Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben es schon gesagt: Rückübernahmeabkommen. Damit beschäftigt sich einleitend meine Frage.

Sie haben 90 000 Menschen aus der Ukraine erwähnt, die die Zivilgesellschaft aufnimmt und für die sie sorgt. Das ist nicht das Thema. Das Thema sind eher die 100 000 übrigen Asylwerber, die die Zivilgesellschaft in Österreich auch zu verkraften hat – das ist eine Belastung –, und die Art und Weise, wie man insbesondere mit jenen umgeht, die abgelehnt wurden, also mit abgelehnten, de facto dann illegal aufhältigen Personen. Da stellt sich die Frage zu Rückübernahmeabkommen.

Sie haben im Ausschuss gesagt, ihr Ziel sei es, 70 Prozent derer, die abgelehnt sind, im Rahmen von Rückübernahmeabkommen letztlich wieder dorthin zu bringen, wo sie herkommen. Sie haben aber gleichzeitig gesagt – und das ist besorgniserregend –, dass der Istzustand nur 30 Prozent ausmacht. Wir reden von abgelehnten und illegal Aufhältigen.

Konkrete Frage:

250/M

„Welche konkreten Maßnahmen hinsichtlich welcher Staaten werden Sie ergreifen, um im Jahr 2023 tatsächlich funktionierende Rückübernahmeabkommen abzuschließen?“

Denn tatsächlich funktionierende gibt es de facto keine.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Na ja, ich glaube, Sie haben recht. Das ist sicher unsere Achillesferse, dass die Situation momentan so ist, dass von zehn Personen, die nach Europa kommen und abgelehnt werden und die keine Berechtigung haben, hierzubleiben, weil sie keinen Schutzstatus brauchen und keinen Asylstatus erhalten, in Wirklichkeit sieben hierbleiben. Das wissen natürlich die Menschenschlepper, das wissen die Migranten. Deswegen ist das sicher auch eines der Elemente, warum man da als europäischer Kontinent sozusagen aus falschen Gründen attraktiv ist.

Ich glaube, wir müssen einen holistischen Ansatz wählen. Ich bin froh, dass da in der Europäischen Union auch langsam ein Umdenken stattfindet. Wir haben jetzt einen Beschluss auf europäischer Ebene, dass wir Zollpräferenzen zurück­nehmen können, wenn Staaten bei der Rückübernahme nicht mehr kooperativ sind. Wir haben da schon bei der Visaliberalisierung einen entsprechenden Hebel. Man muss jetzt nur einen politischen Willen finden, ihn auch anzuwen­den.

Ich glaube, das gilt auch für Österreich. Ich habe es ja vorhin erwähnt. Wenn wir diesen holistischen Ansatz haben, dann ist auch die Entwicklungszusammen­arbeit nicht ausgeschlossen. Es kann nur eine rot-weiß-rote Politik geben. Es kann nicht sein, dass ich auf der einen Seite Geld gebe, und auf der anderen Seite gibt es keine Zusammenarbeit. Das läuft für mich nicht.

Gleichzeitig arbeiten wir natürlich an Rückübernahmeabkommen. Sie haben schon recht: Es gibt Staaten, wo das mit der Rückführung funktioniert, obwohl wir kein Abkommen haben, und es gibt Staaten, wo es ein Abkommen gibt – sei es mit der Europäischen Union oder mit uns –, wo es etwas schleppend funktioniert.

Ich glaube aber, das ist ein Bohren harter Bretter. Wir sind gerade dabei, einige schöne Elemente zusammenzukriegen. Ich erwähne etwa das Migrations- und Mobilitätsabkommen mit Indien, das wir demnächst unterschreiben können. Da bin ich aus technischen Gründen nicht jetzt im März hingefahren, um es zu unterschreiben, weil das Beschlussverfahren in Indien noch nicht abgeschlossen war.

Zu Marokko: Der Bundeskanzler war dort, das war ein großer Durchbruch. Man sieht auch tatsächlich die Aktivitäten on the ground, am Boden. Wir haben ein Abkommen mit der Mongolei, das fertig ist, ein Durchführungsabkommen zum EU-Abkommen mit Armenien und Aserbaidschan, das fertig ist. Wir haben sehr gute Fortschritte in den Verhandlungen mit Kasachstan. Ägypten möchte mit uns verhandeln.

Ich sage nicht, dass jeder dieser Staaten jetzt sozusagen unter den Top-zehn-Staaten ist, aus denen Migranten herkommen. Vorsicht ist aber sozusagen die Mutter der Porzellankiste: nicht erst dann zu reagieren, wenn man die Zahlen in Österreich erreicht. Wir sahen ja letztes Jahr wegen der Visaliberalisie­rungs­politik Serbiens plötzlich sehr überraschend Indien, das in unserer Statistik eigentlich noch nie aufgeschienen ist. Auch da haben wir einen Riegel vorge­schoben.

Das heißt, man kann nicht nur mit einer Maßnahme auf einer Ebene ansetzen, sondern auf verschiedenen.

Ein letzter Punkt ist von mir noch zu erwähnen. Das ist unsere Botschaft, die wir in Bagdad im Irak eröffnet haben, auch das – nicht nur, aber auch – klar mit dem Hintergrund, dass die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme von irakischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern besser wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kassegger, bitte.

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): In Bezug auf den Irak und Syrien wäre es zum Beispiel wunderbar, wenn wir etwas zusammenbringen. Das hat schon sehr viel von den – ich zitiere Sie jetzt wieder – dysfunktionalen Systemen. In Wahrheit funktioniert es also nicht. Wir werden weiterhin genau beobachten, ob Sie über die Ankündigungsphase jetzt in eine tatsächliche Umsetzungsphase kommen. Man muss leider sagen: Bisher passiert bei der Umsetzung sehr wenig.

Meine Zusatzfrage beschäftigt sich mit dem Außengrenzschutz. Da haben wir auch – das haben Sie selbst gesagt – ein dysfunktionales System. Da geht es ja auch immer um die Frage: Es werden Kompetenzen an die Europäische Union abgeschoben, und die Europäische Union macht nichts. Den Nationalstaaten wird teilweise verboten, das auf nationalstaatlicher Ebene zu machen, beziehungsweise ist es dann auch ganz gut, sagen zu können: Wir dürfen nichts machen, weil das im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union ist.

Meine konkrete Frage zum Außengrenzschutz: Wir haben ja ein paar Tausend Kilometer europäische Außengrenze, und Sie kennen die Stärke von Frontex, das sind 1 500, 2 000 Personen. Wie stellen Sie sich konkret die Stärkung des Außengrenzschutzes in der Europäischen Union vor?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich glaube, da gibt es in Wirklichkeit einen Konzeptionsfehler. Daran sind wir alle nicht unschuldig – kein EU-Mitgliedstaat. Als wir damals Schengen entworfen haben, waren die Nettozahler aus finanziellen Gründen nicht zu einem integrierten Außengrenzschutz bereit, die Staaten, die an der Außengrenze sind, waren aus Souveränitätsgründen nicht bereit, das zu vergemeinschaften.

Die Logik wäre: Wenn wir schon – ich habe vorhin das Bild gezeichnet – alle unsere Wohnungstüren aushebeln und aushängen, dann sollten wir gemeinsam Geld für eine gescheite Haustür zusammenlegen. Das wäre die Logik. Das hat man damals aus verschiedenen Gründen nicht gemacht.

Seit 2015 und besonders in letzter Zeit hat sich das aber geändert. Unter anderem auch wegen unserer klaren Positionierung zu Schengen und Rumänien und Bulgarien hat sich das geändert. Zum allerersten Mal ist man bereit, doch namhafte Finanzmittel für den Außengrenzschutz oder für die Außengrenzen zur Verfügung zu stellen.

Ich persönlich halte es für absurd, dass wir damals die Situation mit Belarus hatten, als Lukaschenka plötzlich Migration als Waffe verwendet hat. Litauen musste aus eigenem Steuerzahlergeld den Zaun bauen, der aber uns alle schützt, denn die Migranten wollten nicht in Litauen bleiben. Ich und die österreichische Bundesregierung sind weiterhin dafür, dass das eine gemeinsame EU-Politik wird, die auch gemeinsam finanziert und durchgeführt wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Laimer. – Bitte.

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ein klares Ziel des Regierungsübereinkommens von ÖVP und Grünen war es, Rückübernahmeabkommen abzuschließen. Leider sind die konkreten Erfolge seitens der Bundesregierung bis dato nicht vorzuweisen.

Meine Frage bezieht sich darauf: Welche Rückübernahmeabkommen sind konkret seit Regierungsbeginn mit welchen Ländern geschlossen worden und inwieweit wird mit anderen Partnern – nämlich innerhalb der EU, das ist ganz wichtig für uns – diesbezüglich auch kooperiert?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich habe ja vorhin erwähnt, im Januar haben der indische Außenminister und ich das Migrations- und Mobilitäts­abkommen mit Indien paraphiert, die Unterzeichnung wird demnächst stattfinden.

Mit Marokko gab es jetzt eine Vereinbarung, in der gemeinsam Beschleuni­gun­gen bei Rückübernahmen, gerade auch von Straffälligen, zugesagt wurden. Das erfolgt auch, das wird auch tatsächlich umgesetzt, das ist sehr erfreulich.

Wie ich vorhin gesagt habe, mit der Mongolei ist das Abkommen fertig, und der Ministerratsvortrag wird demnächst der Bundesregierung vorgelegt werden. Ägypten hat sich bei uns gemeldet, möchte Verhandlungen aufnehmen. Die ersten Gespräche waren sehr positiv. Mit Armenien und Aserbaidschan werden wir sehr bald die Durchführungsabkommen haben. Es ist tatsächlich ein Bohren harter Bretter.

Um Marokko als Beispiel zu nennen: Die Europäische Union hat ein Verhand­lungsmandat für Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit Marokko, weshalb wir aufgrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes keines mehr schließen können. Was wir aber gemacht haben, ist eine Vereinbarung, ein Memorandum of Understanding zu schließen, das in diesem Fall politisch sehr viel für uns bringt.

Wir werden diesen Weg weitergehen, aber ja, es ist ein Bohren harter Bretter, weil sich manche Staaten in dem Zusammenhang nicht sehr kooperativ zeigen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage ist jene des Abgeordneten Reimon. – Bitte.