Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Österreichs Gasversorgung ist zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig. Das ist, wie wir wissen, ein Ergebnis von jahrzehntelanger falscher Politik, einer Politik, die Energiewende und Klimaschutz blockiert und uns immer weiter in diese Abhängigkeit getrieben hat. Jahre­lang wurden uns auch das Märchen von immer verfügbarem, billigem und sicherem rus­sischem Gas (Ruf: Es war immer verfügbar!) und das Märchen von der sauberen Brü­ckentechnologie Gas erzählt. Diese saubere Brücke hat sich aber eigentlich als teure Sackgasse entpuppt, und die meisten Menschen realisieren jetzt, dass wir raus aus der Abhängigkeit von russischen Gasimporten, aber auch generell raus aus der Abhängig­keit müssen, damit unsere Energieversorgung nicht von den Launen von Diktatoren von Russland bis nach Saudi-Arabien abhängig ist.

Deswegen an Sie die Frage:

168/M

„Wie sieht der Plan aus, um aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern im Allge­meinen und aus russischem Gas im Speziellen herauszukommen und energieunabhän­giger zu werden?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, das ist für viele hier in die­sem Raum und definitiv für mich die drängende Frage, die uns derzeit beschäftigt. Sie haben die Zahlen erwähnt: Wir sind mit einer sehr, sehr hohen Abhängigkeit in diese Situation geraten. Russland führt einen Angriffskrieg, wir sind mit dieser hohen Abhän­gigkeit schlicht und einfach erpressbar, und wir sehen auch, dass Wladimir Putin diese Abhängigkeit auch in den unterschiedlichsten Zusammenhängen als Mittel in dieser Aus­einandersetzung einsetzt.

Wie kommen wir da raus? – Erster Schritt – und ich sage gleich vorab: danke, wir werden heute noch zwei Maßnahmen hier im Plenum diskutieren können, die uns dabei helfen ‑: das Füllen der Erdgasspeicher. Wir sorgen mit diesen hohen Füllständen vor, sodass wir weniger erpressbar sind, sodass wir besser durch den Winter kommen beziehungs­weise uns auf diesen Winter schlicht und ergreifend besser vorbereiten. Da sind volle Speicher einfach die zentrale Versicherung. Sie sind aber keine Lösung für das Grund­problem.

Das Grundproblem ist und bleibt die Abhängigkeit. Deswegen haben wir eine Analyse von der Österreichischen Energieagentur beauftragt: Wie schaffen wir es, im Zielrah­men, den die Europäische Kommission vorgibt, nämlich 2027, aus dieser Abhängigkeit von russischem Erdgas rauszukommen? – Die Ergebnisse liegen vor. Es ist allen klar, wenn man diese Ergebnisse anschaut: Das ist kein Spaziergang, das ist ein nationaler Kraftakt. Dieser basiert auf drei Säulen: Wir müssen den Gasverbrauch reduzieren. Das heißt einsparen, das heißt substituieren, das heißt zum Beispiel, in der Stromversorgung durch einen höheren Erneuerbarenanteil den Gasverbrauch reduzieren, denn je weniger Gas wir verbrauchen, desto weniger müssen wir importieren.

Das Zweite: eigene Gasproduktion. Da geht es um fossile Erdgasproduktion – deren Anteil ist in den letzten Jahren gesunken, ist aber jetzt bei rund 10 Prozent stabil; das müssen wir halten – plus um die biogenen Potenziale, die wir haben, also Biomethan, Biogas einfach auch selbst zu produzieren und ins Gasnetz einzuspeisen, also zum Beispiel direkt ins Gasnetz einzuspeisen und nicht zuerst zu verstromen. Wir können auch grünen Wasserstoff erzeugen, auch dieses Potenzial müssen wir heben.

Drittens: Diversifizierung, neue Lieferländer für Erdgas, weil uns allen in diesem Rahmen auch klar sein muss, dass wir auch mit diesem ambitionierten Ausstiegsplan aus russi­schem Erdgas auch 2030 noch fossiles Erdgas brauchen - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Deswegen werden wir auch neue Lieferländer suchen müssen. Allen muss klar sein, das ist kein Spaziergang, das ist ein Kraftakt, der wird dauern und wird uns alle fordern.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sie haben die Gasspeicher erwähnt: Wir haben schon die strategische Gasreserve beschlossen. Heute werden wir weitere Maßnahmen beschließen. Die Regierung hat sich ja dazu bekannt, dass die Gasspeicher bis zum Anfang der Heizsaison zu 80 Prozent gefüllt sein sollen. Welche zusätzlichen Maßnah­men werden Sie zur Füllung der Erdgasspeicher vorschlagen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die strategische Reserve ist beschlossen, die Ausschreibung ist draußen. Wir werden jetzt zusätzlich diese strategische Reserve noch einmal aufstocken, und zwar bewusst auch mit dem Ziel, nicht russisches Gas für die Aufstockung zu besorgen, um Lieferbeziehungen zu stärken, um für die Versorger in Österreich einen Anreiz zu schaffen, auch tatsächlich vertraglich zu diversifizieren.

Wir haben gestern im Ministerrat noch zwei weitere Maßnahmen beschlossen, nämlich die Anbindung aller österreichischen Speicher an das österreichische Marktgebiet Ost – das betrifft insbesondere den Speicher Haidach, den wir in den unterschiedlichen Zu­sammenhängen schon diskutiert haben – und eine Regelung Use it or lose it, die wir für Gasfernleitungen schon lange haben und die darauf abzielt, bei einer kritischen Infra­struktur, die physische Grenzen hat, einfach Fairness walten zu lassen. Wenn die Kapa­zitäten, die man reserviert hat, nicht genutzt werden, dann müssen sie für andere zur Verfügung stehen. Ich denke, das ist völlig gerechtfertigt, dass wir da auch eingreifen. Es muss in allen Speichern in Österreich gespeichert werden, und wenn das – in dem Fall von Gazprom – schlicht nicht gemacht wird, dann müssen wir auch eingreifen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Lercher. – Bitte sehr.

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bei allem Respekt, aber außer Absichtserklärungen hat Österreich noch keine konkrete Maßnahme gegen die Abhängigkeit von russischem Gas gesetzt. Wir hören von Analy­sen, wir hören von Plänen, aber ich glaube, es braucht in dieser Zeit auch Taten. Die Deutschen haben das vorgezeigt, sie haben seit Ausbruch des Krieges die russische Gasabhängigkeit von 55 Prozent auf heute 35 Prozent verringert.

Deswegen meine ganz konkrete Frage: Um wie viel Prozent konnte in Österreich die Abhängigkeit von russischem Gas bis heute verringert werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Es gibt in Deutschland und Österreich kom­plett unterschiedliche Voraussetzungen, das ist Ihnen wie mir bewusst. Eine der drängendsten dabei ist die unterschiedliche Vielfalt an Importeuren und die unterschied­liche Vertragsausgestaltung zwischen kurz- und langfristigen Verträgen – Punkt eins.

Punkt zwei ist: Wir werden das beim Gas genauso machen, wie wir es beim Erdöl ge­macht haben. Wir haben beim Erdöl mit Beginn des Krieges angefangen, daran zu arbei­ten, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Wir haben im März und im April kein russisches Erdöl mehr importiert. Deswegen können wir auch sagen, wir sind auch auf der europäi­schen Ebene bereit für ein Erdölembargo.

Beim Thema Gas ist es für Österreich komplexer, auch aufgrund unterschiedlicher Aus­gangsvoraussetzungen im Vergleich zu Deutschland. Wir haben gestern den Beschluss gefasst, die strategische Reserve aufzustocken. Der Hauptausschuss wird in Kürze auch eine Verordnung von mir zur Diskussion vorliegen haben, und mit diesem Beschluss werden wir die Importabhängigkeit von Russland um 10 Prozent reduzieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte, die Zeit bei der Beantwortung immer ein­zuhalten, sonst kommen wir nicht zurecht. Ich weiß, wenn das Herz und das Wissen voll ist, geht viel mehr. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Prinz. – Bitte.

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Bundesminister, Österreich wird natürlich einen großen Maßnahmenmix brauchen, um weniger Abhängigkeit von Erdgas zu ha­ben, egal aus welchem Land es kommt. Derzeit haben wir natürlich schon das Problem, das viele Verfahren immer wieder in die Länge gezogen werden. Es gibt große Poten­ziale, vor allem auch im Bereich Biogas.

Meine konkrete Frage: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Verfahren gera­de im Bereich Biogas zu beschleunigen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Mir ist nicht bekannt, dass es im Bereich Bio­gas Probleme gibt, insbesondere nicht in meinem Einflussbereich. Ich bin ja für das Um­weltverträglichkeitsprüfungsgesetz zuständig, da erarbeiten wir gerade Beschleuni­gungsmaßnahmen und haben auch bereits viele Lösungsvorschläge erarbeitet.

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz ist aber gleichzeitig nicht relevant für die Bio­gasanlagen. In dem Fall sind die dafür zuständigen Behörden jene in den Ländern, und vor allem sind die relevanten Materiengesetze Landesgesetze. Wir haben uns aber da auch das Ziel gesetzt, dort, wo das aus Sicht der Bundesländer auch Sinn macht, best­möglich zu unterstützen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Dop­pelbauer. – Bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesmi­nister! Meine Zusatzfrage geht in die Richtung weitere Diversifizierung von russischem Gas. Meine Frage wäre: Wie viele Pipelinekapazitäten für norwegisches Gas gibt es konkret für die nächsten paar Monate in Österreich, und wird auch der LNG-Terminal in Rotterdam, der der OMV ja gehört, eingesetzt werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage bezieht sich auf Dinge, die im Wir­kungsbereich der OMV liegen, das heißt, nicht die Bundesregierung reserviert Pipeline­kapazitäten, nicht die Bundesregierung kann das dann konkret umsetzen, sondern das jeweilige Versorgungsunternehmen.

Die OMV ist bereits dabei, alles in ihrer Macht Stehende zu tun – das wird mir auch so berichtet; Sie wissen, die OMV liegt in der Öbag, in der Verwaltung des Finanzministe­riums –, um sowohl die Kapazitäten verfügbar zu machen – da gab es schon Vertrags­umstellungen, die sind auch schon öffentlich kommuniziert – als auch die relevanten Ka­pazitäten in den Pipelines zu sichern.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Bern­hard. – Bitte sehr.