14.23
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Das Volksbegehren Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen! gibt uns wieder einmal die hervorragende Gelegenheit, über Funktion und Wesen unseres Sozialstaates zu debattieren. Die Initiatoren haben offensichtlich den Grundsatz verfolgt, dass es besser wäre, unser bisheriges Sozialsystem anders zu gestalten, und zwar derart, dass jede in Österreich gemeldete Person ohne jegliche Bedingung, ohne jegliche Gegenleistung einen gewissen Betrag überwiesen erhält, und das Monat für Monat.
Der Zuspruch für das Volksbegehren war nicht sehr groß, es haben etwa 169 000 Menschen unterschrieben, 2,66 Prozent. Es wurde aber die Schwelle erreicht, dass wir das hier im Hohen Haus debattieren müssen. Es ist gut, über die Grundsätze unseres Sozialstaates eine ordentliche Debatte zu führen. Dass der Zuspruch für dieses Volksbegehren nicht so groß war, hat möglicherweise auch gute Gründe. Zum einen hat das ganz sicher einmal ökonomische Gründe: Wenn man ein Grundeinkommen einführen wollte, dann müsste es natürlich existenzsichernd sein. Derzeit haben wir mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und mit der Sozialunterstützung in unserem Sozialstaat einen Betrag festgelegt, der diese Existenzsicherung ermöglichen soll. Er liegt zurzeit bei etwa 977 Euro.
Sagen wir, um das vielleicht einfacher berechnen zu können, das bedingungslose Grundeinkommen sollte 1 000 Euro pro Person betragen. Was würde das rein ökonomisch bedeuten? – Würden also alle etwa neun Millionen Menschen, die in Österreich leben, einen Betrag von 1 000 Euro monatlich überwiesen bekommen, dann würde das im Jahr 108 Milliarden Euro an Ausgaben für den Staat bedeuten. Wissen Sie, wie hoch die Steuereinnahmen in Österreich im Jahr 2021 waren? – Sie lagen bei etwa 114 Milliarden Euro.
Daraus kann man ersehen, wollte man das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens umsetzen, müsste man, um es zu finanzieren, viel, viel höhere Steuern von jenen verlangen, die Steuern bezahlen, also von jenen, die einen Arbeitsplatz haben, die arbeiten gehen, die einen Lohn erhalten, von den Unternehmern und genauso auch von den Landwirten. Dieses Modell ist also schon aus ökonomischen Gründen höchst hinterfragenswert.
Ich denke aber, wir sollten noch tiefer blicken: Es gibt aus meiner Sicht auch gesellschaftspolitische Gründe, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen niemals zu einem positiven Ergebnis führen kann. Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich Ausdruck einer fairen Gesellschaft? Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich im Sinne der Menschenwürde? – Aus unserer Sicht möchte ich sagen: Nein! Wir als Volkspartei haben unsere Richtschnur – das christlich-humanistische Menschenbild – in unserem Parteiprogramm festgelegt, und da gibt es ein paar Grundprinzipien: Verantwortung und Eigenverantwortung, Sicherheit, Freiheit, Solidarität, Subsidiarität. Solidarität, meine Damen und Herren, darf aber in einer Gesellschaft niemals eine Einbahnstraße sein. Das bedingungslose Grundeinkommen aber wäre solch eine Einbahnstraße.
Wir verstehen unseren Sozialstaat vielmehr derart, dass der, der arbeitsfähig ist, der eine Leistung erbringen kann, auch eine Leistung erbringen muss, um sich einerseits selbst zu finanzieren, um seine Familie zu finanzieren, aber andererseits auch, um in Form von Steuerbeiträgen einen Beitrag für alle Aufgaben des Staates – für den Sozialstaat, für die Infrastruktur, für das Bildungssystem, für die Sicherheit und dergleichen – zu leisten. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Das heißt, ein Solidarsystem kann niemals eine Einbahnstraße sein.
Österreich ist tatsächlich ein sehr gut ausgebauter Sozialstaat. Jene, die Unterstützung brauchen, bekommen sie. Der, der seine Arbeit verliert, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld (Abg. Lindner: Das zahlen sie sich selber!), auf Notstandshilfe oder auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Wir unterstützen Familien in Form der Familienbeihilfe oder Studierende in Form der Studienbeihilfe und dergleichen. Es gibt also viele soziale Absicherungsmaßnahmen, um jedem Menschen in Österreich eine Existenzsicherung zu gewährleisten.
Das bedingungslose Grundeinkommen würde diesem guten Sozialstaat zuwiderlaufen, es würde ihn vielmehr gefährden.
Es gibt schon einige Erfahrungswerte aus anderen Staaten in Europa. In der Schweiz gab es vor etwa fünf Jahren eine Initiative mit einer Volksabstimmung am Schluss, wo die Schweizerinnen und Schweizer – mit Dreiviertelmehrheit – klar gesagt haben, dass sie ein derartiges Modell der Grundsicherung ablehnen. Auch in Finnland und Kanada gab es Pilotprojekte, auch diese Projekte wurden aus gutem Grund abgebrochen.
Meine Damen und Herren, wir werden dieses Volksbegehren natürlich ordentlich diskutieren – es ist auch gut, unseren Sozialstaat immer wieder zu hinterfragen –, aber so wenig Zuspruch wie es in der Bevölkerung erhalten hat, so wenig Zuspruch wird es wohl auch hier im Parlament erhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.29
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Mag.a Verena Nussbaum. – Bitte, Frau Abgeordnete.