13.06
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Erlauben Sie mir ganz kurz zu Beginn eine Anmerkung, anschließend an diese kurze Abhandlung zum Thema Ordnungsruf: Wenn ich Führungen durch das Parlament, durch das Hohe Haus mache und wir dann hier im Plenarsaal sind, dann ist immer eine der drängendsten Fragen der Bürgerinnen und Bürger, wie denn das mit den Ordnungsrufen ist, was die dann eigentlich für Konsequenzen haben. Ich sage dann immer allen Bürgerinnen und Bürgern: Schauen Sie bitte selber in der Liste nach, welche Personen hier im Haus die meisten Ordnungsrufe erhalten haben, und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.
Besonders interessant für die Bürgerinnen und Bürger ist immer die Liste der Wörter, für die man automatisch einen Ordnungsruf bekommt. Ich glaube, wir werden sie demnächst einmal online stellen, weil manches auch ein bisschen aus der Zeit gefallen ist, Herr Präsident, wie ich meine. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schallmeiner.)
Ich komme jetzt zur Sache. Seit Monaten weisen wir darauf hin, dass unser Land nicht gut dasteht, nicht gut durch die Krisen gekommen ist. Das beginnt bei der Coronakrise. Im Gegensatz zu dem, was der Herr Klubobmann von der FPÖ immer von der Einheitspartei schwadroniert, wissen Sie ganz genau, dass wir NEOS immer in Bezug auf dieses Auf und Zu und die vielen Lockdowns sehr kritisch waren (Abg. Belakowitsch: Das stimmt nicht!) und denen nie zugestimmt haben (Abg. Belakowitsch: Das stimmt auch nicht, natürlich haben Sie zugestimmt!), weil wir immer auch die Balance zwischen gesundheitlichen Folgen, wirtschaftlichen Folgen und sozialen Folgen bis hin zur Frage der psychischen Situation der Kinder und Jugendlichen in der Schule im Auge gehabt haben. (Abg. Ottenschläger: Und in Wien habt ihr am längsten die Sanktionen aufrechterhalten!) Also lassen Sie sich da nichts einreden, das ist einfach falsch, was der Herr Klubobmann hier sagt. (Abg. Kickl: In Wien waren Sie auch nicht dabei?!)
Aber Österreich ist nicht gut durch die Krise gekommen – weshalb es, Herr Bundeskanzler, auch erfreulich, aber nicht überraschend ist, dass letztes Jahr eine Art Aufholjagd in der Wirtschaft stattgefunden hat und letztes Jahr das Wachstum durchaus erfreulich war, weil es eben bei uns im Vergleich zu anderen europäischen Ländern durch diese langen, langen Lockdowns (Abg. Belakowitsch: Wo auch die NEOS dabei waren!) tatsächlich auch überdurchschnittlich eingebrochen ist.
Jetzt ist dieses Wachstum, diese Aufholjagd aber letztes Jahr zu einem jähen Ende gekommen. Man muss es an der Stelle sagen: Es ist nicht die Entscheidung Österreichs oder die Entscheidung Europas, Deutschlands, Frankreichs oder von sonst irgendjemandem gewesen, auch nicht die Entscheidung der OMV und schon gar nicht die der Energiekunden, dass Russland einen Überfall auf die Ukraine begonnen und damit einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gestartet hat und schon Monate davor begonnen hat, Gas – Energie allgemein, aber insbesondere Gas – als Waffe einzusetzen, damit Europa in die Knie zu zwingen, sich nur ja nicht auf die Seite der Ukraine zu stellen, und, weil wir erpressbar sind, die Preise in die Höhe getrieben hat. Also das liegt sozusagen außerhalb des Einflussbereichs. Was aber nicht außerhalb des Einflussbereichs liegt, ist die Frage: Wie gehen wir mit dieser Teuerung jetzt um? Und hat die Bundesregierung diese Teuerung nicht noch befeuert?
Jetzt komme ich zu dem, was ich auch seit Monaten sage: Es hat in der Coronazeit angefangen, als vom damaligen Finanzminister Gernot Blümel verkündet wurde – ich kann mich noch an die Überschrift eines Interviews in einem Magazin erinnern –: Euch wird gegeben werden. Also das Füllhorn wurde ausgepackt. „Koste es, was es wolle“, das war die Doktrin der Bundesregierung dafür, sich quasi für die wirtschaftlichen Schäden, die durch die Lockdowns entstanden sind, zu entschuldigen. Es wurde eine derartig expansive Förderungspolitik, eine Gießkanne ausgepackt, von der wir mittlerweile wissen, das ist schwarz auf weiß bestätigt, dass sie zu massiver Überförderung geführt hat.
Was haben Sie gemacht? Was haben Sie als Erkenntnis daraus gemacht? – Sie haben wieder die Gießkanne ausgepackt und in den vergangenen Monaten, als die Inflation in immer lichtere Höhen geklettert ist, die Inflation noch weiter befeuert, indem Sie Geld ausgegeben haben, das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von heute und das jener von morgen – auf Pump, so, als gäbe es kein Morgen. Das Resultat ist, dass die Inflation in Österreich – auch im europäischen Vergleich – durch Ihre fiskalischen Maßnahmen 2 bis 2,5 Prozent höher ist, als sie es sein müsste. (Beifall bei den NEOS.)
20 Prozent Inflation kumuliert ist über die vergangenen Jahre zustande gekommen. Das bedeutet natürlich einen enormen Wohlstandsverlust für unser Land, und das ist ein Riesenproblem, gerade für die ökonomisch Schwächsten in unserer Gesellschaft, die sich den täglichen Einkauf tatsächlich nicht mehr leisten können. Sie hätten die ökonomisch schwächsten Menschen, die ökonomisch schwächsten Haushalte in Österreich unterstützen müssen, damit diese gut durch die Krise kommen. Sie hätten nicht die Gießkanne auspacken dürfen, was zur Folge hat, dass wir Steuerzahler uns gegenseitig die Strom- und Gasrechnung subventionieren.
Vielleicht an dieser Stelle ein kurzer Einschub: Es sind heute sehr viele Maßnahmen vorgeschlagen worden, von einem Preisdeckel bis hin zu einer Mehrwertsteuersenkung. Manches klingt wirklich sehr gut. Bei vielen dieser Maßnahmen ist auch die FPÖ dabei. Apropos Einheitspartei: Gerade bei diesem Geldausschütten mit der Gießkanne waren Sie auch immer dabei. (Abg. Steger: Das stimmt ja nicht!) Sie sind auch gerne dabei, wenn es darum geht, nach einem Preisdeckel zu schreien – so wie die Sozialdemokratie.
Ihr großes Vorbild, Herr Kickl, ist ja Viktor Orbán. (Abg. Kickl: Ja, bei einem Asyldeckel! Da muss man differenzieren, Frau Meinl-Reisinger! Die Kunst liegt im Differenzieren!) Schauen wir uns einmal an, wie die Politik des neuen illiberalen Posterboys Europas funktioniert (Abg. Hafenecker: Was haben die Liberalen in Ungarn gemacht?): Ungarn hat vor der Wahl – aha, aha, warum gerade vor der Wahl?! – den Weg gewählt, Preisdeckel einzuführen. Mit welchem Ergebnis? – Die Inflation in Ungarn liegt bei 25 Prozent. (Abg. Kickl: Aber Sie wissen, warum! Das hat mit dem Preisdeckel nichts zu tun! – Abg. Hafenecker: Die liberale Regierung in Ungarn ...!) Lebensmittel in Ungarn sind in den vergangenen Monaten um bis zu 45 Prozent teurer geworden. (Abg. Kassegger: Was hat denn Ungarn für eine Währung, Frau Meinl-Reisinger?) Das ist also Ihr Beispiel, das ist Ihre wirtschaftspolitische Vernunft! Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen. – Abg. Hafenecker: Das waren noch Zeiten, als der Haselsteiner ...!)
Wo hätte der Staat tatsächlich eine Verantwortung, eine wirkliche Teuerungsbremse einzuziehen? – Bei den eigenen Ausgaben und vor allem auch in den Bereichen, in die der Staat selber Einfluss nehmen kann: bei den eigenen Gebühren, bei den eigenen Preisen, wie zum Beispiel bei den ÖBB-Ticketpreisen, und natürlich auch – die Blauen sind jetzt in drei Landesregierungen (Abg. Hafenecker: Im Gegensatz zu euch!) – bei den Preisen der sich großteils im Staatseigentum befindlichen Landesenergieversorger. (Abg. Kickl: Da, wo Sie rausgeflogen sind! – Abg. Hafenecker: Sie wurden ausgetauscht!)
Schauen wir uns die einmal an: Es wird ja oft über die böse Liberalisierung der Energiemärkte gesprochen, über die privaten Unternehmen, die dort abcashen. Wer sind denn diese privaten Unternehmen? Ich schaue nach Niederösterreich zur EVN oder nach Salzburg zur Salzburg AG oder zu all den anderen Landesenergieversorgern (Abg. Schmidhofer: Wien! Wien!), die teilweise im hundertprozentigen Eigentum des Landes sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hauser.) Das ist ein Körberlgeld für die Landespolitiker, für die Landesregierungen (Ruf bei der ÖVP: Aber auch in Wien!), die mit diesen Übergewinnen sehr wohl ihre Budgets sanieren, damit sie dann ihre Untertanen gnädigst mit weiteren Gutscheinen und Boni füttern können. (Ruf: Dann gibt es wieder einen Schnitzelgutschein!)
Wo ist denn da Ihre Politik der Preisbremse? (Abg. Ottenschläger: Nicht böse sein, aber in Wien ist es am ärgsten!) Wo ist da der Druck? Wann nehmen Sie endlich die Landeshauptleute an die kurze Leine und sagen ihnen: So eine Preissetzung wollen wir nicht (Ruf bei der ÖVP: Schauen Sie einmal nach Wien!), in einem Bereich, in dem sie die Preise selber festlegen können? (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Es kann nur besser gehen als bei Ihnen in Wien!) Das wäre eine Politik, die wirklich allen Menschen in den Ländern zugutekäme. (Abg. Steger: Sie sitzen in Wien in der Landesregierung! – Ruf bei der ÖVP: Also echt! – Abg. Kickl: Wir werden einmal schauen, was die NEOS in Wien machen! – Abg. Ottenschläger: Zeigt halt, wie es besser geht!)
Der dritte Bereich, der mir auch sehr wichtig ist – das wird auch von Expertinnen und Experten sehr oft angesprochen –, betrifft die sogenannten Zweitrundeneffekte. Die Kaufkraft ist ja Gott sei Dank nicht so stark gesunken, aber das ist natürlich auch eine Folge der Einmalzahlungen. Schauen wir einmal, wie es weitergeht! Wir wollen nicht – und das ist ja wirklich ein Thema –, dass die Österreicherinnen und Österreicher solch enorme Reallohnverluste hinnehmen müssen. In Zeiten steigender Preise sollen die Menschen von ihren Einkommen mehr haben, sie sollen sich mehr leisten können.
Wir haben daher immer betont, dass wir auch wollen, dass es entsprechende Lohnabschlüsse gibt. Diese große Frage stellt sich mit Blick auf die nächste Runde im Herbst. Manche Ökonomen warnen und sagen: Bitte um eine Lohnzurückhaltung! Ich finde das nicht in Ordnung. Die Menschen haben sich eine Lohnzurückhaltung wirklich nicht verdient. Auch da kann der Staat etwas machen, weil die Kosten bei den Arbeitgebern schlagend werden. Warum unterstützt man nicht höhere Löhne und Einkommen – nach dem Motto: mit mehr Einkommen besser auskommen! –, indem man das, was die Kosten in die Höhe treibt, nämlich vor allem die Lohnnebenkosten, cuttet, kürzt oder übernimmt? Das ist ein Weg, mit dem den Menschen mehr im Geldbörsel übrig bleiben könnte. Da müsste der Staat bei sich selber sparen und den Gürtel enger schnallen. (Beifall bei den NEOS.)
Ich bin auch der Meinung, dass die Steuern auf Löhne und Einkommen mit insgesamt 47 Prozent in Österreich viel zu hoch sind. Es ist kein Wunder, wenn am Ende des Monats denen, die hart arbeiten und Leistung zeigen – Sie sagen ja immer: Leistung muss sich lohnen!, aber sie lohnt sich eben nicht –, 47 Euro von 100 Euro, die sie mehr verdienen, einfach abgeknipst werden.
Mein letzter Punkt, da meine Redezeit schon fast vorbei ist (Abg. Hafenecker: Ihre Zeit ist abgelaufen! – Abg. Belakowitsch: Ist schon vorbei!), betrifft die Energiepreise. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass es aus sicherheitspolitischen, aber auch aus wirtschaftspolitischen Gründen notwendig ist, sich endlich von russischem Gas, von der russischen Gasleine zu befreien. Es ist auch für die Preise besser, wenn wir diversifizieren und mehr Wettbewerb ermöglichen.
Wie schaut es denn mit der Strategie der Bundesregierung betreffend aktive Diversifizierung, wie das so schön heißt, aus? Ich höre Vorschläge von der Energieministerin, die einen Teil der OMV verstaatlichen will. Was ist mit den Vorschlägen, die schon länger am Tisch liegen, zum Beispiel auch von Ihrer Öbag, eine Gaskoordinierungsstelle einzusetzen, die dafür Sorge trägt, dass mehr Gasquellen erschlossen werden, damit die Wirtschaft langfristig Sicherheit hat (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen), dass die Energieversorgung gedeckt ist und – auch für die Menschen – langfristig die Preise sinken? (Abg. Belakowitsch: Es ist vorbei!)
Sie können sich nicht einigen, und das ist eine Schande. Wir brauchen in so einer Zeit nämlich eine Regierung, die Leadership zeigt und endlich Taten setzt, auch in diesem Bereich. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
13.16
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rainer Wimmer. – Bitte, Herr Abgeordneter.