10.53

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist traditionell immer eines der EU-kritischsten Länder gewesen, aber heute habe ich sehr, sehr gute Nach­richten, und zwar habe ich den aktuellen Imas-Report bei mir, und es gibt eine ganz klare Trendumkehr: Mittlerweile sind drei von fünf Österreiche­rinnen und Österreichern davon überzeugt, dass die Mitgliedschaft Ös­terreichs in der EU sehr wichtig ist, und jeder Zweite ist auch sicher, dass der Beitritt zur Union mehr Vorteile als Nachteile brachte. Überhaupt nur noch jeder Vierte ist davon überzeugt, dass unsere Mitgliedschaft mehr Nach­teile hätte.

Das ist gut so, denn kaum ein Land hat so viel von der Europäischen Union profitiert wie Österreich. Woher kam beziehungsweise kommt dann aber diese historische Skepsis der Europäischen Union gegenüber? (Abg. Meinl-Reisin­ger: Weil ... die ganze Zeit ...!) – Ich glaube, da müssen wir uns einmal ganz kritisch auch uns alle hier ansehen. Ich glaube schon, dass die Parteienlandschaft sehr viel Verantwortung dafür trägt, und es ist nicht die alleinige Schuld der FPÖ, aber ich glaube schon, dass ein großer Beitrag zu dieser Europaskepsis aus Ihren Reihen kommt. Die Wähler - - (Ruf bei den Grünen: Ihr wollt ja mit denen ko­alieren! – Abg. Steger: Und die EU hat überhaupt keinen Grund, oder?) – Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden. (Abg. Steger: Die EU hat überhaupt keine Schuld, dass es die Skepsis gibt?!) Es ist leider akustisch schwer zu verstehen. Es ist hier leider oft sehr schwierig, zu reagieren, obwohl es in diesem Diskurs schön wäre, aber es geht nicht, weil man hier heraußen wirklich kaum etwas hört.

Woher kommt diese historische Skepsis? – Ich glaube schon, dass dieser Popu­lismus, der da einfach mit den guten alten Zeiten des Schilling agiert – und: Die Festung Österreich!, und: Wir müssen uns gegen die da oben, die mit ihren stumpfsinnigen Ideen kommen, wehren! –, sehr viel zur Unsicherheit der Leute beträgt. Wir wissen auch, wo die Ablehnung am größten ist, das ist näm­lich in eher ungebildeten Gesellschaftskreisen so. Das ist schade und es ist nicht notwendig, und deswegen finde ich es umso schöner, dass sich da vieles geändert hat.

Die SPÖ – da sieht man momentan, wie viele Abgeordnete noch da sind; ich weiß nicht, ich glaube zehn oder so – war jetzt traditionell sicher nie irgend­wie die totale proeuropäische oder Pro-EU-Fraktion, was vielleicht auch der Historie oder der Vergangenheit geschuldet ist, nur was ich jetzt spannend finde, ist – die, die da sind, interessiert das Thema ohnehin, die anderen anscheinend weniger –, wie das bei Ihnen mit dieser, nennen wir es verhaltens­kreativen, Zukunftshoffnung Andreas Babler weitergeht.

Dieser war damals mit seiner niederösterreichischen SJ-Landesgruppe aktiv daran beteiligt, vehement gegen den EU-Beitritt zu mobilisieren, und in seinem Forderungskatalog steht die Abschaffung des Bundesheeres – nicht die der Wehrpflicht, sondern die komplette Abschaffung des Bundesheeres! Das wäre „Mut und Konsequenz in der verteidigungspolitischen Debatte“, und er sagt, das Material könne man dem Katastrophenschutz und den freiwilligen Feuerwehren zur Verfügung stellen und dann wären wir endlich wirklich neutral.

Ich sehe das nicht als Mut und Konsequenz in der verteidigungspolitischen Debatte, ich nenne das sicherheitspolitische Verantwortungslosigkeit. Das ist mangelnde Solidarität. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Es braucht Entschlossenheit, da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. Es braucht Entschlossenheit, um den Frieden in Europa wiederherzustellen, um ein starkes Europa zu werden. Ich glaube, wir haben mit Robert Brieger, unserem ehemaligen Generalstabschef und jetzigen obersten Militärchef in der Leitung des obersten Militärgremiums der EU, einen Spitzenmann (Abg. Meinl-Reisinger: Glauben Sie, ist der zufrieden mit der österreichischen Sicherheitspolitik? Ich glaube nicht!), und ich glaube, es ist großartig, dass Österreicher auch dort mitagieren.

Ich glaube, Ihr Wunsch – im Titel der Aktuellen Europastunde ist ja von den „Vereinigten Staaten von Europa“ die Rede – ist ein hehres Ziel, es ist eine schöne Vision, aber derzeit ist das einfach eine naive Herangehensweise, denn wir sind nicht so weit. Sie spüren überall rundherum, dass da ganz viel Ablehnung da ist, und ich glaube, je mehr wir in so eine Richtung drängen, desto schwieriger wird es auch, die Leute mitzunehmen. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben auch eine Leadershipverantwortung! Sie sind in der Regierung, Entschuldigung! Das wäre - -!) Das ist genau der Punkt: das Thema Leader­ship – dazu komme ich später noch.

Was es unserer Meinung nach in der EU jetzt braucht - - (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Vielleicht haben wir einfach einen anderen Ansatz, Frau Kollegin. Aber es ist schön: Ich habe Ihnen zugehört, Sie hören mir auch zu – das ist dann gut.

Es geht um einen abrupten Übergang – „die Vereinigten Staaten von Europa“ finden sich ja im Titel der Aktuellen Europastunde –, und ein abrupter Übergang ist sicher nicht möglich, denn er würde diese Unterschiede nicht auf­lösen, sondern er würde sie verstärken.

Unsere Strategie ist einfach eine andere: Wir glauben, wir müssen die bestehen­den europäischen Institutionen – und zwar diejenigen, die gut funktionie­ren – weiter stärken und die anderen transformieren, und dafür braucht es – da gebe ich Ihnen völlig recht – Leadership. Es braucht politische Leadership innerhalb der EU – das ist notwendig –, und es braucht meiner Meinung nach auch ein visionäres anderes Denken. Dazu braucht es Mut, auch da bin ich bei Ihnen. Es ist nicht alles gut, es gibt vieles, was wir da verändern müssen, aber ich glaube, der Weg muss ein anderer sein.

Damit wir Wohlstand, die Diversität, die Demokratie in Europa weiter festigen, damit das, was in Europa alles gut ist, was die Menschen auch zu Recht als gut empfinden – unseren Wohlstand – festigen, braucht es sicher neue Ideen, neue Ziele.

Eines möchte ich jetzt schon zu diesen vermeintlichen Austrittfantasien, die ja doch immer wieder unterschwellig aus FPÖ-Kreisen kommen, sagen. Petra Steger, wir waren letzte Woche gemeinsam in Großbritannien. Du warst nicht mehr dort, aber Nina Tomaselli und ich standen da, und dort gehen jeden Tag Leute protestieren, weil sie unbedingt wieder in die EU zurückkom­men wollen. Die stehen jeden Tag da und mobilisieren und versuchen, wieder ein Umdenken zu erwirken. (Abg. Steger: Und in den letzten Jahren sind ständig Leute demonstrieren gegangen, um ... Rücktritt zu wollen! Darauf haben Sie auch nicht gehört!)

Großbritannien – wir haben uns dort viele Gespräche angehört – hat viel mehr Probleme als vorher. Die Probleme und Themen, die dort angesprochen worden sind, die sich bei einem Brexit vermeintlich lösen würden, sind nicht ge­löst worden. Im Gegenteil: Es sind viele, viele Probleme und Herausfor­derungen für die Briten dazugekommen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte!

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (fortsetzend): Deshalb brauchen wir einen Zuspruch zur EU, und ich habe Ihnen etwas mitgebracht, und zwar diesen (einen Ausdruck in die Höhe haltend) Report. Ich gebe ihn jetzt (in Richtung Abg. Steger) Ihnen, Frau Kollegin, weil Herr Kickl nicht hier ist. Eigentlich wollte ich das Herrn Kickl als erfahrenem Populisten selbst übergeben. Das ist der Zuspruch.

Das Wählerpotenzial, das Sie ja immer ausnützen wollen, wäre dann besser aus­genützt, weil wir sehen, dass mittlerweile nur noch jeder Vierte dagegen ist. Nutzen Sie also Ihr ganzes Wählerpotenzial aus und werden auch Sie proeuropäisch! (Beifall bei der ÖVP.)

10.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort.