10.26
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Es war jetzt schön, auf dem Weg hierher vielen Schulklassen zu begegnen, die das Hohe Haus besuchen. In diesem Sinne auch von mir als Bundeskanzler: Herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Sie sind hier nicht Gastgeber! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Letzte Woche war tatsächlich eine Woche, die von zahlreichen Veränderungen geprägt war. Elli Köstinger und Margarete Schramböck haben ihren Rücktritt erklärt (Abg. Belakowitsch: ... auf Facebook! A Wahnsinn!) und haben das auch nicht leichten Herzens gemacht. (Abg. Belakowitsch: Warum sind Sie geblieben?) Sie haben für sich selbst schwere Zeiten erlebt, haben mit vollem Einsatz in der Frage der Pandemie, der Krisen, die auf uns zukommen, ihre Ressorts vertreten und gekämpft. Von meiner Seite als Bundeskanzler ein großes Danke an Elli Köstinger und Margarete Schramböck für ihren Einsatz! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Jede Veränderung bringt auch Chancen für etwas Neues. Es ist wichtig und richtig, diese dann auch zu nutzen: Wir haben die Agenden der Ministerien neu geordnet, wir haben das zusammengefügt, was aus unserer Sicht zusammengehört, und aus meiner Sicht damit Klarheit, Struktur, Transparenz und Effizienz geschaffen.
Wir haben ein neues Ministerium für eine der größten Herausforderungen dieser Zeit, nämlich Arbeit und Wirtschaft. Martin Kocher steht an der Spitze von diesem. – Lieber Martin, danke dafür, dass du bereit bist, diese Verantwortung zu übernehmen!
Bezüglich Arbeit und Wirtschaft war in der Vergangenheit schon oft die Frage polarisierend, ob man daraus tatsächlich ein Ressort, ein Ministerium bilden soll, da es doch unterschiedliche Interessenlagen gibt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau aus diesem Grund ist es wichtig, das Thema Arbeit und Wirtschaft zusammenzuführen, denn für den Wirtschaftsstandort Österreich braucht es auf der einen Seite Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gut ausgebildet, die motiviert ihrer Arbeit nachgehen (Abg. Belakowitsch: Aha!), und auf der anderen Seite braucht es mutige Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereit sind, in den Wirtschaftsstandort Österreich zu investieren, unternehmerisches Risiko auf sich zu nehmen, durch ihr Tun Arbeitsplätze zu schaffen und damit in diesem Land für Wohlstand und Prosperität, also Wachstum, zu sorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Das Landwirtschaftsministerium an sich ist jetzt klarer strukturiert (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Scherak), es widmet sich vollumfänglich seinen Aufgaben. Die Frage, warum es das braucht, lässt sich leicht beantworten: Lebensmittelversorgungssicherheit ist gerade seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ein wesentliches Thema, nicht nur für uns in Österreich, sondern derzeit weltweit. Wir erleben gerade, dass Weizenexporte von großen produzierenden Ländern zurückgehalten werden. Der Weizen, die Ölsaaten, der Mais aus der Ukraine sind auf der einen Seite für die Lebensmittelversorgungssicherheit auf der ganzen Welt wichtig, vor allem in Nordafrika, Pakistan und Indien (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner), und auf der anderen Seite ist es genauso wichtig, dass in Österreich Lebensmittelversorgungssicherheit herrscht – das ist dank der Bäuerinnen und Bauern, dank der hohen Qualitätsstandards in der Produktion möglich –, und damit das auch so bleibt, braucht es einen erfahrenen Profi an der Spitze des Ministeriums. Das ist Norbert Totschnig. – Lieber Norbert, herzlich willkommen bei uns im Team! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Bei der Neuordnung der Agenden gibt es auch wieder mögliche neue Synergien. Wir haben ein Jugendstaatssekretariat im Bundeskanzleramt geschaffen – Claudia Plakolm führt dieses als Staatssekretärin. Sie nutzt diese Funktion, um in vielen Querschnittsbereichen die Jugendinteressen und -anliegen durchzusetzen und zu argumentieren und um dort, wo es wichtig ist, eben auch die Sichtweise derer zu hören, die unmittelbar betroffen sind. – Claudia, danke für diesen Einsatz!
Dazu kommt jetzt eben auch noch der große Themenbereich des Zivildienstes, der in das Jugendstaatssekretariat gehört und gut hineinpasst. Darüber hinaus braucht es aber eben auch den von dir getragenen Einsatz, wenn es darum geht, Arbeit, Bildung, Wissenschaft, all das, was junge Menschen in irgendeiner Form in ihrem Leben berührt, stark zu vertreten. Alles Gute dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Der Tourismus in Österreich: durch die Pandemie schwer geschüttelt und gleichzeitig ein wichtiger Arbeitgeber für den Arbeitsmarkt, wichtig für das Thema Innovation/Entwicklung, gerade auch im ländlichen Raum. Aber auch der Städtetourismus hat die letzten Jahre hindurch, auch durch die Beschränkungen, die international erlassen worden sind, massiv gelitten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hauser und Schmiedlechner.) Auch da braucht es eine Staatssekretärin, die sich jetzt mit Kompetenz und Sachverstand für genau die Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, die auch wiederum Arbeitsplätze schaffen, für Wohlstand in unserem Land sorgen, mit voller Kraft einsetzt. – Liebe Susanne Kraus-Winkler, herzlich willkommen in unserem Team! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Scherak.)
Der komplexe Bereich der Digitalisierung gehört fokussiert und zusammengeführt, und das ist jetzt durch ein Staatssekretariat im Finanzministerium möglich geworden. (Abg. Kickl: So sicher ist das noch nicht!) Das Bundesrechenzentrum ist dort angesiedelt, und das Thema Digitalisierung an sich ist ein allumfassendes. Es geht dabei nicht mehr nur um die Frage, wie der digitale Anschluss im ländlichen Raum erfolgt, sondern es geht dabei vor allem auch darum, was Digitalisierung im Bereich der Verwaltung bedeutet, was Digitalisierung bedeutet, wenn es darum geht, die Menschen zu entlasten und sich den neuen Herausforderungen in diesem Bereich tatsächlich zu stellen. – Lieber Florian Tursky, willkommen in unserem Team! Alles Gute für deine Aufgabe! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Brandstätter und Meinl-Reisinger.)
Veränderungen sind wie gesagt zugleich Chancen. Diese Chancen haben wir tatsächlich zu nutzen, denn die Herausforderungen durch den Krieg, durch die Teuerung, durch die Inflation sind noch lange nicht zu Ende. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass es neue Entlastungsmaßnahmen zu den bestehenden gibt – zwei Antiteuerungspakete sind mittlerweile beschlossen und auch im Umlauf –, wenn es darum geht, Menschen wegen der hohen Energiekosten zu entlasten – Gesamtvolumen: 4 Milliarden Euro. Ist das genug? (Ruf bei der SPÖ: Nein!) – Das kann man mit einem klaren Nein beantworten, weil Teuerung und Inflation dieses Jahr leider noch ein steter Begleiter sein werden und wir die Menschen auf diesem Weg begleiten müssen. Wir werden die Folgen dieser Teuerung und der Inflation nicht vollständig verhindern können, aber wir werden die Folgen so stark wie möglich lindern. Das ist unser gemeinsamer Anspruch, das ist Aufgabe und Verpflichtung.
Gleichzeitig hat die Regierung die Aufgabe wahrzunehmen, neben all den Krisen, die derzeit auf der Welt bestehen und damit auch Österreich betreffen, die Arbeit laut Regierungsprogramm fortzusetzen und Österreich selbst weiterzuentwickeln. Das ist durch den Beschluss der Pflegereform gelungen – endlich, sage ich selbstkritisch dazu. Es ist aber gemeinsam gelungen, die Pflege in der Finanzierung, in der Ausbildung auf neue Beine zu stellen, den Weg der Bundesländer in der Frage der Pflege stark zu unterstützen, um diesbezüglich den Menschen bestmöglich zu helfen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Ein Thema, das die Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben, besonders intensiv bewegt, ist das Thema der Energieversorgungssicherheit. Auch da konnten wir deutliche Fortschritte erzielen, wenn es darum geht, die strategische Reserve der Republik deutlich auszuweiten. Wir werden als Republik nicht nur 10 Terawattstunden, sondern 20 Terawattstunden Gas einspeichern. Das ist ein Mengengerüst, das verständlicherweise nicht vielen etwas sagt, aber um ein Beispiel zu nennen: In einem energieintensiven Monat, wie dem Jänner, brauchen wir 10 Terawattstunden Gas, in einem energiearmen Monat, wie im Sommer, 4,6 Terawattstunden. Das heißt, mit der strategischen Reserve des Staates plus der Einspeicherung aller Beteiligten, die Schritt für Schritt vorangeht, werden wir das Ziel erreichen, für den Winter gut gerüstet zu sein.
Eines hat die Bundesregierung auch sichergestellt: Diejenigen, die die Speicher nicht nutzen, die glauben, jetzt mit Speichern Spekulation betreiben zu können, dadurch künstlich wieder eine Verknappung des Marktes zu erzeugen, um Preise in die Höhe zu treiben, haben sich geirrt. Jene, die die Speicher nicht verwenden, werden wir dazu bringen, diese Kapazität der Speicher dann anderen zur Verfügung zu stellen, die das für die Energieversorgungssicherheit in diesem Land sehr wohl tun. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 10 Minuten sind ausgeschöpft. Ich darf Sie bitten!
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche den neuen Mitgliedern der Bundesregierung alles Gute für ihre Arbeit und freue mich auf eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Parlament. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
10.37
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich dem Vizekanzler das Wort erteilen darf, darf ich die SchülerInnen des Bundesoberstufenrealgymnasiums aus Dornbirn recht herzlich bei uns begrüßen und ihnen zur Überwindung der weiten Anreisestrecke gratulieren. (Allgemeiner Beifall.)
Der Herr Vizekanzler gelangt zu Wort. – Bitte sehr, Herr Vizekanzler.