20.03
Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es nun um Änderungen im Urlaubsrecht, und da sieht man wieder ganz deutlich, auf welcher Seite die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen steht: Sie steht eindeutig auf der Seite der Arbeitgeber und der Konzerne. Derzeit bekommen nämlich Arbeitnehmer:innen, die von heute auf morgen grundlos ihr Dienstverhältnis beenden – das ist der sogenannte unberechtigte vorzeitige Austritt –, keine Auszahlung der restlichen Urlaubstage. Dazu hat jetzt der Europäische Gerichtshof entschieden, dass diese Regelung unionsrechtswidrig ist. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Die Bundesregierung ist nun am Zug, eine unionsrechtskonforme Regelung zu finden. Da würde es natürlich zwei Möglichkeiten geben: entweder eine arbeitnehmerfreundliche oder eine arbeitgeberfreundliche Lösung. Überraschenderweise hat sich die Bundesregierung für eine arbeitgeberfreundliche Lösung entschieden, und zwar soll die jetzt dahin gehend lauten, dass der Resturlaub lediglich im Ausmaß von maximal vier Wochen ausbezahlt wird. Unser Vorschlag wäre da jedoch die arbeitnehmerfreundlichere Variante, dass nämlich auch die fünfte oder sechste Urlaubswoche zur Auszahlung gebracht wird. Dafür hätte man ganz einfach nur die bisherige Regelung streichen müssen.
Interessanterweise gibt es ja auch mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes im Zusammenhang mit dem Urlaubsrecht, nämlich eine Entscheidung, aus der hervorgeht, dass der Urlaub nicht verjähren kann, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer keine Möglichkeit bekommen hat, ihren/seinen Urlaub zu verbrauchen.
Wir alle wissen, dass der Verbrauch des Erholungsurlaubes ein wichtiger Faktor für die Regeneration und die Gesundheit von Arbeitnehmer:innen ist. Dennoch gibt es Arbeitgeber, die es ihren Arbeitnehmer:innen jahrelang – genauer gesagt: mehr als drei Jahre – nicht ermöglichen, ihren Urlaub zu verbrauchen, und dann verjährt dieser Erholungsurlaub.
Daher bringe ich zu diesen beiden vorhin genannten Punkten einen Abänderungsantrag ein, der im Saal verteilt werden sollte. (Abg. Michael Hammer: Der ist schon da!) – Sehr gut.
Im Sinne der von uns immer wieder geforderten Arbeitszeitverkürzung wäre es jetzt aber an der Zeit, die sechste Urlaubswoche für alle einzuführen, wenn das Urlaubsgesetz jetzt schon offen ist. (Abg. Taschner: Na sicher!) Unser Antrag liegt schon im Arbeits- und Sozialausschuss, und ich lade alle Parlamentsparteien ein, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
20.06
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Verena Nussbaum,
Genossinnen und Genossen
zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2793/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021 und das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert werden (1683 d.B.) – (TOP 29)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
I. Artikel 1 (Änderung des Urlaubsgesetzes) wird wie folgt geändert:
1. Z 1 lautet wie folgt:
„1. § 10 Abs. 2 entfällt.“
2. Folgende Z 1a wird eingefügt:
„1a. § 4 Abs. 5 erster Satz lautet wie folgt:
„Der Urlaubsanspruch verjährt nur nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.““
3. Z 2 lautet wie folgt:
„2. Dem § 19 wird folgender Abs. 13 angefügt:
„(13) § 4 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL. I Nr. XXX/2022 tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft.““
II. Artikel 2 (Änderung des Landarbeitsgesetzes 2021) wird wie folgt geändert:
1. Z 1 lautet wie folgt:
„1. § 105 Abs. 2 entfällt.“
2. Folgende Z 1a wird eingefügt:
„1a. § 100 Abs. 7 erster Satz lautet wie folgt:
„Der Urlaubsanspruch verjährt nur nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.““
3. Z 2 lautet wie folgt:
„2. Dem § 430 wird folgender Abs. 5 angefügt:
„(5) § 100 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL. I Nr. XXX/2022 tritt mit 1. Jänner 2023 In Kraft.““
Begründung
In der Rechtssache C-233/20 entschied der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des OGH, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen sind, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet. Gemäß der Richtlinie 2003/88/EG stehen jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindesturlaub von vier Wochen zu. Das österreichische Urlaubsrecht sieht einen Mindesturlaub von fünf in gewissen Fällen auch von sechs Jahren vor. In Anbetracht der ergangenen Entscheidung des EuGH ist nun der § 10 Abs 2 UrlG europarechtskonform zu adaptieren. Jedenfalls muss der Gesetzgeber gewährleisten, dass auch Arbeitnehmer die das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beenden eine Urlaubsersatzleistung für mindestens vier Wochen zusteht. Zwecks Verwaltungsvereinfachung und Beseitigung bürokratischer Schwierigkeiten bei der Berechnung der Urlaubsersatzleistung soll daher nicht ein kompliziertes Modell mit der Differenzierung nach europarechtlich geschütztem Mindesturlaub und den darüberhinausgehenden österreichischen Urlaubsanspruch normiert werden, sondern der europarechtskonforme Zustand durch die ersatzlose Streichung des § 10 Abs 2 UrlG hergestellt werden.
Weiters entschied der EuGH im Vorabentscheidungsersuchen vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) am 22. September 2022, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.
Um auch Angesichts dieser Entscheidung das österreichische Urlaubsrecht europarechtskonform anzupassen, bedarf es einer Ergänzung des § 4 Abs 5 UrlG da dieser lediglich normiert, dass „Der Urlaubsanspruch verjährt nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist.“, jedoch die tatsächliche Möglichkeit seitens des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer bestehen muss, dass dieser den Urlaub in Anspruch nehmen kann. Daher muss die Verjährungsbestimmung dahingehend angepasst werden. Weder die Klage auf Zustimmung zum Urlaubsverbrauch noch das Verfahren nach § 4 Abs 4 UrlG erfüllen hinsichtlich der Rechtsprechung den europarechtlichen Mindestanforderungen als tatsächliche Möglichkeit des Urlaubsantritts.
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Mag. Michael Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.