14.55

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Die Diskussion war jetzt teilweise sehr heftig, aber ich finde, sie ist vielleicht nicht weit genug gegangen, weil nicht deutlich genug hervorgestrichen wurde, dass wir hier mit der Ukraine nicht nur solidarisch sein müssen, um der Ukraine zu helfen, sondern dass wir auch solidarisch sind und sein müssen, um uns zu verteidigen.

Die österreichische Neutralität ist zu verteidigen. Das steht in der Verfassung, aber seitdem hat sich einiges geändert. Die Bedrohung ist nicht mehr wie in den 1950ern, 1960ern, nur mit Panzern und mit Gewehren. Die Bedrohung heutzutage ist oft eine digitale, eine mediale, eine Propagandabedrohung, und die wirkt auf die österreichische Demokratie, und da müssen wir uns ver­teidigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden tatsächlich eine neue Sicherheitsdiskussion brauchen und werden uns tatsächlich in einen Kampf um die österreichische Demokratie wer­fen müssen, denn das, was da seit Jahren passiert, geht an die Substanz unserer Demokratien. Es ist in anderen Ländern noch viel deutlicher sichtbar ge­wesen: bei der Brexitabstimmung, bei der amerikanischen Wahl, bei Wahlen zum Europäischen Parlament war das auch schon sehr deutlich, wie die russische Propaganda versucht hat, Einfluss zu nehmen.

Im österreichischen innenpolitischen Diskurs läuft das über langfristige, langjährige Beeinflussung diverser Themen, Maßnahmen. Es ist kein Zufall, ab­solut kein Zufall, sondern gesteuerte russische Kommunikation, wie Dut­zende Studien nachweisen, dass das Publikum, das corona- und impfkritisch ist, das flüchtlingskritisch ist und das jetzt pro Putin agiert, dieselben Kommu­nikationskanäle nutzt, dasselbe Publikum ist und von derselben Partei angetrie­ben, aufgehetzt und genutzt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer. – Abg. Hafenecker: Ganz ehrlich, das glaubst ja selber nicht!) – Jetzt müsstest mich beleidigen können, damit ich für so etwas einen Ordnungsruf fordern kann.

Nein, es ist kein Zufall. Es ist russische Propaganda, die da betrieben wird und die von einer Partei hier genutzt wird, und dagegen müssen wir uns verteidigen. Im Sinne der Neutralität müssen wir die österreichische Demokratie verteidigen.

Das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) ist der Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Putins Partei. In diesem Freundschaftsvertrag steht, dass Sie gleich­berechtigt, zuverlässig und zur gegenseitig vorteilhaften Partnerschaft mitein­ander agieren. (Abg. Hafenecker: Lesen Sie den letzten Paragrafen!) Ihre Vor­teile sehen wir ständig in der Propaganda. Welche Vorteile verschaffen Sie Pu­tin? – Im Ukrainekrieg wird es deutlich. (Abg. Hafenecker: Lesen Sie den letzten Absatz!)

Hier steht, dass Sie gemeinsame Beratungen durchführen, Informationen austauschen, gemeinsame Seminare, Konferenzen abhalten, Vertre­ter der Öffentlichkeit beeinflussen wollen. Das steht alles hier drinnen. Das Beste ist: die „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude“. – Sie wollen mit den Russen unsere junge Generation erzie­hen? Sie wollen die Österreicher erziehen? Sie?!

Das haben Sie in einem Vertrag festgehalten – und bestreiten, dass es ihn gibt. (Abg. Hafenecker: Lesen Sie den letzten Absatz!)

Ja, den lese ich Ihnen vor: Die vorliegende Vereinbarung tritt mit der Unter­zeichnung in Kraft und hat eine Gültigkeit von fünf Jahren. Die Verein­barung wird „für die nachfolgenden 5-jährigen Zeiträume automatisch verlän­gert, bis eine der Seiten die andere Seite im Voraus, mindestens 6 Mona­te vor dem Ablauf der entsprechenden Gültigkeitsdauer, schriftlich über ihre Absicht benachrichtigt, die Vereinbarung zu beenden“. – Nichts läuft aus. Nichts läuft aus, wie Sie immer behaupten. Sie sagen die Unwahrheit. (Abg. Ha­fenecker: Schämen Sie sich!)

Ich sage jetzt – Sie können dann eine tatsächliche Berichtigung machen –: Die FPÖ hat einen aufrechten Freundschaftsvertrag mit Putins Partei und be­einflusst die österreichische Politik im Sinne einer ausländischen Macht. – Kommen Sie heraus ans Rednerpult, machen Sie eine tatsächliche Berichtigung und zeigen Sie mir schriftlich die Kündigung dieses Vertrages, denn die ist notwendig! Trauen Sie sich das! – Das können Sie nicht. Sie sind Ver­treter einer ausländischen Macht in diesem Parlament. – Danke. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

Präsidentin Doris Bures (zu dem das Redner:innenpult verlassenden Abg. Reimon): Herr Abgeordneter, wollten Sie nicht noch einen Antrag einbringen?

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (fortsetzend): Da war ja noch was – Gott sei Dank habe ich noch 1 Minute.

Wir haben jetzt hier viel geredet, der Ukraine unsere Solidarität erklärt. Ich finde, wir sollten als Parlament auch einen Beschluss fassen und nicht nur Re­den halten, deswegen wollte ich jetzt noch folgenden Antrag dazu einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Jörg Leichtfried, Michel Reimon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Jahrestag des Beginns des rus­sischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht,

- weiterhin mit Nachdruck insbesondere im Verband mit der EU und in enger Abstimmung mit internationalen Partnern wie bisher für die unverzügliche Einstellung der Angriffe Russlands und die Wiederherstellung der territorialen Integrität und vollen Souveränität der Ukraine, der Einhaltung des Völker­rechts und der Menschenrechte einzutreten,

- sich dafür einzusetzen, dass Täter und Befehlshaber für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine rasch zur Verantwor­tung gezogen werden,

- bilaterale Bemühungen fortzuführen und multilaterale Bemühungen wie jene im Rahmen der Vereinten Nationen und der OSZE mit Nachdruck zu unter­stützen, um eine Deeskalation des Krieges bei gleichzeitigem Offenhalten von Gesprächskanälen zur Förderung eines politischen Friedensprozesses zur Herstellung eines gerechten und dauerhaften Friedens zu erreichen und

- weitere humanitäre Unterstützung für die Ukraine und den am meisten von den negativen Auswirkungen des Krieges betroffenen Nachbarländern in der Region bereitzustellen.“

*****

Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Jörg Leichtfried, Michel Reimon, MBA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine

eingebracht im Zuge der Debatte in der 200. Sitzung des Nationalrates zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein Jahr russischer Angriffskrieg in der Ukraine - Wie sichern Sie Österreichs Freiheit und Sicherheit von Putins Russland, Herr Bundeskanzler?“

Begründung

Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Russland bricht auf brutale Weise das Völkerrecht, verletzt die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine, gefährdet die Sicherheit Europas und bedroht die europäischen Werte. Den Menschen in der Ukraine wurde im bisherigen Verlauf des Krieges unfassbares Leid zugefügt. Ermittlungen hinsichtlich mutmaßlicher Kriegsverbrechen werden der­zeit u.a. durch die vom VN-Menschenrechtsrat eingesetzte Untersuchungs­kommission mit Sitz in Wien sowie dem Internationalen Strafgerichtshof durch­geführt.

Am 24. Februar 2022 hat der österreichische Nationalrat in dem ersten von insgesamt sieben Beschlüssen seit Ausbruch des Krieges den am selben Tag von Präsident Putin angeordneten Angriffskrieg auf die Ukraine auf das Schärfste verurteilt und seine umfassende Solidarität mit der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung bekundet, jenen Menschen, die Angehörige im Krieg verloren haben, die zur Flucht innerhalb der Ukraine und ins Ausland getrieben wurden und deren Heimat von massiver Zerstörung betroffen ist. Zudem gebührt den Ukrainerinnen und Ukrainern, die sich weiter jeden Tag tapfer und vehement der russischen Aggression entgegenstellen, vollste Unterstützung und Respekt.

Seit dem Ausbruch des Krieges am 24. Februar 2022 hat Österreich gemeinsam mit der Europäischen Union und in Abstimmung mit internationalen Partnern schnell und entschieden mit umfassenden restriktiven Maßnahmen auf die russische Aggres­sion reagiert und substantielle humanitäre und makrofinanzielle Hilfe an die Ukraine geleistet. Seit Kriegsbeginn beläuft sich die österreichische Unterstützung für die Ukraine und die besonders von den negativen Auswirkungen des Krieges betroffenen Nachbarstaaten auf über 124,6 Millionen Euro. Sie reicht von Unterstüt­zungen finanzieller Natur bis hin zu Sachspenden. Hinzu kommt die österrei­chische Unterstützung für den Internationalen Strafgerichtshof in der Höhe von 200.000 Euro und die Entsendung eines Experten.

Die unterfertigten Abgeordneten bekräftigen erneut ihre Solidarität mit der Ukraine und deren Bevölkerung, verurteilen auf das Schärfste die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression Russlands und werden sich auch weiterhin für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine einsetzen.

Gezielten Desinformationskampagnen wie sie von Kreml-nahen Quellen mittels Pro­paganda und Fake News verbreitet werden, ist entschieden entgegenzutreten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen demnach folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht,

-      weiterhin mit Nachdruck insbesondere im Verband mit der EU und in enger Ab­stimmung mit internationalen Partnern wie bisher für die unverzügliche Einstellung der Angriffe Russlands und die Wiederherstellung der territorialen Integrität und vollen Souveränität der Ukraine, der Einhaltung des Völker­rechts und der Menschenrechte einzutreten,

-      sich dafür einzusetzen, dass Täter und Befehlshaber für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine rasch zur Verantwor­tung gezogen werden,

-      bilaterale Bemühungen fortzuführen und multilaterale Bemühungen wie jene im Rahmen der Vereinten Nationen und der OSZE mit Nachdruck zu unter­stützen, um eine Deeskalation des Krieges bei gleichzeitigem Offenhalten von Gesprächskanälen zur Förderung eines politischen Friedensprozesses zur Herstellung eines gerechten und dauerhaften Friedens zu erreichen und

-      weitere humanitäre Unterstützung für die Ukraine und den am meisten von den negativen Auswirkungen des Krieges betroffenen Nachbarländern in der Region bereitzustellen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. – Der Entschließungsantrag ist somit ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung und dann zur Abstimmung.

Jetzt liegt mir eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Hafenecker. (Abg. Michael Hammer: Hat jetzt noch schnell ein Kündigungsschreiben gebastelt!)