12.45

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Krieg ist Zerstörung, Krieg ist Töten und Morden, Krieg ist die schlimmste Form der Barbarei in unserer Zivilisation – von daher findet die SPÖ selbstverständlich klare Worte. Hier ist Russland der Aggressor, das Völkerrecht wird verletzt, die Schlussakte der KSZE, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, wird gebrochen und die UN-Charta ist mit diesem Vorgehen der russischen Regierung verletzt und gebrochen worden.

Wenn jetzt eine weitere Eskalation eintritt, wenn der russische Präsident Putin – wie ge­rade – mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, wenn sich jemand in der Ukraine ein­mischt, dann ist das eine weitere Form der Eskalation, die nicht hingenommen werden kann. Jetzt geht es darum, diese Eskalation in der Ukraine möglichst einzudämmen und alles daranzusetzen, dass die Völkergemeinschaft zusammensteht. Ich begrüße auch die mäßigenden Worte aus China. Nicht nur die westliche Welt, alle Länder, alle Stim­men der Vernunft haben auf den russischen Präsidenten einzuwirken, klare Zeichen zu setzen.

Ich halte Sanktionen meistens für nicht sehr effizient, aber ich stehe dazu: In dieser Situation – und das betrifft auch die Stilllegung von Nord Stream –, im Moment muss die Europäische Union eine klare Sprache finden. Frieden, Stabilität, Sicherheit: Das ist nicht nur die große Vision für Europa, das ist auch die außenpolitische Linie der SPÖ, aber Verhandlungen und Zureden ist im Moment zu wenig, man muss klare Zeichen setzen.

In dieser Situation geht es natürlich auch darum, Verantwortung für unser Land, für die Österreicher und Österreicherinnen zu zeigen. Was bedeutet die Ukrainekrise für die Österreicher und Österreicherinnen? – Da geht es natürlich um Sicherheit, viele Men­schen haben Angst, sind beunruhigt. Wenn Putin mit Atomwaffen droht, ist das natürlich eine ernste, eine todernste Bedrohung, die wir nicht hinnehmen können. Es geht aber auch um die Sicherheit der Energieversorgung. In diesem Sinne darf ich einen Entschlie­ßungsantrag der SPÖ einbringen und darf das auch begründen.

Nach der ersten und der zweiten Ukrainekrise, was die Energieversorgung betrifft, die russisch-ukrainische Energiekrise und die Versorgung auch von Österreich, nach diesen Gaskonflikten hat die österreichische Regierung – die österreichische Regierung unter Bundeskanzler Werner Faymann – gehandelt und die Kapazitäten der Erdgasreservela­gerung massiv ausgebaut. Allerdings: Die Speicherkapazitäten sind auf einem histori­schen Tiefstand. Ich habe hier eine Statistik (ein Blatt Papier mit Säulendiagrammen in die Höhe haltend) von 2019 bis 2022: Die Erdgasreserven belaufen sich auf 18 Prozent.

Die Energieministerin wäre hier drastisch aufgefordert, zu handeln. Dass die Grünen ein Problem mit fossilen Brennstoffen haben, ist klar, aber, Frau Gewessler, Sie sollten sich tatsächlich auch – und in der momentanen Situation brauchen wir noch fossile Brenn­stoffe – darum kümmern, dass diese Lager voll sind. Und wenn der Wirtschaftsministerin erst jetzt einfällt, dass wir uns um die Reserven kümmern und die Reserven aufstocken sollten, dann sage ich: Frau Wirtschaftsministerin von der ÖVP, wachen Sie aus Ihrem Tiefschlaf auf! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wachen Sie aus Ihrem Tiefschlaf auf! Jetzt die Erdgaslager zu füllen ist zu spät. Wir stehen in diesem Land vor einer Energiekrise. Ich darf daher einen Entschließungs­antrag seitens der SPÖ einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert,

- rasch wirksame Maßnahmen zur Absicherung der Energieversorgung im Allgemeinen und der Erdgasversorgung im Besonderen zu ergreifen,

- auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen zur Absicherung der Erdgasversor­gung nicht zu verhindern, sondern zu unterstützen,

- innerhalb von zwei Wochen eine Sitzung des Energielenkungsbeirats einzuberufen“.

*****

Ich ersuche um Zustimmung.

Abschließend noch Worte zur Neutralität: Jeder Schritt, der vonseiten Österreichs und der österreichischen Bundesregierung in dieser Situation gesetzt wird, muss mit der Ver­fassungsbestimmung betreffend die österreichische Neutralität abgestimmt sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die österreichische Neutralität ist nicht nur historische Erfahrung, Kollege Engelberg, die österreichische Neutralität hat nicht nur mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Österreich hat im Jahr 1914 keine rühmliche Rolle gespielt. Der Nachkriegsgeneration an Politikern, die diese Neutralität gemeinsam mit den vier Alliierten sozusagen verhandelt und damit – im Unterschied zu Deutschland – die nationale Einheit Österreichs gerettet hat, war das Jahr 1914 sehr, sehr bewusst. Das darf es nie wieder geben. Nie wieder Krieg! Nie wie­der Faschismus! Um mit einer großen, großartigen Österreicherin zu sprechen, mit Ber­tha von Suttner: „Die Waffen nieder!“ (Beifall bei der SPÖ.)

12.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried

Genossinnen und Genossen

betreffend Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung

eingebracht im Rahmen der Debatte über die Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine (TOP 1)

Stetiger Begleiter der Debatte um die Russland-Ukraine-Krise war und ist die Erdgasver­sorgung der Europäischen Union sowie auch Österreichs mit russischem Erdgas. Zwar sind die Erdölimporte der EU aus Russland in etwa gleich hoch wie die Gasimporte, aber in der öffentlichen Debatte steht vor allem die Erdgasversorgung und im Speziellen das Pipelineprojekt Nord Stream 2 im Vordergrund.

Österreich hat vor über 60 Jahre als erstes westeuropäisches Land langfristige Gaslie­ferverträge mit Russland abgeschlossen, die über alle politischen Krisen hinweg einge­halten wurden und im Jahr 2018 zuletzt erneuert wurden und bezieht derzeit rund 80 bis 85 Prozent der Erdgasimporte aus Russland.

Als Reaktion auf die russisch-ukrainischen Gaskonflikte der Jahre 2009 und 2014 wur­den die österreichischen Erdgasspeicherkapazitäten massiv ausgebaut und auch das EU-Regelwerk stärker auf solidarische Unterstützung im Krisenfall ausgerichtet. Österreich könnte mit den derzeitigen Speicherkapazitäten in etwa den Inlandsjahresbe­darf abdecken. Das allerdings unter der Voraussetzung, dass die Gasspeicher auch wirklich gefüllt sind, was aktuell nur in einem historisch niedrigen Ausmaß der Fall ist. Die österreichischen Gasspeicher sind derzeit nur zu 18 Prozent gefüllt, ein Wert der sonst nur nach einem langen kalten Winter erreicht wird.

Seitens der Bundesregierung wurde zwar wiederholt betont, dass unter normalen Bedin­gungen mit den derzeitigen Erdgasreserven bis zum Ende der Heizsaison das Auslan­gen zu finden sein sollte. So richtig glaubhaft waren diese Beteuerungen aber nicht. Konkrete Maßnahmen oder Pläne, wie eine solche Situation im nächsten Winter vermie­den werden kann, sind bislang ausgeblieben. Europäische Initiativen für eine gemein­same Erdgasbeschaffung hat die Bundesregierung bislang nicht unterstützt, sondern darauf vertraut, dass das der Markt schon irgendwie regeln wird. Die auf Grund der Klimakrise notwendige Ausrichtung hin zu einer dekarbonisierten Energieversorgung ohne fossile Energieträger ist unbestritten, dennoch sind gegenwärtig und mittelfristig Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgung notwendig.

Zur Abwendung drohender Störungen der Energieversorgung sind gemäß Energielen­kungsgesetz von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, In­novation und Technologie Maßnahmen der Energielenkung zu ergreifen. Dabei wird sie vom Energielenkungsbeirat unterstützt, der aber über die derzeitige Situation noch nicht beraten hat. Bei Gefahr im Verzug kann der Beirat im Nachhinein informiert werden. In der aktuellen Situation wäre es aber notwendig, den Beirat rechtzeitig zu befassen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert,

•     rasch wirksame Maßnahmen zur Absicherung der Energieversorgung im Allgemei­nen und der Erdgasversorgung im Besonderen zu ergreifen,

•     auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen zur Absicherung der Erdgasver­sorgung nicht zu verhindern, sondern zu unterstützen,

•     innerhalb von zwei Wochen eine Sitzung des Energielenkungsbeirats einzuberufen“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und auch ordnungsgemäß eingebracht.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.