19.36

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Barbara Prammer, Gabriele Heinisch-Hosek, Doris Bures, Sabine Oberhauser, Pamela Rendi-Wagner und Johanna Dohnal, was haben diese Frauen gemeinsam? – Sie alle waren beeindruckende Frauenministerinnen der Zweiten Republik, sie haben sich für die Frauen in diesem Land eingesetzt und sie kommen und kamen von der Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Und weitergebracht haben sie nichts!) – Willst du jetzt irgendwie sagen, dass Johanna Dohnal in diesem Land nichts zu­sammengebracht hat? Schämen Sie sich, Herr Kollege! Johanna Dohnal war eine der Vorreiterinnen der Frauenbewegung in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich mir anschaue, was in einzelnen Ausschüssen passiert, dann ist es manchmal wirklich nicht einfach, die Würde dieses Hauses zu wahren. Denn, seid mir nicht böse, die Art und Weise, wie die Regierungsfraktionen im Gleichbehandlungsausschuss mit The­men umgehen, das grenzt an eine Frotzelei und an nichts anderes. (Zwi­schenruf des Abg. Obernosterer.)

Ich bin froh darüber, dass wir heute überhaupt zwei Vorlagen aus dem Bereich Gleichbehandlung im Plenum diskutieren können, darunter auch über die­sen Antrag zur sexuellen Bildung, aber auch nur, weil Sie ihn abgelehnt haben. Schauen wir uns an, warum Sie diesen Antrag hier abgelehnt haben: Weil der Bildungsminister nach fünf Jahren Ankündigung und Versprechen endlich den Erlass für externe Sexualpädagogikworkshops veröffentlicht hat.

Das Problem ist nur: Dieser Erlass löst keines der vielen, vielen Probleme, die wir in diesem Bereich haben. Statt einer echten Lösung für sexuelle Bildung in Schulen, bekommen wir ein zahnloses, intransparentes Bewertungsverfahren. Es gibt weder ausreichend Geld noch regelmäßige Qualitätskontrollen. Fakt ist: Der Verein Teenstar kann und wird durch diesen Erlass wieder in unsere Klassenzimmer kommen, und das ist inakzeptabel, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie des Abg. Stögmüller.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garantieren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die Gewährleistung bestmöglicher, qualitätsvoller sexueller Bildung in Schulen durch externe Anbieter*innen – insbesondere durch eine umfassende, langfristige Finanzierung und regelmäßige Kontrolle der gelehrten Inhalte – ab Beginn des Schuljahrs 2023/2024 bundesweit sicherzustellen.“

*****

(Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Art und Weise, wie die Regierung mit der sexuellen Bildung an unseren Schulen umgeht, ist leider beispielhaft für alle anderen Fragen im Gleichbehandlungsbereich.

Ich gebe Ihnen ein anderen Beispiel: Konversionstherapien. Zwei Mal hat der Nationalrat schon beschlossen, dass es ein gesetzliches Verbot dieser Prakti­ken braucht. Doch anstatt dass ein wirkliches Gesetz verabschiedet wird, heißt es von ÖVP und Grünen alle paar Monate: Bald sind wir soweit. Die Grü­nen haben es anscheinend endlich geschafft, einen Gesetzentwurf fertig­zustellen, die ÖVP will jetzt einmal in Ruhe darüber diskutieren.

Während Sie Ihre Arbeit in der Regierung nicht machen, berichtet die „Kleine Zei­tung“ letzte Woche darüber, wie solche Konversionstherapien in der Praxis ausschauen. Wenn zum Beispiel in Graz unter dem Deckmantel einer Hagiothe­rapie Menschen therapiert werden und dort lernen, Homosexualität sei eine Krankheit, die man heilen muss, dann geht das einfach nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, machen Sie endlich Ihre Arbeit und setzen Sie die Beschlüsse des Nationalrates ohne Parteispielchen um! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

19.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner,

Genossinnen und Genossen

betreffend endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garantieren

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1497/A(E) der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung von qualitätsvoller sexueller Bildung und Umsetzung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens (1931 d.B.)

Seit fast fünf Jahren zeigt die mediale und politische Debatte in Österreich den drin­genden Handlungsbedarf im Bereich der sexuellen Bildung. Nach jahrelangen Ankündigungen legte das BMBWF Ende 2022 endlich einen Entwurf für das lange angekündigte Akkreditierungsverfahren für externe Angebote sexueller Bildung im Schulunterricht vor. Doch sowohl Expert*innen als auch Organisationen, die seit Jahren wichtige Angebote in diesem Bereich zur Verfügung stellen, haben zahl­reiche Probleme in den Details der „Verordnung über die Geschäftsstelle zur Quali­tätssicherung von schulexternen Angeboten zur Unterstützung des schuli­schen Unterrichts (externe Qualitätssicherungsverordnung)“ ausgemacht. Auf diese Bedenken wurde jedoch im Zuge der Begutachtung, sowie in der im Febru­ar 2023 schließlich veröffentlichten Verordnung nicht eingegangen.

Klar ist, dass die bundesweite Bildungspolitik den dringenden Auftrag hat, quali­tätsvolle und wissenschaftlich fundierte sexuelle Bildung zu garantieren. Die Befürchtung, dass sich beim nun stark verspätet vorgestellten Akkredi­tierungsverfahren am Ende um ein zahnloses Bewertungsprozedere handelt, dass keine der grundlegenden Herausforderungen im Bereich der sexuellen Bil­dung löst, zeigen jedoch, dass das BMBWF dieser Aufgabe bisher nicht gerecht wird.

Fehlende Ausschlussmöglichkeiten, keine regelmäßige Überprüfung und das Aus­bleiben regelmäßiger, stichprobenartiger Kontrollen der von externen Anbieter*innen gelehrten Inhalte bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs. So kritisieren langjäh­rige Expert*innen gegenüber den Medien schon jetzt, dass beispielsweise im Bereich des Vereins Teen Star, der 2018 als Auslöser der medialen Debatte um sexuelle Bildung diente, eine rein einmalige Überprüfung der Schulungsunterlagen möglicher­weise nicht den tatsächlich gelehrten Inhalt in Schulworkshops kontrollieren kann: „Auf der Website kann man bereits lesen, wie bestimmte Inhalte dem White­washing unterzogen wurden.“1 Bisher hat das zuständige Ressort nicht ersicht­lich machen können, wie ein solche Whitewashing dauerhaft unterbunden werden soll und damit sichergestellt werden kann, dass externe Angebote sexueller Bildung im Klassenzimmer als notwendige Ergänzung zum Regelunterricht den wis­senschaftlichen und humanistischen Standards unserer Bildungspolitik auch wirklich entsprechen. Es bleibt zu befürchten, dass auch künftig unter dem Deckman­tel der sexuellen Bildung sexistische, homophobe und unwissenschaftliche Inhal­te in österreichischen Klassenzimmern gelehrt werden. Laut eigenen Angaben ist zum Beispiel der Verein Teen Star trotz des medienwirksamen „Verbots“ durch den damaligen Bildungsminister im Schuljahr 2021/2022 in drei Bundesländern aktiv ge­wesen – das Problem im System ist nicht nur dadurch offensichtlich.

Mutige Bildungspolitik, die erkennt, dass sexuelle Bildung vor allem die Aufgabe hat, junge Menschen dabei zu unterstützen, ein selbstbestimmtes und sicheres Er­wachsenenleben führen zu können, sieht anders aus: Statt eines zahnlosen Bewer­tungsprozederes externer Anbieter*innen und des Abwälzens der Verantwortung auf Schulen und Lehrer*innen braucht Österreich endlich ein gut ausgebautes und ausreichend finanziertes Netz an Anbieter*innen sexueller Bildung. Die Frage der Fi­nanzierung ist dabei von besonderer Bedeutung: Es kann und darf nicht im Inter­esse der Republik liegen, dass Angebote, die für Schulen notwendigerweise kostenfrei sein müssen, sich auf Finanzmittel von Stellen zu verlassen haben, die ideologi­sche oder politische Hintergründe haben. Gleichzeitig muss für alle Anbieter*innen auch eine entsprechende Aus- und Fortbildung, sowie Supervision gewährleistet sein, wenn sie sexuelle Bildung in unseren Klassenzimmern unterrichten. Der Zustand, dass solche Angebote über Mittel aus anderen Bereichen, zum Beispiel aus dem Frauen- oder Familienressort „mitfinanziert“ werden, deckt zwar Lücken ab und ermöglicht notwendige Arbeit, erfüllt aber den Zweck einer bundesweiten Bil­dungspolitik nicht. Es braucht bundesweite Finanzmittel für ausreichend über­prüfte, regelmäßig kontrollierte Angebote, die den gesetzlichen Anforderungen und dem Stand der Wissenschaft unserer vielfältigen und selbstbestimmten Gesell­schaft entsprechen – und zwar rasch, bevor noch weitere Jahrgänge an Schüler*innen aufgrund politischer Untätigkeit zurückgelassen werden!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die Gewährleistung bestmöglicher, qualitätsvoller sexueller Bildung in Schulen durch externe Anbieter*innen – insbesondere durch eine umfassende, langfristige Finanzierung und regelmäßige Kontrolle der gelehrten Inhalte – ab Beginn des Schuljahrs 2023/2024 bundesweit sicherzustellen.“

1      https://www.moment.at/teenstar-noch-immer-an-schulen-2023

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Nico Marchetti. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.