15.01

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschau­erinnen und Zuschauer! Ich weiß nicht, wer von Ihnen gestern am Abend die „ZIB 2“ geschaut hat. Wir hatten gestern einen langen Tag hier, und ich bin dann nach Hause gegangen und habe die „ZIB 2“ geschaut. Neben sehr unrühmlichen und wirklich fürchterlichen Bildern aus einer Geflügelfarm mit AMA-Gütesiegel in der Steiermark war gestern der Physiker Florian Aigner zu Gast.

Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil es nach einem langen Tag im Parlament unglaublich gut getan hat, diesen Wissenschaftler zu sehen, der über die Kernfusion und die Zukunft der Energiegewinnung aus Kernfusion gesprochen hat. Er hat das mit so einer Leidenschaft, Lust und Freude gemacht. Das hat Seltenheitswert, wenn man die „ZIB 2“ aufdreht.

Ich möchte auch an die Lust und die Freude anschließen, die wir, glaube ich, alle hier vor wenigen Minuten verspürt haben, als Nurten Yılmaz – an dieser Stelle: danke für deine Arbeit, liebe Nurten! – hier ihre Abschiedsrede gehalten hat; man hat diese Lust am Gestalten verspürt.

Warum leite ich so ein? – Weil wir hier Stunden um Stunden verbringen und mehr tun, als nur das Politikgeschehen zu beobachten, insbesondere auch betreffend das, was von der Regierung kommt. Nach inzwischen einem Jahr Bundesregierung unter Kanzler Nehammer – da wurde auch mit sehr viel Aufbruchsstimmung gestartet –, muss man sagen, dass von dieser Gestaltungs­lust nichts mehr zu spüren ist. Es ist eher ein Regierungsfrust, den wir hier in den letzten Monaten gespürt haben.

Es ist nun auch ein Jahr vergangen, in dem Karl Nehammer – als ÖVP-Chef, aber auch als Kanzler – hätte sagen können: Räumt auf mit dem, was passiert ist! – Er hätte Reformen anstoßen können, die Österreich transparenter und die Politik verlässlicher und sauberer machen, er hätte die Korruption stärker und schärfer unter Strafe stellen können. – Das alles ist nicht passiert. Das alles soll aber nun nicht der zentrale Gegenstand meiner Rede sein.

In dem Jahr ist auch sonst viel passiert, nicht zuletzt am 24. Februar 2022 mit dem Einmarsch russischer Truppen und dem Beginn des Angriffskriegs von Wladimir Putin in der Ukraine, auf europäischen Boden, als wir alle schmerzlich gespürt haben, dass Sicherheit eine sehr fragile Angelegenheit ist, auch in einem vereinten Europa. Wir als neutraler Staat haben schmerzlich gespürt, was es bedeutet, dass uns falsche politische Entscheidungen der Vergangenheit in eine dermaßen große Abhängigkeit von russischem Gas gebracht haben.

Die Inflation ist auf dem höchsten Wert seit 1952, und ich möchte an der Stelle schon auch sagen: Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Zeiten für eine österreichische Bundesregierung schon einmal leichter waren, keine Frage. Es war die Pandemie, dann kamen der Krieg, die Energiekrise und nun sozusagen die Inflationskrise. Trotzdem oder gerade deswegen, weil wir von Krise zu Krise eilen, muss man sich allerdings doch die Frage stellen, ob Krise alleine der Arbeitsmodus für eine Bundesregierung in diesen Zeiten sein kann. Das denke ich wirklich nicht. Müsste es nicht vielmehr so sein, dass gerade zurzeit die Weichenstellungen passieren müssen, die sicherstellen, dass wir als Land, als Österreich, als Demokratie, aber auch, was die Menschen in unserem Land betrifft, wirtschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen?

Man hat den Eindruck, dass sämtliche Reformvorhaben, die zum Teil auch ange­kündigt wurden – und ich komme darauf zu sprechen –, in den letzten Monaten einem Koalitionsgerangel, einer Koalitionsgegnerschaft statt ‑partnerschaft zum Opfer gefallen sind. Das Beste aus zwei Welten kann ich wirklich nicht mehr sehen, ich sehe eigentlich nur noch zwei Welten entfernt vom Besten.

Wir erleben wirtschaftspolitisch einen Stillstand, wir erleben meines Erachtens auch sozialpolitisch einen Stillstand. Was wir allerdings sehen, ist eine unglaub­liche Ausgabenpolitik: Sie geben das Geld der aktuellen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, aber auch jenes der nächsten Generation mit beiden Händen freudvoll und lustvoll, wie es scheint, aus. Das ist auch die einzige Antwort, die Sie haben.

Wir haben vorhin über das Thema Pflege diskutiert. Eine Pflegereform ist nötig, Reformen sind in dem Bereich nötig. Die Antwort darauf ist vor allem einmal: 1 Milliarde Euro mehr Geld. Es ist sicherlich nicht schlecht, in dem Bereich mehr auszugeben, aber allein Geld auszugeben, ist zu wenig.

Ich erinnere an die Diskussion, die wir gestern hatten, zu diesem vernichtenden Urteil von Expertinnen und Experten zu den Deutschintegrationsklassen. Das war ja sozusagen ein Leuchtturmprojekt der türkis-blauen Regierung. (Zwi­schen­ruf bei der ÖVP.) Dieses Expertenpapier kommt zu einem vernichtenden Urteil: Man sollte diese Sprachförderklassen besser heute als morgen abschaffen. (Abg. Taschner: Nein, ist nicht vernichtend!) – Stattdessen, das haben wir gestern gehört, wird nun einfach mehr Geld in die Hand genommen, um zusätzlichen Förderbedarf abzudecken. (Abg. Taschner: Sie zu verbessern!) Sehen Sie, aber das ist das Thema: Wann immer ein Problem auftaucht, bewerfen Sie es mit Geld. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist nicht Ihr Geld! Das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und es ist vor allem auch das Geld der nächsten Generation, das Sie da ausgeben, aber es ist ja nichts Neues. „Koste es, was es wolle“ war das große Versprechen von ÖVP und Grünen in Zeiten der Pandemie. Ich kann mich erinnern, da gab es ein Interview mit dem damaligen Finanzminister Gernot Blümel – das sagt ja auch sehr viel über das Verständnis von Regierungsarbeit in der ÖVP aus – im „Trend“, das betitelt war: Euch wird gegeben werden. – Na, danke schön! Wir nehmen euch Steuerzahlern das Geld also aus der Tasche und geben euch das großzügig zurück?!

Etwas Ähnliches erlebe ich heute, kurz vor Weihnachten, wieder: 0,5 Milliarden Euro zusätzliche als Energiekostenzuschuss an Haushalte. Das verteilen Sie auch noch an die Bundesländer – ein Schelm, wer dabei denkt, dass da vielleicht die niederösterreichische Landtagswahl im Jänner eine Rolle spielt –, damit die Landeshauptleute es ausgeben können. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das Geld anderer Leute auszugeben, darin sind Sie wirklich gut. Das Problem ist, dass das alles erwirtschaftet werden muss – durch Innovation, durch Unterneh­mertum, durch Wirtschaftsleistung, durch Arbeitsleistung. Wir sind aber in einer Situation, in der wir uns ernsthaft die Frage stellen müssen: Wie schaut denn eigentlich der Wohlstand der Zukunft aus und woher soll der denn kommen? Die Geschichte der Globalisierung wird derzeit neu geschrieben, aber ohne Öster­reich. Österreich nimmt nicht an dieser Geschichtsschreibung teil.

Wir haben uns übrigens auch die Hilfen angeschaut, die während der Covid-Pandemie geflossen sind. Interessenvertreter sagen ja immer wieder gerne – das sind meistens nicht Interessenvertreter der Wirtschaft, sondern Interessenver­treter der ÖVP Lichtenfelsgasse –, Österreich wäre ja ganz toll durch die Pande­mie gekommen, wir seien da quasi an der Spitze. – An der Spitze sind wir schon, und zwar bei den Ausgaben, aber ansonsten sind wir sehr schlecht durch die Pandemie gekommen.

In Österreich waren es allein 2020 pro Person 1 475 Euro, die an Steuergeld ausgegeben wurde. 325 Euro waren es im EU-Durchschnitt, und in der Schweiz flossen 82 Euro pro Person an Hilfen in der Covid-Zeit. Sie wollen uns dann aber erzählen, dass wir besser durch die Pandemie gekommen sind, da Sie einfach das Geld der Steuerzahler mit beiden Händen ausgegeben haben?! Ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei den NEOS.)

Der ehemalige SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch – und ich meine, der SPÖ kann man wirklich nicht unterstellen, dass sie aus Freunden einer rigiden Sparpolitik bestünde – konstatiert Ihnen eine „Konfettiparade von Helikopter­geld“ im Hinblick auf das, was Sie gerade machen. Ich finde, er hat völlig recht. Er kritisiert übrigens im gleichen Atemzug, dass Sie auf Innovation, auf Forschung und Entwicklung, auf Bildung und auch auf die Maßnahmen, die gegenwärtig notwendig sind, um die Energiewende voranzutreiben, vergessen.

Wissen Sie, was ich mich frage: Woran scheitern den all diese Reformen? – Man könnte sagen, es scheitert sozusagen an einer ideologischen Pattstellung, die es zwischen den beiden Parteien in der Regierung gibt. Ich glaube das aber gar nicht einmal so sehr. Ich glaube, es scheitert daran, dass beide gleichermaßen Angst haben – nur vor unterschiedlichen Dingen.

Die Grünen haben einen unendlichen Staatsglauben und haben Angst vor der freien Wirtschaft, und die ÖVP hat ebenso einen unendlichen Staatsglauben und hat Angst vor der Wählerin und dem Wähler. Aus diesem Grund bewegen sie sich lieber gar nicht und führen ihre Showpolitik fort (Ruf bei den Grünen: Sehr einfaches Weltbild!), die Politik des politischen Stillstands. Ein paar Reförmchen, die quasi als Feigenblätter dienen, können nicht über diesen Schandfleck des politischen Stillstands hinwegtäuschen. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Wo ist denn also jetzt die Lust an der Gestaltung? Wo ist ein schärferes Korrup­tionsstrafrecht? Wo ist ein Informationsfreiheitsgesetz? Wo sind schärfere oder strengere Bestimmungen zu Postenvergaben? (Neuerlicher Zwischenruf bei den Grünen.) Warum räumen wir nicht lustvoll auf mit all diesen Dingen und sagen auch den Menschen in Österreich: Wir haben es verstanden, wir müssen ein anderes Bild abgeben in der Politik!

Wo sind denn andere Gesetzesvorhaben wie zum Beispiel das Erneuerbare-Wärme-Gesetz? Oder an die Grünen in der Bundesregierung: Seit 700 Tagen warten wir auf ein Klimaschutzgesetz, die Reform der Umweltverträglichkeits­prüfungsverfahren wurde abgesagt. – Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: In einer Zeit, in der wir die Energiewende so bitter bräuchten, weil sie uns Freiheitsenergien, Unabhängigkeit und damit auch die Sicherung, die wirtschaftspolitische Sicherung des Wohlstands der Zukunft brächte, sagen Sie eine Reform der bürokratischen Verfahren ab, weil Sie sich nicht einigen können.

Das ist ein Irrflug, ein wirtschaftspolitischer Irrflug! Es ist auch ein sozialpoli­ti­scher Irrflug, wenn man heute die Medien liest und sieht, was Ökonomen sagen, nämlich dass es nicht reichen wird, heuer allein Steuergeld auszugeben, dass es nächstes Jahr zu Reallohnverlusten kommen wird, aber Ihr Pulver dann schon verschossen sein wird.

Und jetzt komme ich zu dem eigentlichen Thema, zur gescheiterten Arbeits­marktreform, Herr Minister Kocher. Ich muss jetzt ausholen: Oft sagen ja ÖVP und Grüne, das können wir jetzt nicht angehen, das steht nicht im Regierungs­programm. Das finde ich immer recht beachtlich, weil eigentlich ist, seitdem die Tinte im Regierungsprogramm getrocknet ist, einiges passiert: die Pandemie, der Krieg, die veränderte sicherheitspolitische Lage, eine völlig veränderte Situation der Globalisierung, eine veränderte Situation der Energiepreise und auch Ener­gie­versorgungssicherheit. Sie aber sagen halt, das steht nicht im Regierungs­programm. Gut.

Im Regierungsprogramm steht: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurück­kehren können.“ – Im September 2021 haben Sie dann den Startschuss für eine Reform der Arbeitslosenversicherung gegeben. Sie, Herr Minister, haben damals gesagt: Es kann nicht sein, dass bei hohen Arbeitslosenzahlen viele Unterneh­men kein Personal finden. Fehlende Arbeitskräfte dürfen nicht zum Bremsklotz für den wirtschaftlichen Aufschwung werden. – 15 Monate später ist diese Reform abgesagt, einfach abgesagt, für gescheitert erklärt. Das Argument ist, dass sich die Regierung simpel nicht einig geworden ist – und das ist ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung.

Sie waren in den vergangenen Monaten bestimmt unterwegs und haben mit Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen – und zwar egal aus welchem Bereich, ob das jetzt Tourismus oder Industrie war, ein kleiner Gewerbebetrieb oder ein Dienstleister; ganz egal – und von denen gehört, dass Arbeitskräfte­mangel das entscheidende Thema ist. Jetzt frage ich mich schon: Wenn wir wissen, dass das ein Bremsklotz der wirtschaftlichen Entwicklung ist, wieso um Gottes Himmels Willen scheitern Sie dann in einer Zeit, in der es notwendig wäre, Anreize zu setzen, damit Menschen wieder rascher Arbeit aufnehmen können, ausgerechnet mit so einem wichtigen arbeitsmarkt- und damit auch wirtschaftspolitischen Ansatz?

Das ist wirtschaftspolitisch einfach schwachsinnig! Es ist aber auch sozialpoli­tisch völlig falsch: Wenn man sich die österreichische Arbeitslosenstatistik anschaut, so sieht man, dass wir wieder einmal dort Spitze sind, wo es aber gar nicht so toll ist, nämlich beim Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den Arbeits­losen – dieser Anteil ist nirgendwo so hoch wie in Österreich –, das heißt, bei Menschen, bei denen sich Arbeitslosigkeit manifestiert hat. Und wir wissen, wie schwierig es ist, aus einer langen Arbeitslosigkeit heraus wieder ein selbstbe­stimmtes Leben führen zu können, in dem man wirklich frei und selbstbestimmt agieren kann.

Vor zehn Jahren lag die Anzahl von Personen in Langzeitarbeitslosigkeit bei etwas über 4 500 Personen, und jetzt sind wir bei weit über 80 000 Personen, das ist fast eine Verzwanzigfachung der Zahl der Langzeitarbeitslosen in unse­rem Land. Es ist einfach ein Armutszeugnis, wenn Sie sagen, Sie können sich bei entscheidenden Punkten einfach nicht einigen.

Ich möchte noch einen kleinen Sidestep zu einem weiteren wirtschaftspoliti­schen Irrflug machen, das ist natürlich das Veto zum Schengenbeitritt Rumäniens und Bulgariens: Also das ist ja wirklich ein Knieschuss der Sonderklasse, wirt­schaftspolitisch ein Wahnsinn gewesen, gerade Partnerländer innerhalb Europas so zu verprellen, die wichtig für unseren Wirtschaftsstandort sind, die wichtig für viele Wirtschaftsunternehmen in Österreich sind. Gleichzeitig versperren Sie sich auch den Weg, um sich in Immigrationsfragen starke Partner suchen zu können, um wirklich zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, wenn die EU sich nicht einigen kann. Da könnte zumindest eine Achse der Willigen vorangehen. Ich weiß nicht, welche Emotionalität oder Angst Sie da wieder geritten hat, aber auch das ist wirtschaftspolitischer Schwachsinn.

Was sind die Reformen, die jetzt angegangen werden müssten?

Natürlich diese Reform des Arbeitslosengeldes: Die Vorschläge liegen am Tisch. Natürlich sollte es so sein, dass am Anfang ein höherer Betrag ausbezahlt wird, weil wir auch wissen, dass viele Menschen gleich in den ersten 30 Tagen wieder Arbeit aufnehmen, aber dann sollte es selbstverständlich ein degressives Modell geben, wie es übrigens mittlerweile in so gut wie allen Ländern verankert ist, weil das einen ganz starken Anreiz bietet, auch rasch wieder Arbeit aufzuneh­men, damit sich eben die Arbeitslosigkeit nicht manifestiert.

Eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte: Sie haben eine Reform gemacht, aber es ist ein Reförmchen, denn es ist immer noch ein bürokratisches Monster – Gerald Loacker wird sicherlich darauf zu sprechen kommen. Es müsste natürlich drin­gend vonseiten der Bundesregierung die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtert werden, aber es müsste natürlich auch die Arbeitsmarkt­integration für die Menschen erleichtert werden, die nun einmal hier sind, weil sie Asylwerber sind oder einen Asylstatus haben, allen voran natürlich für die Ukrainerinnen und Ukrainer. Auch da gibt es eine Debatte. AMS-Chef Johannes Kopf hat, finde ich, völlig richtig darauf hingewiesen, dass das auch ein Arbeits­kräftepotenzial wäre. Viele würden auch gerne Arbeit aufnehmen, aber es scheitert sozusagen auch da am Willen der Bundesregierung.

Ich erinnere aber auch daran, dass es in Österreich Lehrlinge gibt, die wir auf Kosten von Unternehmen ausgebildet haben, dann aber abschieben, gut integrierte Lehrlinge. Da endlich einen Weg zu wählen, beispielsweise eines Spurwechsels, dass man auch die Möglichkeit hat, vom Status eines Asylwerbers auch auf einen Rot-Weiß-Rot-Karte-Titel zu wechseln, wäre eine große Erleichterung gerade auch für Betriebe, die Zeit und Geld und auch Herz in die Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern investiert haben. (Beifall bei den NEOS.)

Eine Modernisierung des Arbeitsrechts: natürlich, weil wir schon lange nicht mehr den Realitäten eines immer flexibleren Arbeitsmarktes mit einem immer höher werdenden Anteil an Wissensarbeit gerecht werden. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Zukunft.

Im Engeren noch sozusagen beim Arbeitslosengeld oder bei der Arbeitsmarkt­politik: Selbstverständlich betrifft das auch eine Anpassung der Zumutbar­keitsbestimmungen und damit eine stärker bundesländerübergreifende Arbeits­kräftevermittlung, weil wir ja wissen, dass es da durchaus Unterschiede in den Bundesländern gibt und die Dinge vom Osten zum Westen ganz unter­schiedlich sind.

Last, but not least möchte ich noch ein Thema aufgreifen, das wir NEOS jetzt seit Monaten trommeln, und das ist eine Senkung der Lohnnebenkosten. Wissen Sie, selbst mit der teilweisen Abschaffung der kalten Progression – die ich auch nicht kleinreden möchte, wir haben wirklich viele Monate Woche für Woche dafür gekämpft, dass die kalte Progression abgeschafft wird (Zwischenruf bei den Grünen); sie wird jetzt teilweise abgeschafft – steigt die Steuerquote, das heißt, die Steuer- und Abgabenlast bleibt weiter hoch.

Das Kernproblem dabei ist einfach, dass Mitarbeiter gerade in solchen Krisen­zeiten den Betrieben zu viel kosten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern netto zu wenig bleibt. Da sollte man ansetzen, und wir haben die Studie am Tisch gelegt, eine Studie der Ökonomen, die ausweist, wo Potenziale bei den Lohnnebenkosten sind, wo es aber auch möglich wäre, Kosten zu übernehmen, weil sie nicht direkt arbeitnehmerbezogene Leistungen sind, sondern beispiels­weise eigentlich auch durchaus aus dem Budget finanziert werden könnten. Das wäre ein Entlastungsbeitrag von 9 Milliarden Euro. Im Vergleich zu dem großen Paket von 50 Milliarden Euro, das Sie jetzt zur Bewältigung der Krise ausgeben, ist das ja ein geringer Anteil. Mit diesen 9 Milliarden Euro wäre es möglich gewesen, schon diesen Herbst flächendeckend netto 5 Prozent mehr Löhne für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ganz Österreich ohne weitere Kosten für Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den NEOS.)

Das wären die richtigen Schritte, die jetzt gemacht werden müssten, wirtschafts­politisch sinnvoll, stattdessen bleiben Sie in einem wirtschaftspolitischen Irrflug, machen hier eine geradezu sozialistische Politik des Geldausgebens mit beiden Händen, Geld, das weder Sie noch die Steuerzahler haben noch die nächste Generation haben wird. Ich verstehe nicht, warum dieser Stillstandsfrust die Politik so in den Klauen hält, anstatt dass wir hier wieder gemeinsam sagen können: Gehen wir es an in Richtung Zukunft, damit es wieder besser wird, damit die Menschen an eine gute Zukunft glauben und sich etwas aufbauen können! Gestaltungslust statt Stillstandsfrust! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. Ich darf ihn und auch die Frau Bundesministerin herzlich begrüßen. – Bitte, Herr Bundesminister.