Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Wir haben uns ja vorhin auch schon darüber unterhalten: Mich treibt vor allem die Frage um, dass es dann, wenn man in Bezug auf russisches Gas diversifizieren will, natürlich erst einmal Pipelinekapazitäten, um eben Gas von anderen Ressourcen nach Österreich zu bringen, und dann eben auch Speicher braucht.

Meine Frage ist da eben konkret: Welche neuen Abkommen oder Verträge zur Diversifi­zierung der Erdgasversorgung – Pipelinekapazitäten, bilaterale Abkommen und so wei­ter – wurden seit Ausbruch des Ukrainekriegs von der Republik Österreich über die Öbag beziehungsweise die OMV abgeschlossen?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 167/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten neuen Abkommen oder Verträge zur Diversifizierung der Erdgasver­sorgung (Pipelinekapazitäten, bilaterale Abkommen, etc.) wurden seit Ausbruch des Ukrainekriegs von der Republik Österreich bzw. der OMV abgeschlossen?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es vorhin schon erwähnt: Österreich ist in einer besonders schwierigen Ausgangssituation. Noch 2018 haben wir unter großer Freude und im Beisein der damaligen Bundesregierung, des damaligen Bundeskanzlers gefeiert, dass wir unsere Gaslieferverträge mit Gazprom ausgebaut und erweitert haben. Die Bundesregierung davor – das betrifft jetzt unterschiedlich geführte Bundesregie­rungen – hat noch Druck gemacht, norwegische Gasfelder abzugeben und nach Russ­land zu wechseln.

Ich halte es für unerlässlich, diese Fehler zu erkennen. Es hilft aber nichts, jetzt heißt es halt auch, Lösungen zu finden. Deshalb sind wir gerade auf sehr, sehr vielen Ebenen aktiv, um genau das zu tun, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.

Erster ganz wichtiger Pflock ist die Gasbeschaffungsplattform der EU. Die EU bündelt die Nachfrage, um sicherzustellen, dass wir uns nicht bei den Preisen für Pipelinekapa­zitäten am Markt gegenseitig überbieten. Die E-Control hat bereits eine Marktabfrage dazu durchgeführt. Wir haben einen Bedarf an Gasmengen eingemeldet. Wir werden die Diversifizierung als Kontinent am erfolgreichsten meistern, wenn wir sie gemeinsam und konstruktiv in Angriff nehmen und in der Frage zusammenhalten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung! (Bundesministerin Gewessler – erheitert –: Waren das schon wieder 2 Minuten?) – Nein. (Heiterkeit des Redners.)

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Entschuldigung, Herr Präsi­dent, das war jetzt ein bissl eine ungehörige Nachfrage.

Wir haben in Europa mit der Gasversorgungssicherheitsverordnung die rechtliche Grund­lage für die Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in Österreich. Wir haben bereits ein Solidaritätsabkommen mit Deutschland abgeschlossen. Auf technischer Ebene ste­hen wir in Verhandlungen mit der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien. Auch das sind wichtige Bausteine.

Wir haben die strategische Gasreserve beschlossen, eben die Aufstockung der strategi­schen Gasreserve mit nicht russischem Gas, wenn es der Markt erlaubt – davon gehen wir aus –, wenn es nicht Mondpreise sind, das wird dann die Ausschreibung zeigen. Gas, das aus nicht russischen Quellen kommt, das ist also ein weiterer Schritt.

Was die OMV anbelangt, wir haben vorhin schon diskutiert, liegt die Zuständigkeit über die Öbag beim BMF. Die OMV fördert aber auch selbst Gas in Norwegen und ist am LNG-Terminal Gate in Rotterdam beteiligt. Die Mengen sind normalerweise für den nordwesteuropäischen Markt vorgesehen, aber ich bin bereits von der OMV informiert worden, dass sie ihrerseits alles tut, die aus Norwegen verfügbaren Mengen für Öster­reich zu erhöhen. Das ist natürlich für Österreich schwieriger – wir haben es vorhin be­sprochen –, da wir keine Seehäfen haben. Wir brauchen Partner und müssen uns an Ausschreibungen für die Pipelinekapazitäten et cetera beteiligen.

Gerade bei der Frage der Diversifizierung – unter der Voraussetzung dieser langfristigen Lieferverträge – sieht man einfach, dass die Fehler der Vergangenheit da am schwersten wiegen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Es gab jetzt einige Meldungen – ich glaube, Bloomberg hat es letzte Woche zum ersten Mal gehabt –, dass es jetzt doch möglich wäre, auch auf EU-Ebene Rubelkonten einzurichten, um eben die bestehende Gasversorgung durch Russland aufrechtzuerhalten. Haben wir oder hat die OMV ein Rubelkonto eingerichtet?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage der Zahlungsmodalitäten ist eine, die gerade sehr viele Länder in Europa beschäftigt. Ich weiß, dass die OMV in enger Abstimmung sowohl mit dem Finanzministerium und der für Sanktionen zuständigen Na­tionalbank als auch mit der Europäischen Kommission steht. Ich bin informiert, dass die OMV nur sanktionskonform zahlen wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Neben der Vielfalt an Quellen ist im Krisenfall auch ein abgestimmtes Vorgehen mit den Nachbarländern dringend erforderlich. Für diesen Fall sieht das EU-Recht Solidaritätsabkommen zur ge­genseitigen Unterstützung vor. Mit welchen Nachbarländern gibt es Solidaritätsabkom­men für den Fall einer Gaskrise?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Das Gassolidaritätsabkommen mit Deutsch­land war europaweit überhaupt das zweite Solidaritätsabkommen, das abgeschlossen wurde. Das konnten wir letzten Dezember finalisieren und unterzeichnen. Wir sind auf technischer Ebene jetzt mit den Nachbarländern Italien, Slowakei, Slowenien und Un­garn in Verhandlungen. Am Montag war der italienische Staatssekretär wieder bei mir, und wir haben beide bekräftigt, wir möchten da sehr rasch zu einem Abschluss kommen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Kauf­mann. – Bitte.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin, guten Morgen auch von meiner Seite! Russland hat mit dem Angriffskrieg in der Ukraine einiges ausgelöst. Ihre Aufgabe ist es, die Versorgungssicherheit sowohl für unsere Haushalte als auch unsere Betriebe sicherzustellen.

Meine Frage ist jetzt: Sie haben schon von einzelnen Verträgen und Absprachen mit den Ländern gesprochen. Wie schaut das insgesamt für die Europäische Union aus? Wir sitzen alle im gleichen Boot und wir müssen uns als EU gut aufstellen: Welche Gesprä­che führen Sie und wie wird es da weitergehen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Europäische Kommission ist in der Frage tatsächlich sehr aktiv. Schon im März hat sie eine gemeinsame Einkaufsplattform, eine Joint European Platform for Contractualisation of Gas Supply angekündigt, bei der es darum geht, den Gasbedarf für die Europäische Union zu aggregieren, Rahmenbedin­gungen für die Kooperation sicherzustellen. Es geht zum Beispiel auch darum, wie man zu MOUs, zu Protokollen kommt, um eben sicherzustellen, im Falle des Falles, im Notfall gut zusammenzuarbeiten. Es geht darum: Wie nutzt man die Gasinfrastruktur effizient? Wir haben physische Infrastruktur, die limitiert ist. Wie können wir die möglichst solida­risch und gut gemeinsam nutzen?

An dieser Plattform beteiligen wir uns sehr intensiv. Das ist eine Plattform, die in Öster­reich auf Ebene der Sektionsleitungen operationalisiert ist. Wir haben – ich habe es vor­hin erwähnt – nach einer Marktabfrage der E-Control da bereits hohe Gasmengen ein­gemeldet – nicht nur für die Abwicklung der ganzen MOUs, sondern auch für die gemein­same Beschaffung.

Man muss realistisch sein, wir werden im ersten Jahr nicht die gesamte Menge, die wir eingemeldet haben, bekommen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die gemein­same Plattform der erfolgversprechendere und effizientere Weg ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Kassegger. – Bitte.

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Un­ser Standpunkt zur Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Sanktionen ist ja bekannt. Wir sehen ja jetzt, dass Sie draufkommen, dass sich das alles bei den Mengen, was Gas und Öl betrifft, nicht ausgeht.

Ich habe hier das Protokoll des Europäischen Rats – also des Energierates, in dem Sie Österreich ja vertreten haben – vom 3. Mai, in dem Sie betonen, wie man jetzt damit umgeht: „Man müsse den Verbrauch senken (Gasboiler und -brenner ersetzen)“, „eine gemeinsame Vision entwickeln“ und so weiter und so fort.

Zwei Seiten weiter sagt der ungarische Vertreter einen interessanten Satz, nämlich die­sen: „Man sollte sich am allgemeinen Prinzip orientieren, der eigenen“ Volkswirtschaft „nicht mehr zu schaden als“ Russland. – Ich nehme einmal an, das ist nicht Ihr Zugang, sondern Ihr Zugang ist jener, den Verbrauch zu senken.

Dann gibt es auch einen interessanten Vorschlag vom luxemburgischen Energiemi­nister, der da vorschlägt: ein EU-weites Tempolimit, autofreie Wochenenden und zwei Tage pro Woche Homeoffice.

Ich nehme einmal an, Sie teilen die Meinung des luxemburgischen Energieministers? (Heiterkeit des Abg. Wurm.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Also das Erste ist – und das ist vielfach öffent­lich dokumentiert, auch von mir –, der Zugang zu Sanktionen eint mich mit meinem unga­rischen Kollegen: Wir können nur Sanktionen setzen, von denen wir sicher sind, dass wir sie länger durchhalten als Wladimir Putin, das ist das Kernelement von Sanktionen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Deswegen ist auch ein Gasembargo für Österreich, so schmerzlich diese Aussage ist, schlicht und ergreifend derzeit nicht möglich, weil die Abhängigkeit zu groß ist.

Zur Reduktion dieser Abhängigkeit, Terawattstunde für Terawattstunde, brauchen wir alle Mittel, und wir sind mit unserem Szenario, mit unserem Plan, den die Energieagentur erarbeitet hat, exakt im selben Modus wie die Europäische Kommission mit ihrem Plan Repower EU gestern. Der hat drei Säulen: Gasverbrauch reduzieren – also Effizienz –, Substitution – Erneuerbare ausbauen – und diversifizieren, also exakt dieselben Schwer­punkte. Das ist gut, weil uns das auch den Rückenwind, den wir national brauchen, gibt.

Die Vorschläge aus Luxemburg, die Sie zitiert haben, sind Vorschläge der Internatio­nalen Energieagentur zur Reduktion der Ölimportabhängigkeit der Europäischen Union, das kommt aus der Internationalen Energieagentur. (Abg. Kassegger: Das heißt also: Ja!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte sehr.