10.26

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe selten so eine Themenver­fehlung und Realitätsverweigerung gehört wie von meinem Vorredner Philip Kucher. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte aber auf den tatsächlichen Tagesordnungspunkt, nämlich auf das Volksbe­gehren Impfpflicht: Striktes Nein eingehen. Wenn man dieses genau betrachtet, dann erkennt man, dass das eigentlich nur die halbe Wahrheit ist, denn diese Initiative, dieses Volksbegehren hat aus zwei Teilen bestanden, nämlich unter anderem aus der direkten Abfrage bei der Bevölkerung, ob in einem Epidemie- oder Notfall die Politik eine allge­meine Impfpflicht verhängen dürfen soll oder nicht. 335 000 Bürger in diesem Land ha­ben diese direktdemokratische Möglichkeit in Anspruch genommen, und über 80 Pro­zent, knapp 270 000 Bürger, haben sich klar gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, selbst im epidemiologischen Notfall, ausgesprochen.

Jetzt kann man darüber diskutieren: Steht es dem Bürger zu, dass er da seine Meinung kundtut, oder nicht? – Wir sagen: Ja, ganz klar!, und die Politik ist aus meiner Sicht auf­gefordert, dieses demokratische Votum auch zu akzeptieren, denn wenn wir hier im Na­tionalrat ein Gesetz erlassen, dann gibt es doch gewisse Prinzipien der Gesetzgebung, die berücksichtigt werden müssen, wie: Besteht überhaupt die Notwendigkeit, dieses Gesetzt einzuführen? Ist das Gesetz oder die Maßnahme geeignet, die definierten Ziele zu erreichen? Ist das Gesetz überhaupt umsetzbar? Und ist es verhältnismäßig? Zu guter Letzt könnte man auch noch über einen gewissen Vertrauensschutz und über Ehr­lichkeit in der Politik sprechen, aber dazu komme ich ganz am Schluss meiner Ausfüh­rungen.

Zur Notwendigkeit: Ist eine allgemeine Impfpflicht notwendig? – Mittlerweile gibt es brei­ten Konsens, der lautet: Nein, eine allgemeine Impfpflicht ist definitiv nicht notwendig. Wir haben durch die gesamte Coronakrise hindurch, durch die verschiedenen Muta­tionen und Wellen, die wir gehabt haben, zweimal Situationen erlebt, wo unser Gesund­heitssystem an der Belastungsgrenze, aber Gott sei Dank nicht über dieser Belastungs­grenze war, und bei diesen beiden Infektionswellen hat es bei der ersten überhaupt keine Impfungen und praktisch überhaupt keine Therapeutika gegeben und bei der zweiten hat die Impfung nur sehr beschränkt geholfen. Die epidemiologische Lage hat sich mit Omikron aber signifikant verändert: Die Wirksamkeit der Impfung ist noch geringer ge­worden, und gleichzeitig haben wir – oder hätten wir – aber auch viel mehr Zeit gehabt, um die Behandlungskapazitäten anzupassen, und vor allem haben wir andere Maßnah­men, andere Therapieoptionen, medikamentöse Therapieoptionen, aber wir könnten na­türlich auch andere Maßnahmen, wie zum Beispiel Contacttracing und Isolierung, ver­stärken und ausbauen, um eine allgemeine Impflicht zu verhindern.

Deshalb: War es notwendig und ist es notwendig, eine allgemeine Impfpflicht zu erlas­sen? – Nein.

Ist diese Maßnahme überhaupt geeignet, um die Ziele zu erreichen? Denn: Was war denn das definierte Ziel der allgemeinen Impfpflicht? – Eine Überlastung des Gesund­heitssystems zu verhindern.

Nun, jetzt haben wir auch ohne Impfung keine Überlastung des Gesundheitssystems gehabt, und da stellt man sich dann schon einmal die Frage, ob es das überhaupt braucht. Aber so, wie die Expertin im letzten Gesundheitsausschuss, Frau Dr. Dorothee von Laer, gesagt hat, dass ja über 90 Prozent aller Spitalspatienten und Verstorbenen über 60 waren, könnte man maximal darüber diskutieren, ob eine Impfpflicht für über 60-Jährige angemessen ist, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Eine Impfung von unter 60-Jährigen ist es auf jeden Fall nicht.

Außerdem, wenn wir jetzt bei der Wirksamkeit sind, muss man auch sagen, dass die von Kollegen Schallmeiner zitierten Schutzimpfungen gegen Pocken, Masern und viele an­dere Erkrankungen, die tatsächlich sehr große zivilisatorische, medizinische Errungen­schaften waren, einen großen Vorteil gegenüber den aktuellen Präparaten zum Schutz vor Covid-19 haben: Sie erzeugen eine sterile Immunität und sie verhindern die Weiter­gabe des Virus – und das können die aktuellen MRNA-Impfstoffe nicht! Sie können keine sterile Immunität erzeugen, das heißt, sie können nicht vor einer Infektion schützen und sie schützen auch nicht vor einer Übertragung des Virus. Somit ist diese ganze Vorgabe der Eindämmung der Epidemie mit diesen Impfstoffen momentan gar nicht erreichbar, das heißt, die Eignung der Maßnahme ist gar nicht gegeben.

Außerdem: Wenn das Ziel eine Erhöhung der Durchimpfungsrate ist, Herr Bundesminis­ter, dann haben Sie beziehungsweise Ihr Vorgänger – diese ist ja nicht unter Ihnen er­gangen, sondern unter Ihrem Vorgänger – mit der Einführung dieser allgemeinen Impf­pflicht exakt das Gegenteil erreicht, denn die Impfquote für Covid-19, die Zahl der tägli­chen Impfungen ist ab dem Zeitpunkt, an dem die allgemeine Impfpflicht eingeführt wor­den ist, massiv zurückgegangen. Und nicht nur das! Gesundheitspolitisch ja noch viel verwerflicher ist, dass nicht nur die Zahl der Covid-Impfungen zurückgegangen ist, son­dern auch andere, bereits etablierte Impfungen signifikant weniger geworden sind, Herr Bundesminister – Masernimpfungen: 50 Prozent Rückgang bei der Durchimpfungsrate bei den aktuellen Impfungen (Zwischenruf des Abg. Loacker); Hepatitis-B-Impfung: über 40 Prozent Rückgang; Diphtherie-Tetanus-Impfung: 30 Prozent Rückgang. Das ist der Effekt dieser Maßnahme, und das läuft Ihrem deklarierten Ziel zu 100 Prozent zuwider.

Kommen wir zur Durchsetzbarkeit der Maßnahme: Da hätten Sie, wenn Sie die Stellung­nahmen im Begutachtungsverfahren ernst genommen hätten, erkennen können, dass diese Maßnahme ja gar nicht wirklich umsetzbar ist. Das ist ja auch einer der Haupt­gründe, warum dieses Impfpflichtgesetz nie über seine Phase eins hinausgekommen ist und bis heute nicht scharf geschalten wurde, denn da gibt es nicht nur verfassungsrecht­liche Bedenken, sondern da gibt es auch große datenschutzrechtliche Bedenken, die zum Beispiel der Geschäftsführer der Elga GmbH formuliert hat. Da gibt es aber auch verwaltungstechnische Bedenken innerhalb der Behörden, die sagen: Wie sollen wir diesen Moloch administrieren? Wie sollen wir, wenn dann die Einsprüche kommen, den ganzen Verfahrensweg abwickeln? Da sind die Behörden heillos überfordert, wenn das tatsächlich auf scharf geschaltet wird. Das heißt, die Umsetzbarkeit dieses Gesetzes ist ja gar nicht gegeben.

Und zu guter Letzt die Verhältnismäßigkeit: Wir sprechen hier von einem ganz eklatanten Eingriff in die Grundrechte, wir sprechen hier von einem Eingriff in die Unversehrtheit des menschlichen Körpers  und dem muss schon ein gewaltiger Nutzen gegenüberste­hen, wenn so starke Grundrechtseingriffe erfolgen. Und was ist der Nutzen dieser Imp­fung? Bestenfalls ein Schutz vor schweren Krankheitsverläufen, dem aber ein massi­ver Grundrechtseingriff für alle Bürger gegenübersteht.

Verhältnismäßig heißt aber auch, dass wir Wirkung und Nebenwirkung besonders abwä­gen, besonders dann, wenn wir eine Behandlung an Gesunden durchführen. Es macht einen Unterschied, ob ich einen Krebskranken mit einem Präparat behandle, das viel­leicht auch tödliche Nebenwirkungen hat, oder ob ich einen Gesunden damit zwangsbe­handle. Das ist ein gravierender Unterschied, und das muss in die Überlegungen mit einbezogen werden. Allein aus diesem Grund kann aus meiner Sicht ein Impfstoff, der nur eine bedingte Zulassung hat, der keine vollständig vorliegenden Sicherheitsdaten hat, der eine sehr eingeschränkte Wirksamkeit hat, niemals per Zwang oder Pflicht ver­abreicht werden.

Zu guter Letzt möchte ich noch betreffend die Ehrlichkeit und den Vertrauensschutz der Bevölkerung appellieren. Alle Fraktionen, der Bundeskanzler, der Vizekanzler, Ihre Vor­gänger als Gesundheitsminister, alle haben der österreichischen Bevölkerung verspro­chen: Es wird keine Impfpflicht geben!, bis zu diesem ominösen politischen Kuhhandel zwischen Bund und Ländern im Herbst vergangenen Jahres, als auf einmal alles anders war und alle Parteien – außer der FPÖ – umgekippt sind und auf einmal eine allgemeine Impfpflicht beschlossen haben. Das ist ein Bruch des Vertrauensgrundsatzes und eine Unehrlichkeit, wie es sie in der österreichischen Politik schon lange nicht mehr gegeben hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Beenden Sie das! Heben Sie das Impfpflichtgesetz auf und nehmen Sie das Votum der Bürger im Rahmen dieses Volksbegehrens ernst, dann haben Sie noch eine Chance, dass Sie vielleicht erhobenen Hauptes rauskommen, ansonsten wird vermutlich der Ver­fassungsgerichtshof ab dem Tag, an dem das Impfpflichtgesetz scharf geschalten wird, dieses unsägliche Gesetz aufheben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.