12.30

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Durch das Covid-19-Überführungsgesetz werden zahlreiche Regelungen, die während der Pandemie eingeführt wurden, wieder zurückgenommen. Das ist grundsätzlich gut so. Aus unserer Sicht greift es jedoch etwas zu weit, weil es nach wie vor Risikogruppen gibt, deren Leben durch Ansteckung mit Covid-19 in höchstem Maß gefährdet ist. Es gibt Menschen, die nach wie vor mit Covid-Erkrankungen auf Intensivstationen liegen.

Insbesondere, Herr Minister, ist die Abschaffung der kostenlosen Testungen nicht gerechtfertigt. Es gibt leider nach wie vor Gruppen, die von einer Coronaerkrankung besonders betroffen wären. Um auch ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sollten zumindest für die vulnerablen Gruppen Testungen weiterhin gratis angeboten werden.

Kritik zu diesem Überführungsgesetz kommt auch aus den Ländern, die sich eigentlich für die Impfungen nicht zuständig erklären. Die Impfungen sind nach wie vor von den Sozialversicherungen durchzuführen. Dazu kommt natürlich auch, dass der Kostenersatz für die Impfungen von 20 Euro pro Impfung aus Sicht der Länder zu gering ist. Außerdem fehlen den Ländern entsprechend gleiche Kostenersatzregelungen für die KFAs.

Eine niedergelassene Ärztin aus Niederösterreich, eine Ärztin, die sehr viel Erfahrung mit Covid-Patienten gesammelt hat, beschreibt das in einer Stellungnahme wie folgt: „der vorliegende Gesetzesentwurf“ ist „zu unbesorgt.“ Man weiß mittlerweile, „dass wiederholte Infektionen“ mit Covid „weitere Zerstörung im Körper anrichten, im Immunsystem, in den Gefäßen, in vielen Organen“. Das „Überbordwerfen aller Vorsicht“ ist gerade für Risikogruppen „eine allzu gewagte Haltung.“ – Deswegen werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen.

Herr Minister, es wäre jetzt auch an der Zeit, ein zeitgemäßes Epidemiegesetz in Angriff zu nehmen und die Erfahrungen aus der Epidemie in Zusammenarbeit mit Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen in ein entsprechendes Gesetz zu gießen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und auch Herr Bundesminister! Weil wir heute so viel über Reformen gesprochen haben, hätte ich auch eine Bitte aus unserer sozialdemokratischen Parlamentsfraktion: Nehmen Sie diese schwarz-blaue, katastrophale Sozialversicherungsreform wieder zurück (Beifall bei der SPÖ), die die Krankenversicherungsträger – vor allem die Österreichische Gesundheitskasse, in der die Landesstellen der Österreichischen Gesundheitskasse nichts zu sagen haben, keine Kompetenzen haben – in Wirklichkeit lähmt! Schluss mit dieser Fremdverwaltung von Arbeitnehmer:innengeldern! Es ist höchst an der Zeit, dass die Arbeitnehmer ihre Kasse wieder selbst verwalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gestern gesehen, wohin das führt, nämlich, dass der ÖVP-Wirtschaftsbund im Verwaltungsrat der ÖGK bei den zusätzlichen Kassenarztstellen dagegengestimmt hat (Abg. Singer: Stimmt nicht! –weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), wie das die ÖVP immer wieder tut. (Beifall bei der SPÖ.) Seit 35 Jahren sitzt die ÖVP in der Regierung und blockiert alles, was etwas dazu beitragen kann, dass dieser Staat etwas moderner wird. (Abg. Gerstl: Immer wieder falsch!) Ob das im Bildungsbereich ist, im Gesundheitsbereich ist, egal was es ist: ihr blockiert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Es wird nicht wahrer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesundheitsversorgungspaket“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der ein Gesundheitsversorgungspaket mit folgenden Schwerpunkten umgesetzt wird:

- Rückabwicklung des mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz erfolgten Entzuges der finanziellen Mittel für die ÖGK und Schaffung eines Risikostrukturausgleichs zwischen den Krankenversicherungsträgern, um die Leistungsharmonisierung und den Leistungsausbau zu finanzieren

- Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde in Tranchen zu je 200 Millionen Euro für fünf Jahre und von mindestens einer halben Milliarde jährlich im Zuge des Finanzausgleichs, um die ambulante Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen

- Veränderung der Aufnahmekriterien zum Medizinstudium und Bevorzugung bei der Erlangung eines Studienplatzes, gekoppelt an die Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein

- das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden

- Verdoppelung der Medizinstudienplätze und entsprechendes Budget für die Universitäten.

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Rudolf Silvan,

Genossinnen und Genossen

betreffend Gesundheitsversorgungspaket

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2048 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Zweckzuschüsse an Länder und Gemeinden für die Durchführung der Corona-Schutzimpfung (COVID-19-Impffinanzierungsgesetz) und ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen für das COVID 19-Maßnahmengesetz getroffen werden, erlassen und das Epidemiegesetz 1950, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Psychotherapiegesetz, das Sanitätergesetz, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert werden (COVID-19-Überführungsgesetz) (2054 dB)

Die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung ist in den letzten fünf Jahren um vieles schlechter geworden. Patientinnen und Patienten spüren die Auswirkungen tagtäglich. Kein/e Hausarzt/Hausärztin in der näheren Umgebung, weite Anfahrtswege, lange Wartezeiten auf Fachärzt:innentermine, Medikamentenengpässe.

Was tut die Regierung: ankündigen! Von 100 zusätzlichen Kassenstellen noch 2023 ist da zu hören, von insgesamt 500 Kassenstellen und 121 Primärversorgungseinheiten bis Ende 2024, von höheren Honoraren in den Ärzteverträgen und 100 Mio. Euro Förderungen. Doch wie soll das alles umgesetzt werden, woher sollen die zusätzlichen finanziellen Mittel für die Sozialversicherung kommen, Arzthonorare und zusätzliche Kassenstellen sind Aufgabe der Selbstverwaltung - will die Regierung die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung ausschalten? Die Antworten bleibt die Regierung wieder einmal schuldig.

Höhere Honorare, zusätzliche Kassenstellen, deutlich mehr Primärversorgungseinrichtungen – all das kostet der Krankenversicherung viel Geld.

Mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) wurde 2018 eine unterfinanzierte ÖGK geschaffen und der Krankenversicherung enorme finanzielle Mittel entzogen. Es wurde eine Patient:innenmilliarde und eine Leistungsharmonisierung über alle Träger versprochen. Beides wurde bisher nicht eingelöst, es wurden noch nicht einmal die Grundlagen in Form eines Risikoausgleichs zwischen den Krankenversicherungen aufgestellt. Der Risikoausgleich zwischen den Trägern ist mittlerweile in allen umliegenden Ländern Standard. Zuletzt hat sich mit der Corona-Krise die ungleiche Verteilung weiter verstärkt. Hier ist die Regierung säumig, die Rahmenbedingungen für eine langfristig gut abgesicherte Finanzierung der Krankenversorgung zu gewährleisten.

Der Krankenversicherung werden bis 2024 insgesamt rund 600 Mio. Euro entzogen. Darin enthalten sind weniger GSBG-Mittel im Ausmaß von 174 Mio. Euro und mehr Zahlungen an die Privatkrankenhäuser im Ausmaß von 65 Mio. Euro. Zusätzlich wird die Beitragssatzsenkung der Unfallversicherung zu Lasten der Krankenversicherung finanziert, indem der Pauschbetrag von rund 500 Mio. Euro auf 140 Mio. Euro reduziert wird. Um die Finanzierbarkeit der ÖGK sicherzustellen, müssen die entzogenen Mittel rückerstattet werden, dabei geht es noch gar nicht um die angekündigten zusätzlichen Kassenstellen und höheren Honorare.

Eine Kassenvertragsstelle kostet im Jahr im Durchschnitt etwa 400.000 Euro. Bei 100 zusätzlichen Stellen wären das bereits 40 Mio. Euro jährlich. Dabei sind noch keine höheren Honorare enthalten. Für 500 zusätzliche Kassenärzte sind das 200 Mio. Euro jährliche Mehrkosten. Wird die Regierung den Krankenversicherungsträgern diese Kosten ersetzen? Und woher werden die zusätzlichen Ärzte und Ärztinnen kommen? Es können derzeit schon nicht alle Kassenstellen besetzt werden.

Effektive Maßnahmen gegen den Ärztemangel, die versprochene Leistungsharmonisierung und ein Leistungsausbau sind erforderlich um die Gesundheitsversorgung der Menschen in Österreich wieder zu verbessern.

Es braucht daher ein Gesundheitsversorgungspaket, das die Übernahme von neuen Leistungen wie bspw. Erwachsenen-Impfprogramm, neue Vorsorgeleistungen und innovative Therapien finanzieren soll. Der Ausbau der ambulanten Versorgung muss damit ebenfalls unterstützt werden. Primärversorgungseinheiten, multidisziplinäre Ambulatorien, psychosoziale Versorgung und entwicklungsdiagnostische Ambulanzen müssen ausgebaut werden.

Der Ärztemangel muss an der Wurzel bekämpft werden. Es müssen die Aufnahmekriterien zum Medizinstudium verändert werden. Soziale Kompetenzen, Einbeziehung von Vorerfahrungen, z.B. pflegerische Ausbildung/Tätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich müssen eine entsprechende Bewertung erfahren. Die Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein, muss zu einer Bevorzugung für die Erlangung eines Studienplatzes führen. Das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden. Zusätzlich müssen die Medizinstudienplätze verdoppelt und den Universitäten das entsprechende Budget zur Verfügung gestellt werden.

Nur so kann die Versorgung für die Versicherten auf dem bisherigen hohen Niveau weiter bereitgestellt und weiterentwickelt werden. Der Bund soll dafür rund eine halbe Milliarde Euro jährlich im Rahmen des Finanzausgleichs zur Verfügung stellen. Nachdem die durchgeführte Senkung der Körperschaftssteuer jährlich rund eine Milliarde Euro kostet, kann die Finanzierung dieses Paketes wohl kein Problem darstellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der ein Gesundheitsversorgungspaket mit folgenden Schwerpunkten umgesetzt wird:

•          Rückabwicklung des mit dem SV-OG erfolgten Entzuges der finanziellen Mittel für die ÖGK und Schaffung eines Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenversicherungsträgern um die Leistungsharmonisierung und den Leistungsausbau zu finanzieren

•          Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde in Tranchen zu je 200 Mio. Euro für 5 Jahre und von mindestens einer halben Milliarde jährlich im Zuge des Finanzausgleichs um die ambulante Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen

•          Veränderung der Aufnahmekriterien zum Medizinstudium und Bevorzugung bei der Erlangung eines Studienplatzes gekoppelt an die Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein

•          Das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden

•          Verdoppelung der Medizinstudienplätze und entsprechendes Budget für die Universitäten.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung.