19.43

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Lindner hat es schon angesprochen; ich weiß nicht, ob Sie sich noch an den Verein Teen­star erinnern können. Das ist ein Verein, der – das muss man so ausspre­chen – widerliche Kurse an Schulen abgehalten hat, die homophob, die frauen­verachtend und die reaktionär waren. Das hat damals für einen großen Aufschrei gesorgt. Das war im Jahr 2019.

Es hat also fast vier Jahre gebraucht, bis diese Regierung eine Verordnung vor­gelegt hat, in der sie Kriterien für externe Vereine im Bereich der Sexual­pädagogik aufgestellt hat. Diese Verordnung, die vorgelegt wurde, folgt einem Muster – wie die türkis-grüne Regierung arbeitet. Die hat, wenn man so will, das türkis-grüne Regierungsgütesiegel. Zuerst wird blockiert. Zuerst blo­ckieren Sie es, dann verzögern Sie es und dann legen Sie ein schlechtes Gesetz und eine schlechte Verordnung vor, und das sehen wir auch in diesem Fall. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Fakt ist, Teenstar kann weiterhin an Schulen tätig sein. Der Verein, der ausschlaggebend für dieses ganze Verfahren, für diesen ganzen Prozess war, kann weiterhin an Schulen tätig sein. Deswegen ist auch die Kritik der Expertinnen und Experten, sind die Stellungnahmen zu dieser Verordnung vernichtend.

Ich möchte noch zu einem anderen Thema sprechen, das im Ausschuss auch Thema war – leider noch immer, also schon wieder Thema war –, nämlich das Verbot von sogenannten Homoheilungen, also Homoumpolungstherapien. Um das vielleicht noch einmal kurz für all jene zu erklären, die noch immer nicht wissen, was das bedeutet: Da geht es um Verfahren, mit denen versucht werden soll, minderjährige Teenager, die schwul oder lesbisch sind, umzu­polen, also ihre sexuelle Orientierung zwanghaft zu verändern.

Weil gerade Kollegin Kugler hereinkommt, die ja immer wieder gesagt hat, sie kann sich nicht vorstellen, dass es so etwas in Österreich noch gibt: Ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern, Sie waren ganz außer sich, dass es so etwas in Österreich gibt. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der „Kleinen Zeitung“ vom letzten Wochenende, die in einer ausführlichen Reportage dargelegt hat, dass mitten in Graz – Kollege Lindner hat es gesagt – ein sogenanntes Hagiotherapiezentrum tätig ist, das genau solche Therapien durchführt. Das ist der beste Beweis dafür, dass es solch ein Verbot end­lich braucht. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Jetzt würde man sich denken, okay, wir haben das Problem erkannt und jetzt müsste nur noch der Gesetzgeber tätig werden beziehungsweise bräuchten wir irgendeinen Vorschlag. Seit 2021 ist Frau Justizministerin Alma Zadić vom Parlament verpflichtet – mit Entschließungsantrag dazu verpflichtet! –, eine Re­gierungsvorlage vorzulegen. Sie hat das bis zum Jahr 2022 nicht gemacht. Da wurde es dem Koalitionspartner übermittelt, und das Parlament hat immer noch nichts davon gesehen. Das verstehe ich nicht. Unabhängig vom In­halt: Es gibt einen Entschließungsantrag, und der ist umzusetzen. Ich sehe nicht ein, warum das immer noch nicht auf dem Tisch liegt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Auch in Richtung der Grünen sei gesagt, weil Sie jetzt sagen, die ÖVP verzögert es: Wer hat denn überhaupt verzögert, dass es zum Entwurf gekommen ist? Was hat da so lange gebraucht? In Deutschland gibt es ein Gesetz, das müsste man nur abschreiben. Man könnte sich das Begutachtungsverfahren dort anschauen, man könnte die Inputs nehmen. Warum braucht das denn Jahre? Und vor allem: Warum verspricht die Frau Justizministerin, dass es kommt, und bricht ihr Versprechen regelmäßig? Das ist nicht einzusehen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist ungeheuerlich, dass es im Jahr 2023 noch legal ist, zu versuchen, einen 17-jährigen Schwulen nach der Tortur eines Outings umzupolen, zu ver­suchen, einer 16-jährigen Lesbe darzulegen, dass die heterosexuell sei, wo wir doch wissen, dass es nicht möglich ist, die sexuelle Orientierung umzupolen, die sexuelle Orientierung zu heilen. Weil Sie das ohne parlamentarischen Druck nicht schaffen, bringe ich erneut einen Entschließungsantrag ein, der fol­gendermaßen lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversionstherapien stoppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird erneut aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der die Ausübung von Konversions- und vergleichbaren ‚reparativen Therapieformen‘ an Minderjährigen verboten wird.“

*****

Nehmen Sie diesen Entschließungsantrag an! Legen Sie einen Entwurf vor und beschließen wir gemeinsam endlich ein Verbot dieser Therapien! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

19.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Konversionstherapien stoppen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 202. Sitzung des Nationalrats über den Be­richt des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1497/A(E) der Abge­ordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung von qua­litätsvoller sexueller Bildung und Umsetzung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens

– TOP 7

Bereits im Juli 2019 hat der Nationalrat eine einstimmige Entschließung gefasst (1), die dezidiert die unverzügliche Ausarbeitung einer Regierungsvorlage gefordert hat, die die Ausübung von sogenannten Konversions- und vergleichbaren "reparati­ven Therapieformen" an Minderjährigen verbietet. Diese Regierungsvorlage wäre dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen gewesen.

Obwohl es sich hierbei um eine einstimmige Entschließung aller damals im Parlament vertretenen Parteien (2019 exklusive Grüne) gehandelt hat, wurden bis heute in dieser Hinsicht keine weiteren Schritte gesetzt. Regelmäßige Nachfragen bringen zu Tage, dass es offensichtlich eine jährliche Abstimmung zwischen Justiz- und Ge­sundheitsministerium gibt, seit Sommer 2022 gäbe es eine Regierungsvor­lage "in Koalitionsabstimmung" (2).

Gerade bei LGBTIQ-Materien scheint es allerdings immer wieder zu Verzögerungen bei der Vorlage von erarbeiteten Gesetzen zu kommen. Neben dem einstim­mig beschlossenen Verbot von Konversionstherapien heißt es schließlich auch bei der Qualitätssicherung in der Sexualpädagogik(3) oder einem IGM-Verbot(4): "Bitte warten". Der gemeinsame Nenner besteht darin, dass es in diesem Bereich zwar gemeinsame Bekenntnisse gibt, im Ergebnis LGBTIQ-Jugendliche aber weiterhin ungeschützt gesellschaftlicher Willkür ausgesetzt sind.

Denn die aktuelle Rechtslage ist nicht ausreichend, um Minderjährige vollumfassend vor sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" zu schüt­zen. Weder sind Berufsgesetze unter dem Aspekt des "Arbeitens nach bestem Wissen und Gewissen" ausreichend, da solche sog. Therapien häufig außerhalb eines beruflichen/therapeutischen Kontexts stattfinden, z.B. im erzkatholischen Umfeld oder in konservativ-muslimisch geprägten Familienkulturen(5). Auch sind be­reits bestehende Schadensersatzansprüche, die ja erst dann greifen, wenn es bereits zu spät ist, kein ausreichendes Mittel, um Minderjährige vor massiv psychisch und physisch schädigenden Behandlungen zu schützen. Genauso gibt es Minderjäh­rige, die durch Druck von außen ihre sexuelle Orientierung selbst als falsch emp­finden und sich freiwillig solchen sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" unterziehen - auch hierfür gibt es zurzeit keine angemessene gesetzliche Grundlage, um den Schutz von Minderjährigen zuverlässig und vollum­fänglich zu garantieren.

Nachdem gerade die Pandemie und folgende Krisen gezeigt haben, dass psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen dringend weiter in den Fokus ge­rückt werden muss, müssen Worten endlich Taten folgen. Denn trotz der bisherigen Beschlüsse und Bekenntnisse zeigt sich nämlich immer wieder, dass Konver­sionstherapien weiterhin angeboten werden. Selbst 2023 gibt es immer noch Ange­bote, die Homosexualität als "Anomalie" bezeichnen und mit Alkoholismus ver­gleichen und - eben besonders problematisch - psychische Probleme als Ursache für sexuelle Orientierung sehen (6). Besonders der erhöhte Fokus auf Mental Health erhöht die Einfallschancen für derartig missbräuchliche Unterstellungen.

Wie so oft, könnte die deutsche Gesetzgebung als Vorbild genommen werden, wo am 7. Mai 2020 im Deutschen Bundestag ein Verbot von sogenannten Konversions­therapien als „wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexuali­tät hadern“ beschlossen und das begleitende Gesetz bereits am 12. Juni 2020 erlassen wurde (6). Derartiges Tempo bei der Umsetzung wird sich wohl nicht mehr ausgehen, doch die ausgearbeiteten Gesetzesvorlagen könnten endlich dem Parlament zur Beschlussfassung zugeleitet werden. Denn noch immer gibt es Grup­pen und Organisationen, die die Überzeugung vertreten und verbreiten, nicht heterosexuelle Orientierungen (z.B. Homo- oder Bisexualität) seien eine „Krankheit“ und behandlungsbedürftig. Sie bieten sogenannte Konversionstherapien an, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperli­ches und seelisches Leid. Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende ge­sundheitliche Schäden durch solche „Therapien“ wie Depressionen, Angst­erkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem auch Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.

Es gilt daher nach wie vor, zumindest die einstimmige Entschließung des Nationalrats vom 16. Juni 2021 umzusetzen, um unverzüglich den notwendigen, angemesse­nen und vollständigen Schutz von Minderjährigen vor solchen sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" zu garantieren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird erneut auf­gefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die Ausübung von Konversions- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen verboten wird."

1.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVI/E/82?selectedStage=105

2.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/12490

3.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/1497

4.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/594

5.    https://www.derstandard.at/story/2000118968091/jung-laessig-aber-bitte-nicht-schwul

6.    https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6255094/Heilung-von-Homosexualitaet_Wie-eine-Grazer-Einrichtung

7.    https:// www.bundesgesundheitsministerium.de/konversionstherapienverbot.html

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Eßl: Was sagt der dazu?)