11.33

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten! Herr Bundesminister! Wir sprechen jetzt über das Budget für den Arbeitsmarkt, für den Bereich Arbeit, etwas, das also wirklich für jeden essenziell ist. Arbeiten ist, wie Kollege Gödl gesagt hat, sinnstiftend – auch! –, aber es ist natürlich auch die Existenzgrundlage. Insoweit muss es das gemeinsame Ziel sein – es ist eines der ganz wenigen Ziele, bei dem sich natürlich alle im Haus einig sind –, die Arbeitslosigkeit so gering wie möglich zu halten und so viele Personen wie möglich in tatsächlich auch adäquat bezahlte Jobs zu bringen. Das ist das gemeinsame Ziel. Die Zugänge sind natürlich immer ein bisschen unterschiedlich.

Wenn man sich allerdings dieses Arbeitsmarktbudget anschaut, muss man ehrlicherwei­se sagen, Herr Bundesminister, es ist wie ein normales Budget, es wirkt wie eine Fort­schreibung. Es wird nicht darauf Rücksicht genommen, dass es möglicherweise noch einmal zu einem Lockdown kommen kann. Sie haben das also einerseits weggescho­ben, auf der anderen Seite haben Sie den Passus drinnen, dass Sie per Verordnung das Budget für eventuelle Kurzarbeit erhöhen können.

Jetzt wissen wir natürlich: Das könnte ein Ententeich sein, wir werden aber vielleicht schon in wenigen Stunden wissen, was tatsächlich auf die Österreicherinnen und Öster­reicher zukommt. Das bedeutet aber auch gleichzeitig wieder – sollte es zu einem Lock­down kommen –, dass die von Ihnen ganz großartig angepriesene Vollbeschäftigung, die für fast 300 000 Personen im Land nicht spürbar ist, nicht erreicht wird, dass wir wieder eine sehr stark ansteigende Arbeitslosigkeit haben werden und viele Personen tatsächlich wieder aus dem Arbeitsmarkt rausgeworfen werden.

Das ist etwas, mit dem wir uns eigentlich nicht - - Wie soll ich sagen? Das will natürlich keiner, aber die Regierung hat ja keine anderen Rezepte in ihrer Coronapolitik als per­manente Lockdowns. Alles andere schiebt sie ja weg, das ist also offensichtlich der ein­zige Modus, den sie findet. Das führt halt schon zu großen Problemen, Herr Bundesmi­nister! In Ihrem Budget ist das eigentlich überhaupt nicht abgebildet, dass Sie damit rechnen, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigen könnte.

Mein Vorredner hat die Aktion Sprungbrett schon so gelobt. Da muss ich schon auch noch ein bisschen etwas dazu sagen: Ja, es sind jetzt einige Langzeitarbeitslose – es ist aber auch nicht die ganz große Anzahl – zum Glück in Beschäftigung gekommen. (Abg. Gödl: 34 000!) Jedem Einzelnen ist zu gratulieren. Ja, es ist schön, es sind über 30 000, aber es sind immer noch 115 000, die in der Langzeitarbeitslosigkeit sind, und wenn der nächste Lockdown kommt, werden es wieder mehr werden. Das ist einfach so.

Sie haben zwar für das Jahr 2022 250 Millionen Euro für diese Aktion Sprungbrett zur Verfügung gestellt, aber 2023 schaut es dann schon wieder mager aus, da sind es dann nur noch 50 Millionen Euro. (Abg. Gödl: Da kommt noch ...!) Das heißt, offensichtlich sind Sie bei der Planung davon ausgegangen, dass Sie das alles im Jahr 2022 erledigen werden. Darauf sind wir sehr gespannt. Ich glaube, es ist ein bisschen wenig ambitio­niert, was Sie da machen. Sie sollten das schon als ein Programm sehen, das Sie zu­mindest so lange laufen lassen, bis Sie diese Quote tatsächlich runtergedrückt haben, und zwar weit runter, also am besten eigentlich in einen vierstelligen Bereich. Das haben Sie nicht gemacht.

Oder auch die Coronajoboffensive: Da sind für das nächste Jahr 170 Millionen Euro veranschlagt. Das ist in Ordnung, allerdings ist 2023 diesbezüglich schon wieder ein Nullbudget. Das heißt, bei all dem, was Sie hier machen, planen Sie ganz kurzfristig, und dann muss eh alles wieder gut sein. Sie reagieren mit diesem Budget nicht auf die Herausforderungen, vor denen wir tatsächlich stehen. Sie ziehen permanent nur diese ganz optimistischen Wirtschaftsprognosen heran. Wir werden sehen: Das wird so wahr­scheinlich gar nicht halten.

Das ist das, was ich Ihnen schon zum Vorwurf machen muss, Herr Bundesminister! Sie müssen das doch im Hinterkopf haben, dass Sie bedenken, dass diese Pandemie eben nicht vorbei ist, dass es immer wieder Probleme in einzelnen Bereichen, auf dem ge­samten Arbeitsmarkt geben kann, überhaupt wenn Sie sich vor Augen halten, wie Sie und diese ganze Bundesregierung da jedes Mal reagieren und eigentlich auch nichts Ordentliches zusammenbringen.

Ein Punkt – der ist mir wirklich ein Anliegen, und das ist etwas Aktuelles –, für den Sie als Arbeitsminister auch verantwortlich sind: die Pflege in diesem Land. Sie sind verant­wortlich für die 24-Stunden-Pflege, das sind alles Arbeitnehmer. Wissen Sie, Herr Bun­desminister, wenn ich in den sozialen Medien sehe, wie Pfleger, die vor ihrem eigenen Krankenhaus gegen eine Impfpflicht auftreten, beschimpft werden, wie eine Landesrätin Ihrer Partei sich hinstellt und ungeimpfte Pfleger als Todesengel beschimpft, dann würde ich mir auch klare Worte erwarten, denn es sollte sich jeder Einzelne hier im Saal über­legen, ob er vielleicht gerade diese ungeimpfte Pflegerin eines Tages braucht. Wir wün­schen es niemandem, aber niemand weiß, ob er nicht einmal – aus welchen Gründen auch immer – in ein Krankenhaus muss, und dann sind es genau diese ungeimpften Pfleger, die Sie dann gesund pflegen, meine Damen und Herren. Die haben es sich nicht verdient, dass sie als Todesengel beschimpft werden, auch nicht von irgendwelchen Journalisten des Österreichischen Rundfunks, die müssen sich das nicht gefallen las­sen. Da würde ich mir schon auch manchmal klare Worte der Politik erwarten, aber da warte ich wahrscheinlich vergeblich.

Behalten Sie bei allen Maßnahmen, die Sie setzen, im Hinterkopf, was Sie damit aus­lösen können (Abg. Hörl: Sie sind der Engel des Unheils, Frau Doktor!), wenn Sie diesen Leuten die Daumenschrauben noch enger anziehen, denn dann sind wir wirklich beim Zusammenbruch des Gesundheitssystems!

Ich warne davor, dass wir dann auch noch die 24-Stunden-Kräfte, die ja zu einem Gutteil aus den östlichen Nachbarländern kommen, die entweder ungeimpft sind oder mit Impf­stoffen geimpft sind, die wir in Österreich nicht anerkennen, mit einer Impfpflicht belegen. (Abg. Hörl: Der gefallen Engel!) Wenn wir die alle vor den Kopf stoßen, weil wir ihnen sagen: Ihr müsst jetzt dieser Impfpflicht folgen, ihr seid quasi im Gesundheitsbereich tätig!, dann werden wir im Bereich der 24-Stunden-Betreuung ein ganz großes Problem kriegen, sehr geehrter Herr Bundesminister. – Das würde ich Ihnen als Arbeitsminister auch gerne mitgeben, weil Sie natürlich auch für Arbeitskräfte in diesem Bereich eine Verantwortung haben.

Und weil Sie es ja als Mitglied dieser Regierung auch in Kauf nehmen, dass dann viel­leicht auch Pfleger, die sich diesem Druck nicht beugen, weil sie die Impfung in dieser Art ablehnen, kündigen werden, sich kündigen lassen, und weil Sie Lockdowns planen, wird es auch wieder eine erhöhte Arbeitslosigkeit geben. Ich glaube, wir haben eine große Verantwortung diesen Menschen gegenüber, die Sie jetzt wieder mutwillig in die Arbeitslosigkeit schicken, und daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Er­höhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 30. Juni 2022 verlängert wird und zusätzlich ein ,COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale Antrag­stellung, ausgezahlt werden.

*****

Ich glaube, Sie haben auch für Menschen Verantwortung, die Sie mutwillig in die Arbeits­losigkeit treiben. (Beifall bei der FPÖ.)

11.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Mag. Christian Ragger,

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 4) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) (UG 20 Arbeit) in der 129. Sitzung des Nationalrats am 18. November 2021

Die von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gesetzten COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 haben massive negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, die Österreich die höchste Zahl an Arbeitslosen und die meisten Arbeitnehmer in Kurzarbeit seit 1945 beschert haben. Das bedeutet, dass zeitweise weit mehr als eine halbe Millionen Men­schen seit März 2020 mit lediglich 55 Prozent ihres letzten Nettogehalts ihre Lebenshal­tung (Nahrungsmittel, Wohn- und Betriebskosten usw.) bestreiten müssen. Die weit überwiegende Anzahl dieser betroffenen Arbeitslosen hat durch die COVID-19- Maß­nahmen der Bundesregierung den Arbeitsplatz verloren bzw. wurde der Chance beraubt, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit oder einer AMS-Aus-, Fort- und Weiterbildung wie­der in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Um dieser Gruppe von rund 500.000 Personen einen finanziellen Ausgleich für die Ar­beitsplatzvernichtung durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu ge­währleisten und damit ihr ökonomisches überleben abzusichern, ist aber eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes (inklusive Notstandshilfe) von 55 Prozent auf 70 Prozent dringend notwendig und auch volkswirtschaftspolitisch vernünftig. Dies ist durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe inklusive der Fami­lienzuschläge um 30 Prozent (entspricht einer Nettoersatzrate von 70 Prozent) umzu­setzen. Durch diese Nettorersatzratenerhöhung um 15 Prozentpunkte werden die Kauf­kraft und damit auch die innerösterreichische Konjunktur durch vermehrte Konsumaus­gaben gestärkt.

Dies führt wiederum zu vermehrten Einnahmen der Unternehmer, aber auch Steuerein­nahmen und schafft dadurch neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsplätze ab. Über die Sommermonate und nach Ende des dritten Lockdowns (2021) sind die Ar­beitslosenzahlen zwar kurzfristig wieder zurückgegangen, durch den vierten Lockdown werden die Arbeitslosenzahlen jedoch wohl bis Ende 2021/Anfang 2020 die arbeits­markpolitische „Schallmauer" von 500.000 Arbeitslosen wieder erreichen.

Demgegenüber sind die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der schwarz-grünen Bun­desregierung, die von Arbeitsminister Univ. Prof. Dr. Martin Kocher (ÖVP) und Sozial­minister Dr. Wolfgang Mückstein (Die Grünen) vorgestellt wurden, absolut untauglich. Die seit Mitte März 2020 durch Regierungsmaßnahmen bewusst produzierte Arbeitslo­sigkeit wird ignoriert, und man enthält den betroffenen Arbeitnehmern einen gerechten Ausgleich vor. Nun wird die Wirtschaft durch einen Lockdown wieder hinuntergefahren, es werden Arbeitsplätze vernichtet und die Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben. Durch eine sich massiv beschleunigende Inflationsentwicklung bei Grundnahrungsmit­teln, Energie- und Wohnungskosten sowie sonstigen Konsumgütern des täglichen Be­darfs sind zusätzlich hunderttausende Bürger armutsgefährdet. Dem könnte man mit dieser Nettoersatzratenerhöhung entgegentreten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen der Bezug der ak­tuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 30. Juni 2022 verlängert wird und zusätzlich ein „COVID-19-Ausgleich" für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale Antrag­stellung, ausgezahlt werden."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Markus Koza, Sie gelangen zu Wort. Bitte.