständigen können schon bessere Leistungen bekommen. (Beifall bei der SPÖ.) Da sieht man wieder die Wertigkeit, denn im Endeffekt geht es eben um die Finanzen: Welcher Versicherte ist mehr oder weniger wert?

Auch von der Patientenmilliarde, die ja immer sehr stark propagiert worden ist und wo behauptet wurde, was man alles durch die Sozialversicherungsreform einsparen wer­de – wir haben immer gesagt, das ist eine Zerschlagung der Sozialversicherung –, hört man gar nichts mehr. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Diese Milliarde war leider ein Mär­chen, das haben wir von Anfang an gesagt und das bestätigt sich auch jetzt noch immer, sie ist inexistent.

Wir könnten aber mehr Geld im Gesundheitssystem gut gebrauchen, denn was passiert denn mit dem niedergelassenen Bereich? Immer mehr Ärztinnen und Ärzte gehen in Pension, das ist ihr gutes Recht, das Problem ist aber, dass wir jetzt nicht nur eine Zwei­klassengesellschaft bei den Leistungen haben, sondern auch das Stadt-Land-Gefälle schon ein großes Problem ist, dass es Regionen gibt, wo es weder fachärztliche Versor­gung noch kassenvertragliche allgemeinmedizinische Versorgung gibt. Da ist Handlung auch extrem notwendig und da kann man nicht sagen, wir machen Projekte und schau­en, wann es dann möglich ist.

Auch im Spitalsbereich ist es inzwischen fünf nach zwölf – um wieder auf diese Aktion von voriger Woche aufmerksam zu machen –, da nach einer Umfrage jeder zweite Arzt daran denkt, dem Spital den Rücken zu kehren. Wahlärzte sind ja nach wie vor sehr attraktive Posten, denn da kann man verlangen, was man will, und kann sich auch sein Leben sehr gut einteilen.

Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „medizinische Versorgungsoffensive“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort ein Maßnahmenpaket umzusetzen, das eine ausreichende medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung durch insbesondere folgende Inhalte sicherstellt:

- Verdoppelung der Medizinstudienplätze in Österreich, die daran geknüpft werden, nach Abschluss der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitsbereich und/oder im Sachleis­tungsbereich (Kassenvertragsstelle) für eine bestimmte Zeit tätig zu sein

- Ausstattung der Universitäten mit den dafür erforderlichen Budgets

- Kassenverträge für alle ÄrztInnen, die einen Vertrag wollen

- Aufwertung der HausärztInnen

- weniger Belastung von SpitalsärztInnen z.B. durch Delegierung von Tätigkeiten an das Gesundheitspersonal und

- Schaffung besserer Arbeitsbedingungen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Genossinnen und Genossen betreffend medizinische Versor­gungsoffensive

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) – UG 24 Gesundheit

In den nächsten zehn Jahren ist aufgrund der Altersstruktur mit einem Rückgang der besetzten Arztstellen um ca. 5,5 Prozent von aktuell rund 47.000 auf 44.400 im Jahr 2030 zu rechnen, so eine Studie der Simulationsforscher Nikolas Popper und Claire Rippinger im Auftrag der Bundeskurie niedergelassener Ärzte. Laut dieser Studie wirkt sich dieser Rückgang vor allem auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aus. Die Zahl der niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner falle bei den Kas­senärztinnen und Kassenärzten von 4.100 auf 3.450 und bei den Wahl- und Privat­ärztinnen und -ärzten von 4.500 auf 3.800. Danach bleiben die Zahlen konstant auf die­sem niedrigen Niveau. Im Facharztbereich seien die Fächer Augenheilkunde, Frauen­heilkunde, Innere Medizin und Urologie jeweils im Kassenbereich am stärksten be­troffen.

Auch eine Umfrage der Wr. Ärztekammer unter SpitalsärztInnen zeigt dramatische Er­gebnisse. 52 Prozent der SpitalsärztInnen haben demnach bereits überlegt, den Job zu wechseln bzw. zu kündigen, knapp ein Fünftel denkt darüber sogar oft oder sehr oft nach.

Wir brauchen pro Jahr mindestens 1.450 ÄrztInnen (um Status quo zu erhalten), wir haben aber nur 840. Es gäbe genug, man muss sie nur lassen: Über 16.000 junge Men­schen wollen pro Jahr ÄrztInnen werden, nur 1.680 bekommen einen Platz.

Gleichzeitig steuert Österreich ungebremst auf einen Ärztemangel zu und unser Ge­sundheitspersonal in den Spitälern ist aufgrund des bereits vorhandenen Personalman­gels einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Diese Arbeitsbelastung hat sich während der Corona-Krise massiv verschärft.

Die SPÖ schlug bereits in der Vergangenheit ein Bündel an Maßnahmen vor, mit dem Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal – ÄrztInnen und PflegerInnen – rasch umgesetzt werden könnten.

Insbesondere werden wir in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Ärzte brauchen. Es sollten daher auch mehr ÄrztInnen ausgebildet werden, indem man die Medizinstudien­plätze deutlich erhöht. Dazu muss die Bundesregierung den Universitäten aber auch die finanziellen Mittel einräumen.

Für alle ÄrztInnen, die im niedergelassenen Bereich tätig sind, oder es künftig sein wollen, soll in Zukunft die Möglichkeit offenstehen, einen Kassenvertrag zu erhalten. Un­abhängig vom bisherigen Stellenplan. Aufgrund der bevorstehenden Pensionierungs­welle ist die Sachleistungsversorgung der Bevölkerung gefährdet. Immer mehr muss auf WahlärztInnen ausgewichen werden, die sich aber nicht alle leisten können. Wir brauchen daher mehr KassenärztInnen, die auf Kosten der Krankenkassen Gesund­heitsleistungen erbringen. Durch die Öffnung des Zuganges zu Kassenverträgen kann hier Vorsorge getroffen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort ein Maßnahmenpaket umzusetzen, das eine ausreichende medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung durch insbesondere folgende Inhalte sicherstellt:

•     Verdoppelung der Medizinstudienplätze in Österreich, die daran geknüpft werden, nach Abschluss der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitsbereich und/oder im Sachleistungsbereich (Kassenvertragsstelle) für eine bestimmte Zeit tätig zu sein

•     Ausstattung der Universitäten mit den dafür erforderlichen Budgets

•     Kassenverträge für alle ÄrztInnen, die einen Vertrag wollen

•     Aufwertung der HausärztInnen

•     weniger Belastung von SpitalsärztInnen z.B. durch Delegierung von Tätigkeiten an das Gesundheitspersonal und

•     Schaffung besserer Arbeitsbedingungen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.