Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Die Deutschförderklassen inklusive der Mika-D-Tests erweisen sich ja nach wie vor als unbrauchbar, pädagogisch zweifelhaft und auch schwer durchführbar. Das belegt eine Studie, die von Ihnen in Auftrag gegeben wurde, und auch der größte Teil der Pädagoginnen und Pädagogen lehnt sie ab.
„Mit welcher wissenschaftlichen Begründung halten Sie weiterhin am Modell der Deutschförderklassen fest, obwohl ausnahmslos alle Expert:innen und alle publizierten Studien an deren Erfolg zweifeln?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich habe, nachdem ich angenommen hatte, dass das heute Thema sein wird, gestern am Abend die Studie noch einmal in Ruhe durchgelesen. Man kann diese Studie durchaus auch anders sehen. (Abg. Heinisch-Hosek – erheitert –: ..., man kann die Studie auch anders sehen!) Ja, die Studie weist auf einige Bereiche hin, in denen Verbesserungsbedarf besteht, und genau diesen Verbesserungsbedarf haben wir erkannt und da sind wir bereits tätig geworden.
Ich denke, dass das Deutschfördermodell für die außerordentlichen Schülerinnen und Schüler sehr wohl zu einem erfolgreichen, raschen Erlernen der Unterrichtssprache Deutsch beiträgt. Ich konnte mich auch selbst davon überzeugen – ich bin durchschnittlich einen Tag in der Woche in Bildungseinrichtungen unterwegs und war auch in einigen Deutschförderklassen.
Ich sehe aber sehr wohl, dass wir Verbesserungsbedarf haben. Genau aus diesem Grund haben wir jetzt 10 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für die Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Deutschförderklassen. Diese Mittel können für die Teilung von Klassen, für einen Unterricht in Kleingruppen eingesetzt werden, etwas, das eben auch in der Studie gefordert worden ist.
In der Studie wurde außerdem bemängelt, dass es die Förderung nur im außerordentlichen Status der Schülerinnen und Schüler gibt, nicht im ordentlichen Status. Da haben wir bereits die entsprechende Regelung umgesetzt, das heißt, es ist jetzt die Deutschförderung auch im ordentlichen Status möglich, und wir haben dafür weitere 4,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.
Wir arbeiten außerdem an einer Änderung des Mika-D-Tests. Wir haben die Ausweitung der Testzeiträume bereits vorgenommen, um einen Wechsel von der Deutschförderklasse in den Deutschförderkurs beziehungsweise den ordentlichen Status rascher und auch unterjährig vornehmen zu können.
Wir haben weiters, um dafür Sorge zu tragen, dass es genügend qualifizierte Personen in den Schulen gibt, bereits erste zusätzliche Maßnahmen gesetzt, um die sprachliche Bildung in den Lehrplänen vermehrt zu verankern und vermehrt Personen mit entsprechender Kompetenz im Bereich Deutsch als Zweitsprache in die Schulen zu bringen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Wenn ich Sie richtig verstehe, dann kommt dieses veränderte Modell jetzt im nächsten Schuljahr schon zum Tragen.
Wie stellen Sie sicher, dass diese Deutschförderung jetzt wirklich in eine sinnvollere und pädagogisch sowie sozial wertvollere Variante umgewandelt wird und diese auch den Pädagoginnen und Pädagogen zur Umsetzung zeitgerecht zukommen wird?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Diese Gelder stehen zur Verfügung. Das ist den Bildungsdirektionen bekannt. Es wird an den jeweiligen Bildungsdirektionen liegen, die entsprechenden Planungen in Abstimmung mit den Schulleitungen zu machen. Die Gelder sind schon lange da, und ich gehe deshalb davon aus, dass das in der Planung in den Bildungsdirektionen entsprechend erfolgen wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Die Einführung der Deutschförderklassen hatte ja nicht nur das Ziel, Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ordentlich zu fördern, sondern vor allem auch, dass in den Regelklassen der Unterricht ungestört durchgeführt werden kann, das heißt, dass man den Unterricht für jene Kinder, die Deutsch sprechen, für deutschsprachige Kinder einfach leichter und schneller durchführen kann.
Liegen Ihnen entsprechende Studien vor, die zeigen, dass der Unterricht in den Regelklassen jetzt auch tatsächlich besser vonstattengehen kann, und wenn ja, welche Studien sind das?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir sehen ja, dass die Ergebnisse bei verschiedenen Messungen im Vergleich des längerjährigen Durchschnitts durchaus gut sind. Ich darf etwa auf die letzte Pirls-Studie verweisen. In Zeiten des Homeschoolings war ja die Befürchtung, dass aufgrund dessen gerade die Leseleistung bei den Jüngeren schlechter wird, und das war in einigen europäischen Ländern in der Tat der Fall; in Österreich nicht so stark. Österreich hat auch schlechtere Ergebnisse, aber nicht in dem Ausmaß, und wir sehen, dass die Leseleistung gerade bei den Kindern und Jugendlichen durchaus gleich geblieben ist.
Wir sehen, da haben die Förderstunden, die wir einsetzen, gegriffen, und wir sehen, dass die Sprachkompetenz, die die Kinder aufgrund des außerordentlichen Unterrichts erwerben, funktioniert und die Kinder deshalb besser lesen können.
Ich sehe aber gerade da auch für das Bildungsressort eine besondere Herausforderung: dass es uns noch mehr gelingt, das Lesen bei den Kindern und Jugendlichen als besonderen Wert zu verankern und die Lesekompetenz noch mehr zu steigern. Dazu müssen sie aber natürlich auch über die entsprechenden Deutschkenntnisse verfügen, und ich denke, dass die Ergebnisse zeigen, dass das auch funktioniert.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Deutschdefizite, frustrierte Lehrerinnen und Lehrer und schlechte Finanzierung sind ein giftiger Mix, der an sehr vielen, vor allem neuen Mittelschulen zusammenkommt, an sogenannten Brennpunktschulen – ich glaube, wir alle mögen den Begriff nicht, aber man weiß, was damit gemeint ist.
Dabei ist so klar, was getan werden muss: mehr individuelle Deutschförderung, mehr Schul- und mehr Sozialarbeit, mehr Assistenzpersonal für Direktor:innen, für Lehrerinnen, für Lehrer. Man hat das Gefühl, dass diese Kinder irgendwie als verlorene Kinder im System betrachtet werden und dass man das vonseiten des Ministeriums einfach so akzeptiert hat: Man hört nichts, man sieht nichts, man spürt nichts vonseiten des Ministeriums, um dieses Problem zu bewältigen.
Deswegen ist meine ganz konkrete Frage an Sie, Herr Bildungsminister: Können Sie drei ganz konkrete Maßnahmen nennen, wie wir die Trendumkehr in der Bildungspolitik schaffen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ja, ich darf noch einmal darauf hinweisen: Wir stellen bereits ergänzend administratives Unterstützungspersonal zur Verfügung. Wir haben die Zahl fast verdoppelt. Wir stellen mehr Personal für Sozialarbeit zur Verfügung, wir haben diese Zahl verdoppelt.
Wir haben neue Lehrpläne, die mit kommendem Schuljahr in Kraft treten, die noch mehr auf die Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen eingehen, noch mehr auf die persönlichen Bedürfnisse der Kinder, gerade solcher, die ergänzenden Förderbedarf haben.
Wir haben nach der Pandemie fast eine halbe Milliarde Euro für Förderstunden zur Verfügung gestellt, die in den Schulen direkt den Kindern und Jugendlichen zugutekommen; und wir haben mit dem Projekt 100 Schulen – 1 000 Chancen gerade ein eigenes Projekt laufen, das intensiv Daten sammelt und mit dem Schulen verschiedene Wege probieren, wie wir gerade Kindern aus bildungsfernen Schichten noch besser den Erfolg im Bildungssystem garantieren können. Wir müssen natürlich darauf achten, dass gerade diese Kinder und Jugendlichen entsprechend auch einen Bildungserfolg haben können, und die Ergebnisse dieses Projektes werden selbstverständlich in weitere Handlungsschritte, auch im Ministerium, Eingang finden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, guten Morgen! Kommen wir noch einmal kurz zurück auf die Frage der Kinder im außerordentlichen Status! Da hat es ja seit Einführung eigentlich kein Jahr gegeben, in dem dieselbe Lösung oder die vorgesehene Lösung für den Aufstieg angewandt wurde, und auch für das heurige Schuljahr hat Ihr Ministerium ja wieder kurzfristig eine Lösung für den Aufstieg von Kindern im außerordentlichen Status gefunden.
Jetzt wäre natürlich spannend: Wie schaut eine Lösung für die kommenden Schuljahre, speziell für das kommende Schuljahr, aus?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wie wir gesehen haben, liegt die Schwierigkeit vor allem darin, dass der Mika-D-Test nur zu bestimmten Zeiten durchgeführt wird, was dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler dann nicht mehr die Möglichkeit haben, ein entsprechendes Abschlusszeugnis zu bekommen, was ja notwendig ist, um in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen.
Wir haben gesehen, dass sich da heuer ein sehr großes Problem auftut, und haben uns deshalb auch sehr, sehr rasch darum bemüht, eine Lösung zu finden, und wir haben diese Lösung ja in der Tat gefunden, ohne irgendwo gesetzliche Änderungen vornehmen zu müssen. Diese Regelung wurde den Schulen auch noch entsprechend kommuniziert, und es ist uns gelungen, da zu handeln.
Für das kommende Schuljahr stellt sich diese Problematik nicht mehr in dieser Form, weil der Mika-D-Test eben flexibler eingesetzt werden kann. Das heißt, der entsprechende Test kann auch während des Semesters jederzeit gemacht werden, wenn die Lehrkraft erwartet, dass die Kinder den Test bestehen. Wir gehen also davon aus, dass wir dieses Problem in der Form künftig nicht mehr haben werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte sehr.